Kollegahs Deutschland-Song: Ein feuchter Traum der Neuen Rechten
Deutschrap ist antifaschistisch. Der Rapper Kollegah will das jetzt wohl ändern. Er veröffentlicht einen Song, der die AfD zum Jubeln bringt.
N eonazis suchen seit Jahren nach popkulturellem Anschluss, aber niemand hat Lust auf sie. Bärtige Rechtsrocker oder der aufgepumpte Nazi-Rapper Chris Ares? Das will sich nicht mal der Identitäre Martin Sellner anhören. Bei ihm im Auto lief, wie die Zeit vor einigen Jahren einmal beobachtete, stattdessen Rin. Junge Neonazis hören, wie Tagesspiegel-Journalist Julius Geiler letztens öffentlich machte, sogar den linken Rappern von PA69 zu. „Digga, fick die AfD“, rappen die auf ihrer Antifa-Partyhymne „Komplett Blau“. Die Grenzen sind klar abgesteckt. Gut für den Antifaschismus, schlecht für die neurechten Agitatoren. Dachte man.
Doch dann veröffentlichte Kollegah, immerhin einer der bekanntesten Rapper Deutschlands, letzte Woche unter seinem bürgerlichen Namen Felix Blume einen neuen Song. „Deutschland“ heißt er und machte sowohl Julian Reichelts Nius-Leute als auch Maximilian Krah von der AfD ganz wuschig. „Die Wende kommt nicht aus den subventionierten Theatern, den Universitäten oder dem Staatsfunk, sondern aus Rap, Internet und von der Straße. Kollegah setzt die Trend!“ (sic), schreibt Krah zum Song auf X. Was ist da los?
Kollegah, der Querfrontler, ist los! Der selbst ernannte Boss der Bosse, der sich gern mit römischen Kaisern vergleicht und schon immer mit Allmachtsfantasien spielte. Der sich in seinem Coaching-Programm Alpha Mentoring zum Guru stilisierte und Verschwörungserzählungen verbreitete. Der Männer für überlegen hält. Der gleichzeitig immer irgendwie helfen wollte, der nach Palästina flog, um das Kollegah Education Center aufzubauen, von dem danach nie wieder etwas zu hören war. 2018 hieß es auf einem Track von Kollegah und einem anderen Rapper noch, die „Drecks-AfD“ sei der „größte Feind“. Mit „Deutschland“ schreibt er der Partei nun eine Hymne und bietet den lang ersehnten Link der Neuen Rechten zur Mainstreampopkultur.
Tenor: Deutschland ist am Ende
Denn der Song klingt wie der Facebook-Post eines patriotischen Wutbürgers. Im Video dazu sieht man Found Footage, das den Niedergang Deutschlands illustrieren soll: Obdachlose, Männer mit Messern, Gewaltorgien im U-Bahnhof, Blaulicht. Es impliziert ein klares Bild, wer in Kollegahs Augen schuld ist: Politiker und „kriminelle Ausländer“. Dazwischen sieht man Kollegah auf einem Berg, ein Adler fliegt. Er rappt: „Wär ich Kanzler, würd' ich für Deutschland kämpfen bis aufs Blut.“
Der Tenor des Songs: Deutschland ist am Ende. Die Armen werden ärmer, die Steuern sind zu hoch, überall Messerstecher und Räuber. Neben den Spielplätzen warten Pädophile auf die Kinder – während Politiker Champagner trinken. Der Song inklusive Video ist konstruierter Populismus; er könnte eins zu eins Teil eines AfD- oder sogar eines Die-Heimat-Wahlkampfs sein. Zitate könnten ihre Plakate zieren: „Politiker am Lügen und das Volk ist am Schlafen / andere führen Kriege und wir sollen das bezahlen.“ Widersprüche scheint es für Kollegah nicht mehr zu geben. Eine intellektuelle Nullnummer. Gerade das macht den Song gefährlich.
Denn obwohl die besten Tage von Kollegahs Karriere schon lange gezählt sind, hat er die Jugend vieler Menschen geprägt. Das Schaffen seiner Vergangenheit ist ein Bestandteil deutscher Popkultur. Die Neue Rechte kann sich nun auf ihn beziehen.
Heinrich Heines Gedicht „Nachtgedanken“ muss herhalten
Dass Kollegah in der Hook zu seinem Song genauso wie vor einer Weile schon AfD-Mann Tino Chrupalla Heines Gedicht „Nachtgedanken“ aus dem Kontext reißt, Zeilen ausspart und so zu einem vermeintlichen Text für Patrioten macht, ist da nur folgerichtig. „Denk’ ich an Deutschland in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht / Ich kann nicht mehr die Augen schließen / Und meine heißen Tränen fließen“, singt Kollegah mit klagender Stimme, und weiter: „Es ist ein kerngesundes Land / Mit seinen Eichen, seinen Linden werde ich es immer wiederfinden.“
Dass Heine als Jude im Deutschen Bund große Nachteile erfuhr und das Gedicht, in dem er vor allem von seiner Mutter erzählt, im Pariser Exil verfasste, wird ignoriert. Das steht sinnbildlich für den Song: Kollegah macht – genauso wie die AfD und die Neue Rechte – passend, was für ihre Argumentation passend gemacht werden muss. Was bleibt, ist ein Stück schlecht produzierte Musik mit Haus-Maus-Reimen. Der pure Populismus. Und die Klarheit darüber, bei wem Kollegah Anschluss sucht.
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