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Weihnachten und EinsamkeitDie neue Volkskrankheit

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt fühlen sich einsam. Die Politik kann etwas dagegen tun, so wie das schon Großbritannien und Japan machen.

Allein im Schneegestöber: überall auf der Welt wächst die Zahl einsamer Menschen Foto: Walter G. Allgöwer/Zoonar/imago

E s ist Weihnachtszeit, und Familie, Beisammensein, Liebe und Güte spielen – regelmäßig einmal im Jahr – eine große Rolle. In ebenso schöner Regelmäßigkeit ploppen in den letzten Wochen des Jahres medial Texte über Einsamkeit auf. Doch, doch, Familie und Einsamkeit haben durchaus etwas miteinander zu tun. Nicht nur, dass man sich auch im Beisein der Familie einsam fühlen kann. Nämlich dann, wenn sie dysfunktional ist und die Harmonie – wegen des jährlich wiederkehrenden Pflichtgefühls – unecht ist.

Einsam sind insbesondere jene Menschen, die erst gar keine Familie oder etwas Ähnliches haben. Waren das hierzulande früher hauptsächlich ältere Menschen, trifft das mittlerweile vor allem Alleinerziehende, Frauen, Menschen mit wenig Geld und Jüngere. So jedenfalls besagt es das erste Einsamkeitsbarometer, das Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Sommer herausgegeben hat. Aktuell bekräftigt das eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die die gesamte EU unter die Lupe nahm: Die Hälfte der jungen Menschen in Europa fühlt sich mehr oder weniger einsam.

Doch keine Studie ohne die – ebenso wiederkehrenden – Forderungen, was jetzt endlich mal gegen die Einsamkeit getan werden müsse: Vernetzen in der Nachbarschaft, der Gang zu einem Verein mit Leidensgenoss:innen, Nottelefon nutzen, einen Hund kaufen, Sport machen, Musik hören, mit anderen kochen. Es ist nicht falsch, was Politik, Sozialvereine, Krankenkassen, The­ra­peu­t:in­nen da vorschlagen, nur: Nutzt das am Ende was?

Wer es wirklich ernst meint mit dem Kampf gegen Einsamkeit, belässt es nicht bei wohlmeinenden Ratschlägen, sondern gründet ein Ministerium, das sich mit nichts anderem beschäftigt als mit dem Gefühl vieler Menschen, von der Welt verlassen zu sein. Das haben bisher nur Großbritannien 2018 und Japan 2021 getan.

Überall auf der Welt wächst die Zahl einsamer Menschen. Vielleicht sollte man Einsamkeit als das bezeichnen, was sie ist: eine neue Volkskrankheit. Darauf kann die Politik reagieren – mit einer weniger unsozialen Politik.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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1 Kommentar

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  • „ nur: Nutzt das am Ende was?“



    Diese Frage hätte man nicht nur am Ende der konkreten Vorschläge stellen sollen, sondern bei der politischen Forderung. Was haben die Ministerien gegen Einsamkeit denn bisher gebracht? Geht es den Menschen in GB oder J jetzt besser? Oder nur den 100 Mitarbeitern in den Ministerien, die jetzt gute Jobs haben? Was wäre denn eine bundesweite Politik gegen die - persönliche - Einsamkeit? Verpflichtende Gruppenübungen?