Amnesty-Bericht zu Versammlungsfreiheit: Protest wird unterdrückt
Amnesty International kritisiert die Behinderung von Demonstrant:innen in europäischen Ländern. Auch in Deutschland würden Klimaaktivisten kriminalisiert.
Der Bericht trägt den Titel „Under-protected and over-restricted: The state of the right to protest in 21 countries in Europe“ (Deutsch: „Unzureichend geschützt und übermäßig eingeschränkt: die Lage des Rechts auf Protest in 21 europäischen Ländern“). Darin ist von repressiven Gesetzen, unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, willkürlichen Festnahmen sowie ungerechtfertigten oder diskriminierenden Einschränkungen die Rede.
Die Einschränkungen friedlicher Proteste erfolgen dem Bericht zufolge auf unterschiedliche Weise. Weit verbreitet ist demnach eine übermäßige Polizeigewalt gegenüber Demonstranten. In 13 Ländern, darunter Deutschland, wurde zudem eine fehlende Rechenschaftspflicht der Polizei festgestellt.
Auch wurden in den untersuchten Ländern zunehmend Technologien zur Überwachung von Demonstranten eingesetzt und Daten gespeichert. Laut Amnesty International wurden etwa Systeme zur Gesichtserkennung angewandt, was dem Bericht zufolge einer „Massenüberwachung“ gleichkommt.
Klimaaktivisten als „Öko-Terroristen“ diffamiert
In Deutschland, Italien, Spanien und der Türkei hätten Behördenvertreter Klimaaktivisten nicht nur als „Öko-Terroristen“ oder „Kriminelle“ bezeichnet, sondern sie auch mit Maßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und unter Heranziehung terrorismusbezogener Gesetze ins Visier genommen. Europaweit schränkten Behörden vor allem pro-palästinensische Proteste ein.
In vielen europäischen Ländern wird dem Bericht zufolge auch zwischen verschiedenen Protestbewegungen und Anliegen unterschieden. Als Beispiel führt Amnesty International Demonstrationen der LGBTI+-Gemeinschaft etwa in Polen oder in der Türkei auf, die in diesen Ländern einem erhöhten Maß an Einschränkungen und Schikanen seitens der Behörden ausgesetzt sind.
Europaweit wurden demnach auch besonders nach dem Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober vergangenen Jahres pro-palästinensische Proteste eingeschränkt und teilweise komplett verboten. In mehreren der untersuchten Länder wurden laut Amnesty International bestimmte Gesänge und Symbole auf solchen Protesten verboten und das Verbot gewaltsam durch die Polizei durchgesetzt.
In Berlin wurden laut Amnesty zudem die Demonstrationen am palästinensischen Nakba-Gedenktag am 15. Mai in den Jahren 2022 und 2023 bereits vorab behördlich verboten.
Die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Duchrow, beklagte, der Bericht zeichne „ein zutiefst beunruhigendes Bild eines Angriffs auf die Versammlungsfreiheit“. Europaweit werden nach ihren Worten Menschen, die friedlich protestieren, verunglimpft, behindert oder unrechtmäßig bestraft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel