Afghanistan verschärft Scharia: Wer frei von Schuld ist …
Es ist erschreckend zu sehen, mit welcher Brutalität die Machthaber in Afghanistan ihr Volk unterdrücken. Doch auch der Westen hat keine weiße Weste.
M it ihrer Anordnung, nun Scharia-Körper- und -Amputationsstrafen anzuwenden sowie auch bei Protest Hinrichtungen zu ermöglichen, setzt die Taliban-Führung einen neuen Tiefpunkt. Nach der beispiellosen Entrechtung von Frauen und Mädchen zeigt das Regime einmal mehr, dass ihm internationale Ächtung gleichgültig ist, auch für den Preis, dass es die Menschen im Land langfristig überlebenswichtige Entwicklungsgelder kostet.
Entrüstung über diese schrecklichen Bestrafungen ist mehr als angebracht, allerdings keine allzu leichte Erhebung darüber. Im Westen sollte man daran denken, dass man über Gräueltaten nicht erhaben ist. Gerade musste die britische Armee zugeben, dass sie bei Operationen im Afghanistankrieg mehr Kinder getötet hat als bisher bekannt. Gab es bei Kämpfen Tote, wurden in der Regel weitere Menschen verletzt, auch verbrannt oder anderweitig verstümmelt.
Für Familien, die solche Opfer zu beklagen haben, macht es keinen Unterschied, ob die daran Schuldigen bewusst gehandelt haben oder ob es ungewollt zu Opfern kam. Genauso spielt es für sie kaum eine Rolle, ob die Opfer in Kauf genommen wurden, ob die Täter zu einer parlamentarisch-demokratisch legitimierten Armee gehören oder einer selbstherrlichen Islamistentruppe.
Das gilt auch für die Bombardements 2009 in Kundus, angeordnet von einem Bundeswehrangehörigen, bei denen nachweislich Dutzende Zivilisten getötet wurden und deren Familien nie entschädigt wurden.
Unter denen, die sich nun im Exil über die barbarischen Taliban entrüsten, sind nicht wenige, die sich kürzlich noch in Regierungsverantwortung oder als Teil der Zivilgesellschaft für Hinrichtungen wirklicher oder vermeintlicher Taliban aussprachen, häufig nach durch Folter erzwungenen Geständnissen. Oder solche, die Bombardierung von Dörfern anordneten oder tolerierten, wenn sie nur in den von den Gegnern kontrollierten Gebieten lagen. An unseren Küsten waren davor Fliehende häufig nicht willkommen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen