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Antisemitische Bildsprache auf DocumentaMit Stern und Schweinsgesicht

Das Künstlerkollektiv Taring Padi stellt auf der documenta einen antisemitischen Beitrag aus. Kulturstaatsministerin Roth fordert Konsequenzen.

Der Ausschnitt des umstrittenen Großgemäldes des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi Foto: Uwe Zucchi/dpa

Schon vor dem Start der Kasseler Kunstausstellung sah sich das Kuratorenkollektiv Ruangrupa mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Konkrete Kritik richtet sich nun aber gegen einen Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi: Auf dem großflächigen Banner am Friedrichsplatz ist unter anderem ein Soldat mit Schweinsgesicht zu sehen. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“, der Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes.

Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth fordert über den Twitter-Account des BKM Kultur & Medien die documenta auf, Konsequenzen zu ziehen. „Das ist aus meiner Sicht antisemitische Bildsprache.“

Auch der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, fordert die Verantwortlichen auf, den Beitrag zu entfernen. „Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze“, erklärte Mendel. Das Werk müsse umgehend abgedeckt oder bestenfalls entfernt werden, forderte er. Im zweiten Schritt brauche es einen Dialog darüber, was schiefgelaufen sei und wo die blinden Flecken dieser documenta seien.

Mendel hatte sich bislang in der schon seit Monaten schwelenden Antisemitismusdbatte um die diesjährige documenta hinter die Schau gestellt. Er sagte, er sehe dort keinen Antisemitismus, kritisierte aber die fehlenden Positionen von jüdischen Künstlern aus Israel.

Roth wies Kritik an der documenta stets zurück

Auch Claudia Roth hatte Kritik an der documenta sowie Ruangrupa stets zurückgewiesen. Noch am Sonntag kommentierte die Grünen-Politikerin die Antisemitismusvorwürfe gegen das Kuratorenkollektiv und ging auf die am Samstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gehaltene Rede ein, in der dieser die Abwesenheit israelischer Künst­le­r:in­nen thematisierte. „Ein Boykott Israels kommt einer Existenzverweigerung gleich“, so Steinmeier.

Roth hatte in der Süddeutschen Zeitung die Skandalisierung der Weltkunstschau kritisiert und davor gewarnt, die spezifisch deutschen Fragen dieser Auseinandersetzung Künstlern aus anderen Ländern „überzustülpen“.

(mit dpa)

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52 Kommentare

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  • Paula , Moderatorin

    Wir haben die Kommentarfunktion zu diesem Artikel geschlossen. Vielen Dank für die zahlreichen Beiträge.

  • Dierk Saathoff fasst in der Jungle World den Werdegang dieses ganzen Elends, dass sich Kunstausstellung nennt, zusammen:

    "Genau das bebildert hervorragend den Duktus des Großteils der Kunst, den man in 100 Tagen Documenta dieses Jahr zu sehen bekommt: Kunst konzipiert von Aktivisten, die keine Künstler sind, sondern Möchtegern- Sozialpädagogen und Pseudorevoluzzer mitsamt dem unangenehmen Moralisieren und der altbackenen linken Ikonographie, die sich wie zwangsläufig in antisemitischen Phantasien von Juden als Unterdrücker, als Profiteure, als Nazis äußert.

    Aber was kann man schon von ­einem Kuratorenteam wie Ruangrupa erwarten, dessen große gesellschaft­liche Vision, die als Konzept die Documenta bestimmt, eine gemeinschaftlich geteilte Reisscheune ist, das indonesische Lumbung, das für die Idee ­einer »alternativen Ökonomie der Kollektivität« herhalten muss, was auch nur eine geschwollene Version des grässlichen Spruchs »Sharing is caring« ist?

    Ruangrupa verwandeln Kassel in eine riesige Freebox, anstatt Kunst zu zeigen – und verbinden dies mit irgendwie antikapitalistisch klingenden, aber tatsächlich regressiven gesellschaftlich-öko­nomischen Ideen. Zum Beispiel dann, wenn die Werte von Lumbung auf­gezählt werden, einer davon: »Genügsamkeit«."

    jungle.world/artik...as-bisschen-hitler

  • Man muss die Documenta-Macher aber schon verstehen. So einen echten Kunstskandal zu inszenieren um zum Start Aufmerksamkeit zu generieren ist inzwischen schwierig geworden. Das früher gern genutzte Mittel der Nacktheit oder Pornographie ist inzwischen nichtmal mehr eine Randnotiz wert. Antisemitismus geht dagegen immer als Skandal und die Ausstellung hat jetzt die Schlagzeilen die sie braucht. Wenn ich mir die Ausstellungsstücke dieser Documenta so ansehe, wird wegen der der künstlerischen Qualität der Beiträge ja wahrscheinlich kaum ein Besucher anzulocken sein.

  • Ein Grundsatz unserer auswärtigen Kulturpolitik lautet: "Kunst und Kultur machen gesellschaftliche Konflikte bewusst und zeigen Perspektiven auf, wenn politische Prozesse an ihre Grenzen stoßen." Man könnte wohlwollend urteilen, dass dies auch in den Absichten der documenta liegt, die damit einen Regierungsauftrag erfüllt.

  • Ob etwas Kunst ist, weiß man ja nie so genau. Selbst wenn der Markt(wert) es behauptet. Dass das Werk in diesem Fall antisemitisch ist, liegt auf der Hand. Passiert halt mal, dass auch andere kolonisieren; ein Versehen oder auch nicht. Kulturrelativismus versus Eurozentrik, was soll das. Vor der Kunst muss man nicht auf die Knie gehen, erst recht nicht vor einer Institution namens dokumenta. Hätte Beuys auch nicht gewollt (rip).



    Der Künstler hat um Verzeihung gebeten, das Werk ist verhüllt. Die spannende Auktion der Meinungen ist angelaufen. Irgendwie sind Diskurse in einer freien Gesellschaft auch Kunstwerke. Bestenfalls. L'art pour l'art.



    Im Ernst: die Problematik des offenen Antisemitismus ist keine unmögliche Herausforderung, aber der latente lauert hinter verschiedenen Masken. Da prüfe sich jeder selbst.

  • "Kunst-Antikunst."



    Ein vehementes Streitgespräch zw Joseph Beuys u dem Soziologen Arnold Gehlen.



    Kann man es sogar noch auf YouTube finden.



    Es nachzulesen wäre auch nicht schlecht.

  • Claudia Roth sollte sich schämen.

    Sie sagt man sollte Künstlern aus anderen Ländern keine spezifisch "deutschen Fragen" überstülpen.

    Was sie damit meint: Man sollte diesen Künstlern ihre antisemitische Hetze nicht verbieten, nur weil wir in deutschland sind.

  • Dem Kabarettist_Künstler Georg Schramm wurde von einem konservativen Publikum der Vorwurf gemacht, das sei kein Kabarett, was er da mache, das sei Klassenkampf.



    Tja, man will wohl so nach u nach, keinerlei unbotmäßigen Künstlereigenheiten mehr Freigang gewähren. Kunst lebt von unendlicher Freiheit u nicht mittels des einheitlich grauen Miefes einer Spießergängelung.

  • Es geht wohl auch darum, das teuer erkaufte kulturelle Kapital nun nicht durch schlecht überlegte Investitionen entwerten zu lassen.

    Oder wird der Antisemitismus im Deutsch-Rap auch an entsprechenden Stellen verhüllt, und von Roth getadelt? Hier wie dort wird behauptet, es handele sich ja um ein Spiel mit Zeichen, etc. Ziemlich alte Masche.



    www.youtube.com/watch?v=HXZCmXK9wWc

    Und gehört das Verhüllen nicht eher einer Tradition des 19. Jahrhunderts an, mit der Ängstlichkeit umzugehen (L'origine du monde)?



    Setzt jetzt der Streisand-Effekt ein?



    en.wikipedia.org/wiki/Streisand_effect

  • Man kann solcher Kunst wg bösem Hassinhalt fernbleiben!



    Okay!



    Aber sie verbieten ist heikel:



    "Kunst die Rücksicht nimmt ist unwahr"



    Soll es zukünftig so etwas wie eine Kunsturteil-Behörde geben???



    Der documenta droht, einen zwar heiklen, aber dennoch weltweit anerkannten Rang zu verlieren.



    Auch, aber weniger wegen dieser Hasskunst, als mehr durch Gängelungsversuche der wildesten und zornigsten unter den frei bleiben wollenden Kunstschaffenden.



    Schon zb Beuys wurde angefeindet wg seiner zwar nicht haßvollen aber als komisch u abwegig angesehenen Kunst. Und etliche andere Fälle. Erinnert werden darf auch an den zweifelhafte Ruf den sich die, auch weltweit hoch anerkannte, Bauhaus-Kunst plötzlich gefallen lassen muß.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Der Vorwurf des Antisemitismus gegen die Documenta, ihre Macher oder auch nur gegen das Kunstwerk ist entweder perfide oder töricht.



    Perfidie kann man (bis auf wenige denkbare Ausnahmen) ausschließen.



    Und so ist die Masse der Anschuldigungen halt eben nur töricht.



    Man habe keine israelischen Künstler eigeladen, wird als Beleg für die Behauptung angeführt.



    Was soll dieser Unsinn?



    Steht in den Statuten der Documenta, dass isrealische (oder russsische, amerikanische, monegassische, chinesische, nauruische etc.) Künstler eingeladen werden müssen/sollen?



    Und wenn nicht: Ist es ein Beleg für Antimonegassismus oder Antinauruismus, wenn von dort keine Künstler teilnehmen?



    Dann zum jetzt in einem kultrellen Furo inkriminierten Bild:



    Dort ist ein Soldat mit der Aufschrift "Mossad" und einer Schweinnemaske zu sehen. Andere mit Rattenmasken etc.



    Weder an prominenter Stelle und auch nicht besonders groß.



    Dort sind auch Soldaten mit der Aufschrift "Intel", "007" etc. zu sehen.



    Mit Rattenmasken etc.



    Ist das dann Antiintelismus, Antiamerikanismus etc.? AntiMI5ismus?



    Ist der Mossad ein Synonym für Israel, für ganz Israel, Intel für (ganz) Amerika? 007 für England/Großbritannien?



    Quatsch. Jede(r) der Benannten steht für sich, evtl. für die Macht dahinter. Sonst nichts.



    Sind die Macher je durch Anti-Irgendwas aufgefallen.



    Nein.



    Man will etwas hineininterpretieren, um eigene reflexhaft-törichte Schlüsse zu rechtfertigen.



    Den Vogel abgeschossen hat allerdings ein Headline der heute-Redaktion: "Antisemitisches documenta-Werk wird verdeckt." Wolf Schneider hat die Überschrift als "Krone des Artikels" bezeichnet. Das ist eine Wurstkrone. Und die Wurst liegt schon tagelang in der Sonne.



    Der Empörungsjournalismus und -politimus grassiert. Von ör-Redaktionen über die SZ und die Zeit bis hin zu Herrn Steinmeier und Frau Roth.



    Grundlos, sinnleer, überflüssig.



    Antisemitismus ist dumm, wie jeder pauschale Anti-XYZ.



    Die Dokumenta ist es nicht, die Macher weder anti-xyz noch dumm.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      "Der Vorwurf des Antisemitismus gegen die Documenta, ihre Macher oder auch nur gegen das Kunstwerk ist entweder perfide oder töricht."

      Bitte was? Die Darstellung eines Juden mit Schläfenlocken und Raffzähnen ist eindeutig antisemitisch. Wer das bezweifelt, hat sich offenkundig noch nie mit Antisemitismus beschäftigt.

      Und man sollte sich auch nicht künstlich dumm stellen. Wenn man einer Künstlergruppe mit BDS-Nähe wie ruangrupa die Kuratierung einer Ausstellung anvertraut, dann braucht man doch hinterher nicht darüber herumrätseln, weshalb wohl keine Künstler aus Israel eingeladen worden ist.

      • 6G
        655170 (Profil gelöscht)
        @Schalamow:

        Tja, so kann man das natürlich sehen.



        Wenn man auf Diffamierung as ist und die Kunst auf Linie bringen will.



        Auf die eigene Linie, versteht sich.



        Da haben ein paar berufsempörte gar getönt, es seien "rote Linien" überschritten oder gar "zerstört" worden.



        Nichts davon ist stimmt.



        Und wenn Sie den Mann mit den SS-Runen auf dem Bowler meinen, dann kann ich da (unzulässig, aber möglich) einiges hineininterpretieren. Nur eines sehe ich nicht: Weder seinen Glauben - noch seine Zugehörigkeit zu irgendeiner Volksgruppe.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Antisemitsmus ist schon längst gesellschaftsfähig geworden und ich spreche nicht von den Rechten. Die spinnen sowieso - aber durch die Solidarisierung mit den Palestinensern ergibt sich für manche Bevölkerungs-Gruppen zwangläufig eine antisemitische Haltung, stillschweigend geduldet von Politikern und NGO`s, die es eigentlich besser wissen müssten.

  • Ginge es um Rassismus oder frauenfeindliche Darstellungen, ein Aufschrei ginge durchs Land und Demonstrationen würden stattfinden.

    Es ist aber nur der immer etwas lästige Antisemitismus.

    Wie die Rasselbande in einer Schulklamotte tastet man sich vor, um zu sehen, was geht.

    Jetzt ist man etwas zu weit gegangen. Halb so wild Lappen darüber und weiter geht es.

    • @Jim Hawkins:

      Äh, ein Aufschrei geht doch schon durchs Land. Sogar der Bundespräsident hat sich sehr eindeutig geäußert. Beim Thema Homophobie, Misogynie und Rassismus würde ich mir das auch so deutlich wünschen. Insbesondere hinsichtlich Misogynie, Homophobie auch im Kontext mit Fußball in Katar wären ein paar deutliche Worte sehr angebracht! Dazu bisher aber nix …



      Ergo: Ihre Einschätzung ist falsch!

      • @Hannah Remark:

        Das stimmt, das offizielle Deutschland äußert sich.

        Die Zivilgesellschaft hingegen, hält wie meistens bei diesem Thema, die Klappe.

  • Antisemitische Hetze oder eine Anklage an die Mordtruppen des Mossad, der auch mal einfach so palästinensische Wohnhäuser stürmt und Menschen umbringt?



    Wäre schön, eine Stellungnahme der Künstler zu lesen. Aber das kann ich in diesem sehr einseitigen Artikel leider nicht finden.



    5 mangelhaft, setzen.

    • @Jalella:

      Für die "Mordtruppen des Mossad, der auch mal einfach so palästinensische Wohnhäuser stürmt und Menschen umbringt", haben Sie doch sicherlich einen Beleg?

  • Na, dann wollen wir doch mal schauen, was Tarin Padi dazu auf der documenta-Seite sagt: "Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, z.B. für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren." Soso. Auf dem Banner ist neben dem Schwein mit dem Davidstern auch die Karikatur eines orthodoxen Juden mit SS-Rune auf dem Hut zu sehen. Klarer und primitiver geht's ja wohl nicht mehr: Die Juden sind Akteure des internationalen Kapitalismus, der uns alle böse untedrückt. Ich verstehe das Rumgedruckse einiger Kommentare einfach nicht: Das Banner ist eindeutig antisemitisch.

  • Und Schuld sind natürlich die, die auf den Antisemitismusvorwürfen herumreiten, wie man im Statement zur Verhüllung lesen kann:

    "Das Werk wird nun zu einem Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment."

    Schade, dabei wollte man doch jetzt so gerne einen Dialog führen, wieviel Antisemitismus noch ok ist.

    Und auch der Rest der Begrüdung ist bestenfalls hahnebüchen:

    "Die Banner-Installation People’s Justice (2002) ist Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heute auswirkt. Die Darstellung von Militärfiguren auf dem Banner ist Ausdruck dieser Erfahrungen. Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, z.B. für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren."

    Vielleicht ist in der restlichen Welt die Rolle des Mossad in der Diktarur Suhartos einfach nicht bekannt genug? Und das der Jude ein Prima Symbol für den Kapitalismus ist, das "wussten" ja schon ganz andere. Erbärmlich.

  • Die Naivität bei der Vorbereitung der Documenta überrascht. Wer die künstlerische Leitung einem indonesischen Künstlerkollektiv ohne Supervision und ständigen Diskurs anvertraut, muss damit rechnen, dass einige Exponate menschenrechtsfeindliche Positionen widerspiegeln, die in der indonesischen Gesellschaft weit verbreitet sind. Etwa sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten, LGBTQ verunglimpfen, den Gehorsam der Frau gegenüber dem Mann einfordern oder den Vorrang der Religion vor der Freiheit propagieren. Antisemitismus ist hier eher eine Randerscheinung. Als westlicher Dozent, der an einer indonesischen Universität Menschenrechte lehrt, stoße ich auf diese Positionen im Alltag. Auch Künstler sind gegenüber solchen Einflüssen nicht immun. Was sehr böse aussieht, muss aber nicht unbedingt so böse gemeint sein. Es kann sich auch um unreflektierte Symbolik handeln. Vielleicht eine gute Gelegenheit für einen ernsthaft kritischen Diskurs mit den Künstlern des "globalen Südens" über die Bedeutung von Nichtdiskriminierung - für alle - als universalem Wert der Menschheit?

  • Wenn jemand Mitarbeiter des BND derart beleidigen würde - wie wäre dann die öffentliche Empörung. Würde dann Deutschland mit dem BND gleichgesetzt?

    Zweifellos ist das Gemälde eine Beleidigung für die Mossad-Leute. Besonders gilt es, weil das 'Gemälde' von Muslimen kommt, und bei denen gilt ein Schwein als besonders unrein und verachtenswert. Aber der indonesische Gestalter der Documenta wollte damit wahrscheinlich die nicht ganz so weiße Weste des Mossad aufzeigen. Und damit sollte die oft menschenrechtswidrige Praxis der israelischen Regierung angeklagt werden.

    Ob es sich um gute oder verabscheuungswürdige Kunst handelt, muss jeder selbst für sich entscheiden. Schon seit ein paar Tagen wollte ich mir selbst ein Bild machen. In anderen Medien (TV) wurde immer für ganz kurze Augenblicke ein gesamtes Bild gezeigt, Einzelheiten konnte man nicht erkennen. Dank der TAZ habe ich es jetzt gesehen. Es ist wohl eher Wunst - denn (vielleicht) kommt Kunst doch von Können. Aber eine kriminelle Darstellung ist es doch nicht!

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Und? Konsequenzen? Rauswurf, Rücktritt, öffentliche Entschuldigung?

  • Hier das Statement der Künstlergruppe und der documenta-Geschäftsführung:



    documenta-fifteen....documenta-fifteen/

    • @Hans aus Jena:

      Und was steht drin?

      Hey, das Teil war gar nicht für Kassel produziert worden.

      Da, wo wir herkommen, findet man nichts dabei.

      Das ist dann wohl das, was die Kulturelite "die Stimme des Südens" nennt.

    • @Hans aus Jena:

      Danke für den Hinweis. Das Bild soll demnach keine Religionen, sondern Geheimdienste in aller Welt kritisch darstelle, neben vielen anderen auch den Mossad. Der hat nicht wenige Verbrechen begangen



      de.wikipedia.org/wiki/Mossad#Geschichte

      Kritik an den Verbrechen des Mossad und anderer Geheimdienste ist nunmehr also antisemitisch?

      • @stadtlandmensch:

        Kommt darauf an, wie sie den Mossad darstellen.

        Außerdem gibt es ja auch noch diesen zigarrerauchenden Juden hinter dem Clown.

    • @Hans aus Jena:

      Danke für den Link.

      Da fehlt es der Künstlergruppe eindeutig an interkultureller Kompetenz.

  • Die ganze lange Diskussion im Vorfeld über BDS-Sympathien und Antisemitismus scheint bei den Kuratoren und Verantwortlichen der documenta ja gerade hier rein und da wieder raus gegangen zu sein.

    Oder, die noch üblere Vermutung: Antisemitismus scheint für einige ja so selbstverständlich zu sein, dass sie ihn gar nicht mehr erkennen.

  • Und schon ist der Lack ab bei der weltgrößten ergotherapeutischen postkolonial-antisemitischen Schau der Selbstverwirklichung.

    • @Jim Hawkins:

      ..... Das große Banner aber zeigt in einem von mehreren Teilen Karikaturen von Soldaten mit Schweinegesichtern, die "Mossad"-Helme tragen, und, versteckt hinter einem grotesken Clown, auch die Karikatur eines Juden mit Schläfenlocke, Zigarre und SS-Zeichen auf dem Hut.....



      Ich muß mir hier nochmal" Stärkung" in Bezug auf Claudia Roth holen.



      Hier stülpe ich voller Eifer über und stelle fest, Zeit vergeht nicht.



      Claudia Roth ist nicht – Claudia Roth wäre gern



      taz.de/!1114993/

      • @Ringelnatz1:

        Sehr schön!

        Solche wie Droste muss man heute mit der Lupe suchen. Und finden tut man dann doch keinen.

      • @Ringelnatz1:

        Danke für den link. Ach, wie schön konnte Wiglaf Droste hassen. Heute wär sowas gar nicht mehr erlaubt... Zum eigentlichen Thema ist nicht mehr viel zu sagen. Die Documenta-Macher wollten mit progressiven Hipstern ins Bett gehen und sind mit Antisemiten aufgewacht ...

  • Die Documenta zeigt die ganze Absurdität der Antisemitismus-Debatte als Mittel, unbequeme Positionen zu eliminieren. Insofern ist sie vielleicht die erste wirklich politische Documenta.

    • @Phineas:

      Das müssten Sie schon erklären. Evident ist das nicht.

      Welche unbequeme Position sollen die indonesischen Künstler haben? Ich sehe keine

  • Selbst das Monopol Magazin, dass bisher jeden Vorwurf des Antisemitismus gegen die documenta für absurd hielt, ist angesichts diesen Kunstwerkes ins Grübeln geraten:

    www.monopol-magazin.de/

  • Eine indonesische Künstlergruppe täte gut daran vor der eigenen, indonesischen Tür zu fegen. Schon vergessen die Massaker an der chinesischen Minderheit ?



    Schon vergessen, daß Indonesien kolonialistischer Ausbeuter West-Neuguineas ist ?



    So aber zeigen muslimische Indonesier auf Israel und suchen Schuld bei anderen. Einfach nur schäbig.

    de.wikipedia.org/w..._1965%E2%80%931966



    de.wikipedia.org/wiki/Westneuguinea

  • Der "Soldat" "Mossad" ist nur ein Teil einer Gruppe von Geheimdienstsoldaten, von KGB bis Mi6. Das, eher unkünstlerische, Gesamtgemälde ist nicht anti-semitisch.



    Aber die Künstler können ihren Anti-semitismus im Gesamtbild getarnt haben.

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Das Schweinegesicht bei Mossad aber schon.

    • @fly:

      "Der "Soldat" "Mossad" ist nur ein Teil einer Gruppe von Geheimdienstsoldaten, von KGB bis Mi6."

      Mehr noch, das gesamte Gemälde ist ein Wimmelbild, man müsste mal ein hochauflösendes Foto mit allen Details sehen.



      Hier eine Ansicht der Tagesschau:

      www.tagesschau.de/...3~_v-gross20x9.jpg

      Ob das Gesamtwerk dann immer noch antisemitisch ist, kann ich nicht beurteilen, schlecht gemalt ist es auf jeden Fall.

  • Dadurch, dass wir Antisemitismus bei uns verbieten, schaffen wir ihn nicht aus der Welt. Das hier antisemitische Bezüge verwendet werden, zeigt leider auch, dass es diese antisemitischen Ansichten in der hehren Kunstwelt gibt. Und zu glauben, dass, wenn man eine Künstlergruppe aus dem bevölkerungsreichsten muslimischen Staat(210 Millionen Einwohner und 90 % islamischer Bevölkerungsanteil) einlädt, dort nicht auch die, in der islamischen Welt verbreiteten antisemitischen Bilder, ihren Ausdruck in ihren Objekten auf der documenta finden würden, ist blauäugig. Das muss uns nicht gefallen, ist aber so als eine Realität zur Kenntnis zu nehmen. Genau so, wie in unserer Gesellschaft mehr oder minder unterschwellige antisemitische Bezüge dazu benutzt werden um politische Ideen zu rechtfertigen. Da ist mir das Erkennen und Entlarven dieser Vorstellungen doch lieber als ein Verbieten und Verscweigen.



    Bis jetzt sehe ich die Kritik an der documenta XV noch überwiegend als ein beleidigtes Motzen des etablierten, intelektuell gebildeten Kulturbetriebs der „alten Welt“, die nun einsehen muss, dass ihr elitärer Kunstbegriff von einer neuen Welt, ohne universitäre Legitimierung, zumindest in Frage gestellt wird.

    • @WeissIchs:

      Deshab muss man den antisemitischen Werken aber nicht noch ein Podium auf der Documenta bieten.

    • @WeissIchs:

      Schlimmer noch: Art 5 GG ist mit dem Verhüllen des betreffenden Kunstwerks gestorben.

  • Mal sehen, ob sich deswegen genauso viele Leute echauffieren wie über das hundert Jahre alte Relief an irgendeiner Kirche. Oder ob aus irgendeinem Grund andere Maßstäbe gelten.

    • @gyakusou:

      Es wäre gut, wenn andere Maßstäbe gelten würden. Die Welt sieht schließlich anders aus, wenn man von woanders guckt. Kann einen interessieren oder einem die Gelegenheit für moralische Selbstvergewisserung und -erhöhung geben. Im Übrigen würde niemand sagen "CIA = Schweine" sei das selbe wie "US-Amerikaner*innen = Schweine". Es kann natürlich sein, dass da hartleibige Antisemit*innen am Werk sind, das weiß ich einfach nicht. Vielleicht sollte in der interkulturellen Begegnung aber auch ein principle of charity gelten. Das gewollte ausfindig machen von Diskursabbruchsgelegenheiten dient nur dem Erhalt der eigenen Komfortzone.

  • Normalerweise schreibe ich hier ja gern mal längere Kommentare.

    Hier reicht ein kurzer Satz:

    Ich bin angewidert.

    Roth inkl.

  • Abgesehen davon, ob die Darstellung antisemitisch intendiert ist bzw. so wahrgenommen wird, hätte ich das Gesicht nicht für eine "Schweinegesicht" gehalten, sondern für ein Gesicht hinter einer Gasmaske o.ä., da die Gestalt dahinter auch eine Art Helm mit einer Gasmaske zu tragen scheint...

    • @Patricia Jessen :

      Man kann das sicherlich so interpretieren, und gleichzeitig ist der "Mossad-Soldat" nur einer unter mehreren Soldaten eines Geheimdienstes (KGB, MI5, CIA usw. marschieren vor der Figur).

      Definitiv und völlig unzweifelhaft antisemitisch ist jedoch die Figur, die zu Schläfenlocken, Vampirzähnen und Kapitalisten-Zigarre eine Mütze mit SS-Abzeichen trägt.

    • @Patricia Jessen :

      Sieht tatsächlich wie eine Gasmaske aus. Einfach mal eine Suchmaschine bemühen, dann sieht man das auch. Zumal die anderen Figuren auf dem Bild mit ähnlichem Equipment ausgestattet sind. Manchmal sieht man halt, was man unbedingt sehen will.

      • @Wurstfinger Joe:

        Mag sein, auch wenn die anderen "Gasmasken" doch etwas anders aussehen... Was aber soll der Davidstern auf dem Halstuch? Und trägt die Figur der CIA dann ein Halstuch mit Kreuz?

    • @Patricia Jessen :

      Das Bild ist kristallklar.

      Und die Überschrift hat es treffend formuliert:

      "Mit Stern und Schweinsgesicht".

      Da wird einem richtig übel.

      Die typische Darstellung aus finsterstem Mittelalter- und Nazi-Zeugs.