Alternative Antriebe für Traktoren: Es muss nicht immer Diesel sein
Bauern betonen, Diesel sei für ihre Traktoren unverzichtbar. Doch sie können ihren Verbrauch reduzieren. Alternative Antriebe werden realistischer.
Wenn es um ihre Traktoren geht, verstehen viele Bauern keinen Spaß: Im Dezember und Januar waren Landwirte zu Tausenden auf der Straße. Denn die Bundesregierung wollte ihnen die Subventionen für fossilen Diesel streichen, mit dem sie ihre Trecker, Mähdrescher und andere Landmaschinen betreiben. Eines ihrer wichtigsten Argumente lautet: Wir können gar nicht auf den klimaschädlichen Diesel verzichten.
„Zu Ochs und Pferd wird keiner zurückkehren“, sagte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. Das verlangt aber auch keiner. Denn viele Landwirte haben durchaus praktikable Möglichkeiten, den Dieselverbrauch kurzfristig zu senken. Und es gibt zunehmend Ersatz für den fossilen Sprit. Hier die wichtigsten Optionen:
Elektromotoren für kleinere Maschinen
Mehrere Hersteller wie Case und New Holland haben bereits vollelektrische Traktoren entwickelt. Diese Traktoren haben aber nur eine geringe Motorleistung, weil sonst der Akku mitunter größer als das gesamte Fahrzeug sein müsste, um ausreichend Energie bereitzustellen.
Der Fendt e107 V Vario lässt sich sogar schon bestellen, ab dem 4. Quartal 2024 will ihn der Allgäuer Hersteller in Serie produzieren. Im Vergleich zu den üblichen Monstertraktoren, deren Räder größer sind als Menschen, wirkt der E-Trecker geradezu niedlich: Er ist nur rund 1 Meter breit und 2,5 Meter hoch. Damit lässt sich die Autobahn natürlich nicht so gut blockieren. Und der E-Traktor liefert je nach Betriebsmodus nur eine Leistung von 68 bis 90 PS, viel weniger als die großen Traktoren mit beispielsweise 500 PS.
Für viele Arbeiten auf den Höfen ist allerdings gar nicht so viel Leistung nötig, sondern höchstens rund 130 PS. „Man könnte ungefähr die Hälfte des Kraftstoffeinsatzes in der Landwirtschaft potenziell durch Elektrifizierung ersetzen“, sagt deshalb Henning Eckel, Klimaschutzexperte des vom Staat finanzierten Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), der taz. Das würde laut Experten jährlich allein in Deutschland bis zu 1 Milliarde Liter fossilen Diesel einsparen. Mit elektrischen Maschinen ließen sich zum Beispiel die Futtermittel vom Silo in den Rinderstall fahren oder Feldarbeiten wie Säen erledigen, bei denen nicht so viel Erde bewegt werden muss.
Doch bisher ist das Angebot solcher Maschinen klein. „Es gab den subventionierten Agrardiesel, und solange das billiger ist als alles andere, ist natürlich der Anreiz nicht so hoch, da zu investieren“, erläutert Eckel.
Außerdem sind E-Traktoren schätzungsweise noch 50 bis 100 Prozent teurer als konventionelle, schätzt Stefan Böttinger, Agrartechnikprofessor an der Universität Hohenheim. Die Preise dürften aber sinken, wenn sich die Technik weiterentwickelt und das Angebot steigt.
„Fossile Kraftstoffe müssen nicht subventioniert werden“, findet der Landtechnikexperte und schlägt vor, das Geld stattdessen in den Einsatz von Technik zu investieren, mit der man Kraftstoff sparen oder auf ganz neue Antriebe setzen könne. Also: E-Traktor-Prämien vom Bund!
Biodiesel
Akkus für sehr starke Traktoren oder Mähdrescher müssten auf absehbare Zeit so groß sein, dass sie gar nicht in das Fahrzeug passen würden. Denn die „Energiedichte“ der Akkus ist einfach zu gering, wie Fachleute das nennen. „Dass ein Mähdrescher mit Akku läuft, werden wir wohl nicht mehr erleben“, sagt Böttinger.
Deshalb wird für höhere Leistungsbereiche Biodiesel als Alternative diskutiert. Die Bundesregierung überlegt, ob sie bei solchen Kraftstoffen aus Pflanzenöl auf Steuern verzichten sollte. Mit Bio hat das übrigens nichts zu tun, der Raps für diesen Diesel wird fast immer konventionell mit Mineraldünger und Pestiziden angebaut. Umweltschützer sprechen deswegen lieber von Agrodiesel.
Der Vorteil: Bio-/Agrodiesel ist schon praxisreif, grundsätzlich können bestehende Verbrennungsmotoren mit ihm laufen. Aber um den fossilen Diesel komplett zu ersetzen, müsste laut Böttinger auf 9 Prozent der Agrarfläche Deutschlands Raps für Biosprit wachsen. Diese Äcker würden dann fehlen, um dort Lebensmittel anzubauen. „Für die Welternährung ist das eigentlich nicht gut“, so der Landtechnikprofessor.
Der größte deutsche Agrospritproduzent, Verbio, forderte deshalb bereits im April 2023 in der taz, den Fleischverzehr zu senken. Dann würden Äcker frei, auf denen bisher Futter erzeugt wird. Zwar fällt der Fleischkonsum bereits, aber langfristig gesehen nur wenig.
Henning Eckel, Klimaschutzexperte
Dazu kommt, dass Rapsbiodiesel nicht emissionsfrei sei, „sondern wir da vielleicht um die Hälfte runterkommen“, sagt Karin Arnold, Energieexpertin am Thinktank Wuppertal Institut. Denn für das Düngen des Rapses und das Pressen in der Mühle etwa würden erhebliche Mengen Treibhausgase freigesetzt.
Synthetische Kraftstoffe
Anders als Biodiesel können synthetische Kraftstoffe laut Arnold tatsächlich klimaneutral sein, wenn sie mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden. Voraussetzung ist aber, dass der Strom vollständig aus emissionsfreien Energien kommt. Zwar sind bestehende Traktoren mit diesen E-Fuels kompatibel, sie verbrennen im Motor auch effizienter als herkömmlicher Diesel.
„Aber die synthetischen Kraftstoffe sind nicht die beste Option, weil sie durch diese lange Herstellungskette nicht hocheffizient sind.“ KTBL-Experte Eckel spricht von Mehrkosten von 30 Cent pro Liter. Und klar: Von einer Stromerzeugung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien ist Deutschland noch weit entfernt.
Wasserstoffantriebe
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Mehrere Firmen haben bereits Prototypen von Traktoren entwickelt, deren Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle mit Wasserstoff läuft. Charmant dabei ist, dass die Landwirte den Wasserstoff aus dem eigenen Biogas oder mithilfe des selbst erzeugten Stroms herstellen könnten. „Dazu sind aber hohe Investitionen nötig“, sagt Böttinger. Die Kosten der Druckbehälter für den Wasserstoff sind bisher zumindest sehr hoch. Die Tanks müssen laut Böttinger 4- bis 10-mal größer sein als die für Diesel. Aus diesen Gründen rät auch das KTB bislang, andere Optionen zu bevorzugen.
Sparsamere Anbauverfahren
Wenn ein Traktor einen schweren Pflug übers Feld zieht, der tief in den Boden eindringt, kostet das viel Diesel. Andere Anbaumethoden verzichten aber auf den Pflug. Das könne bis zu 50 Prozent Kraftstoff sparen, sagt Agrartechnikprofessor Böttinger. Doch er warnt: „Dadurch steigt der Aufwand beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.“ Denn wenn nicht der Pflug das Unkraut in Schach hält, braucht es etwa das umstrittene Pestizid Glyphosat.
Allerdings schaffen es manche Biobauern, ohne Pflug und Pestizide auszukommen. Sie mindern den Unkrautbefall, indem sie besonders viele Pflanzenarten hintereinander auf dem Acker abwechseln, also durch eine weite Fruchtfolge. Wenn sie dem Unkraut zusätzlich mechanisch zu Leibe rücken müssen – etwa mit den Zinken eines Grubbers –, dann sinkt der Einspareffekt.
Reifendruck anpassen
Eine Menge Diesel könnten Traktoren sparen, wenn sie den Reifendruck automatisch dem Untergrund anpassen, sagt Böttinger. Auf der Straße brauche man insbesondere für Transportarbeiten einen hohen Luftdruck, um mit geringem Rollwiderstand zu fahren.
Auf dem Feld dagegen sollte der Druck möglichst niedrig sein. Denn sonst wird der Boden stärker zusammengedrückt, sodass er Wasser schlechter aufnimmt. Die Lösung ist eine Reifendruckregelanlage: „Die haben Schläuche vom Kompressor des Traktors hin zum Ventil am Reifen und passen den Reifendruck auf Kommando an.“ Ohne dass der Fahrer aussteigen muss. Der Einspareffekt liege „im einstelligen- bis unteren zweistelligen Prozentbereich“, schreibt Hersteller Claas der taz.
Konkurrent Fendt berechnet nach eigenen Angaben für diese Zusatzausstattung rund 16.000 Euro. Claas etwa bietet die Anlagen sogar zum Nachrüsten bestehender Traktoren an. Zwar gibt es schon Zuschüsse vom Bund dafür. Aber offenbar lohnt sich das im Vergleich zu den Dieselkosten immer noch nicht. „Nur geschätzt 10 Prozent der Traktoren haben schon eine Reifendruckregelanlage“, sagt Böttinger.
Sparsamer fahren
Ähnlich wie bei Personenkraftwagen lässt sich auch bei Traktoren der Spritverbrauch durch die Fahrweise und Bedienung senken. Die Fachzeitschrift agrarheute bezifferte vor Kurzem das Sparpotenzial von Fahren mit reduzierter Drehzahl auf 5 bis 15 Prozent.
Wer die Klimaanlage ausschaltet, könne 3 bis 5 Prozent sparen. Noch mal 5 Prozent könne es bringen, Luftfilter und Kühler sauber zu halten. Bis zu 15 Prozent sind oft möglich, wenn der Ballast optimiert wird. Dieses Gewicht muss je nach gewünschter Zugkraft kleiner oder größer sein, damit der Traktor genügend Halt auf dem Boden findet. Das könne auch automatisch geschehen, die Treckerhersteller würden solche Anlagen aber mangels Nachfrage bislang kaum anbieten, so Böttinger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär