piwik no script img

Kollegahs Deutschland-SongEin feuchter Traum der Neuen Rechten

Kommentar von

Johann Voigt

Deutschrap ist antifaschistisch. Der Rapper Kollegah will das jetzt wohl ändern. Er veröffentlicht einen Song, der die AfD zum Jubeln bringt.

Rapper Kollegah, mit bürgerlichem Namen Felix Martin Andreas Matthias Blume, bei der Kinderlachen-Gala 2025 Foto: Christoph Hardt/imago

N eonazis suchen seit Jahren nach popkulturellem Anschluss, aber niemand hat Lust auf sie. Bärtige Rechtsrocker oder der aufgepumpte Nazi-Rapper Chris Ares? Das will sich nicht mal der Identitäre Martin Sellner anhören. Bei ihm im Auto lief, wie die Zeit vor einigen Jahren einmal beobachtete, stattdessen Rin. Junge Neonazis hören, wie Tagesspiegel-Journalist Julius Geiler letztens öffentlich machte, sogar den linken Rappern von PA69 zu. „Digga, fick die AfD“, rappen die auf ihrer Antifa-Partyhymne „Komplett Blau“. Die Grenzen sind klar abgesteckt. Gut für den Antifaschismus, schlecht für die neurechten Agitatoren. Dachte man.

Doch dann veröffentlichte Kollegah, immerhin einer der bekanntesten Rapper Deutschlands, letzte Woche unter seinem bürgerlichen Namen Felix Blume einen neuen Song. „Deutschland“ heißt er und machte sowohl Julian Reichelts Nius-Leute als auch Maximilian Krah von der AfD ganz wuschig. „Die Wende kommt nicht aus den subventionierten Theatern, den Universitäten oder dem Staatsfunk, sondern aus Rap, Internet und von der Straße. Kollegah setzt die Trend!“ (sic), schreibt Krah zum Song auf X. Was ist da los?

Kollegah, der Querfrontler, ist los! Der selbst ernannte Boss der Bosse, der sich gern mit römischen Kaisern vergleicht und schon immer mit Allmachtsfantasien spielte. Der sich in seinem Coaching-Programm Alpha Mentoring zum Guru stilisierte und Verschwörungserzählungen verbreitete. Der Männer für überlegen hält. Der gleichzeitig immer irgendwie helfen wollte, der nach Palästina flog, um das Kollegah Education Center aufzubauen, von dem danach nie wieder etwas zu hören war. 2018 hieß es auf einem Track von Kollegah und einem anderen Rapper noch, die „Drecks-AfD“ sei der „größte Feind“. Mit „Deutschland“ schreibt er der Partei nun eine Hymne und bietet den lang ersehnten Link der Neuen Rechten zur Mainstreampopkultur.

Tenor: Deutschland ist am Ende

Denn der Song klingt wie der Facebook-Post eines patriotischen Wutbürgers. Im Video dazu sieht man Found Footage, das den Niedergang Deutschlands illustrieren soll: Obdachlose, Männer mit Messern, Gewaltorgien im U-Bahnhof, Blaulicht. Es impliziert ein klares Bild, wer in Kollegahs Augen schuld ist: Politiker und „kriminelle Ausländer“. Dazwischen sieht man Kollegah auf einem Berg, ein Adler fliegt. Er rappt: „Wär ich Kanzler, würd' ich für Deutschland kämpfen bis aufs Blut.“

Der Tenor des Songs: Deutschland ist am Ende. Die Armen werden ärmer, die Steuern sind zu hoch, überall Messerstecher und Räuber. Neben den Spielplätzen warten Pädophile auf die Kinder – während Politiker Champagner trinken. Der Song inklusive Video ist konstruierter Populismus; er könnte eins zu eins Teil eines AfD- oder sogar eines Die-Heimat-Wahlkampfs sein. Zitate könnten ihre Plakate zieren: „Politiker am Lügen und das Volk ist am Schlafen / andere führen Kriege und wir sollen das bezahlen.“ Widersprüche scheint es für Kollegah nicht mehr zu geben. Eine intellektuelle Nullnummer. Gerade das macht den Song gefährlich.

Denn obwohl die besten Tage von Kollegahs Karriere schon lange gezählt sind, hat er die Jugend vieler Menschen geprägt. Das Schaffen seiner Vergangenheit ist ein Bestandteil deutscher Popkultur. Die Neue Rechte kann sich nun auf ihn beziehen.

Heinrich Heines Gedicht „Nachtgedanken“ muss herhalten

Dass Kollegah in der Hook zu seinem Song genauso wie vor einer Weile schon AfD-Mann Tino Chrupalla Heines Gedicht „Nachtgedanken“ aus dem Kontext reißt, Zeilen ausspart und so zu einem vermeintlichen Text für Patrioten macht, ist da nur folgerichtig. „Denk’ ich an Deutschland in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht / Ich kann nicht mehr die Augen schließen / Und meine heißen Tränen fließen“, singt Kollegah mit klagender Stimme, und weiter: „Es ist ein kerngesundes Land / Mit seinen Eichen, seinen Linden werde ich es immer wiederfinden.“

Dass Heine als Jude im Deutschen Bund große Nachteile erfuhr und das Gedicht, in dem er vor allem von seiner Mutter erzählt, im Pariser Exil verfasste, wird ignoriert. Das steht sinnbildlich für den Song: Kollegah macht – genauso wie die AfD und die Neue Rechte – passend, was für ihre Argumentation passend gemacht werden muss. Was bleibt, ist ein Stück schlecht produzierte Musik mit Haus-Maus-Reimen. Der pure Populismus. Und die Klarheit darüber, bei wem Kollegah Anschluss sucht.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Freier Autor und Journalist. Arbeitet zu Gesellschafts-, Kultur- und Medien-Themen, volontierte beim Musikmagazin Juice und an der Evangelischen Journalistenschule, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und wurde 2019 mit dem International Music Journalism Award ausgezeichnet.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Hey Blume



    Bleib auf deiner Wiese



    Rede nix von Krise



    Von der du nix verstehst.



    Sing besser ein Song über Goldringe



    Und über Dinge



    Von denen du was verstehst



    Das wird nicht viel sein



    Aber immerhin



    Versuchs und sei kein Schwein



    Für die Nazis



    Die du doch eigentlich bekämpfen sollst.

  • Unterstes intelektuelles Niveau.

  • Man fragt sich wirklich, wann die Rechten & Faschos es mal schaffen, genug Heine zu lesen, um herauszufinden, was er so von Zurschaustellung von Patriotismus hielt. Ich sage nur "Lumpenpack".

  • Klar, Populismus, aber hat er im großen und Ganzen Unrecht?



    Nur weil die Rechten einen Song mögen, heißt das nicht, dass er nicht auch Themen ansprechen kann. Da sind die Jungfaschos aus Berlin eindeutig weiter, oder es ist ihnen egal, weil die Musik nunmal aggresiv Vibes gibt und man das toll findet. Dass Chris Ares nicht auftaucht, dürfte daran liegen, dass er nicht mehr rappt, und NDS auf Spotify gar nicht erst angeboten wird. (Dabei sind die nur marginal verfassungsfeindlicher als manch linksradikaler Rapper).



    Viel interessanter ist doch, woher der Umschwung kommt. Geldmache, also den Trends hinterher? Das passt nur nicht zum postulierten Erst-Link zum Mainstream. Vielmehr muss man doch sagen: Döp Dö Dö Döp.

  • "Dachte man." Dachte wer. Also dass Überlegenheitsfantasien aller Sorten im Deutschrap ne große Rolle spielen und oft unironisch sind, dass es Antisemitismus, sexualisierte Gewalt, Behindertenhass, Queerfeindlichkeit etc no end gab und gibt, ist wirklich nichts neues. Die Deutschtümelei eines, der mit migrantischen Codes Geld und Fame angehäuft hat, um migrantischen Menschen dann in den Rücken zu fallen, ist der logische nächste Schritt. Meine Überraschung ist - nicht da.

  • "Der frühere Chef des Euro-Rettungsfonds (ESM), Klaus Regling, erwartet für Deutschland einen langfristigen Rückgang des Wohlstands. „Selbst wenn die Wirtschaft wieder etwas stärker wächst, wird das verfügbare Realeinkommen der Deutschen in Zukunft wohl sinken“, sagt der 75 Jahre alte Ökonom im Interview mit dem „Handelsblatt“.

    Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sei damit ein zentrales Versprechen nicht mehr haltbar: „Dass es den Kindern wirtschaftlich besser gehen wird als den Eltern, ist vermutlich nicht mehr einzulösen.“"

    "Das grüne Wirtschaftswunder geht erst los" meinten dagegen Droege und Hasselmann im Maerz diesen Jahres ebenfalls im Handelsblatt. (www.handelsblatt.c...os/100115953.html)

    Ich denke beide haben Recht. WIr werden noch unser gruenes, bzw blaues (Wirtschafts)Wunder erleben.

  • Die AfD ist das natürliche Schutzreservat abgehalfteter Alphas und gekränkter Narzissten, der vebitterten Verlierer aus der zweiten und dritten Reihe, der Menschen, die ihren Selbstwert nur aus der Abwertung anderer beziehern können und der Grifter, die mit Hass nochmal schnell Kohle machen wollen. Da passt dieser Wasti 1a rein.

  • Diese vermeintlichen Deutschland-Retter sind einfach nur widerlich. Agitation ohne Niveau. Und reichlich Kohle machen die auch noch mit ihrem Mist, bekommen Nominierungen für Preise, Sponsoren... und ganz viel Wertschätzung. Mancher Müllsack hat mehr verdient...

  • Etwas weniger Hyperventilation täte gut. Die Meinung klingt mehr nach enttäuschter Liebe als nach wirklicher Kritik.



    Klar ist der Song dumpf. Aber das war der Kollege doch schon immer. Genau wie ausschließlich monetär orientiert. Und wenn von Links keine Liebe (in Form von Geld) mehr kommt, dann biedert er sich halt Rechts an - da ist noch etwas zu holen.

    Insgesamt doch eher ein Sturm im Wasserglas und lediglich eine Offenbarung des Bekannten: Kollegah hat keine Überzeugungen, er will nur Aufmerksamkeit und Geld. Zumindest die Aufmerksamkeit hat er hier bekommen…

  • Bitte dem Herrn Aggroschreihalskollege nicht zuhören.

  • Wieso denn immer nur die AfD, die natürlich klar verurteilt wird. Ohne dass ich jetzt den im Artikel beschriebenen Song oder Songtext kenne, sondern nur aufgrund des Artikels diesen Kommentar verfasse, sehe ich nichts im beschriebenen Songtext, was nicht statt von der AfD ebenso von Julia Klöckner oder vom Fritze und seiner Gang stammt. Alles Leute, die das Narrativ der durch muslimische Messerstecher bedrohten deutschen Straßen reproduziert, der Gefahr für deutscher Töchter und das es mit dem Land abwärts geht, der einzige Unterschied ist, dass sich die CDU da gleichzeitig selbst als Lösung anbietet. Im Gegensatz zu Kollegah. Die Klöckner hat mal wortwörtlich gesagt im Wahlkampf, dass es jetzt darum gehen muss, dass sich deutsche Frauen und Töchter endlich wieder sicher in deutschen Straßen und nachts in Parks bewegen können müssen, ohne von Männern aus frauenverachtenden Kulturkreisen bedroht zu sein. Klar gäbe es keine Muslime, könnten deutsche Frauen praktisch jede Nacht durch alle Parks laufen, gäbe es nur nord/mitteleuropäische Phänotypen , wäre das Stadtbild sauber, gäbe es keine vielfach verbreiteten arabischen Nachnamen gäbe es keine OK…



    Alles CDU/CSU Inhalte und Narrative

  • Nuja, die Karriere des Mannes geht dem Ende zu, da will er nochmal bissi Kohle scheffeln

  • Seit wann ist denn das Geplabber von "Deutschrappern" relevant. Die pösen Purschen wurden ja auch nicht erst genommen.