Habeck fordert Milliardärssteuer: Wer glaubt noch an Robert Hood?
Auf einmal werfen alle Kanzlerkandidaten mit Vorschlägen um sich. Doch wenn sich der Wahlkampfnebel lichtet, wird Habecks Reichensteuer kaum Chancen haben.
D ie Schultoiletten sind zurück in der öffentlichen Debatte. Robert Habeck, grüner Spitzenkandidat, hat sie als Munition für den Bundestagswahlkampf ins Spiel gebracht.
Seine Idee: Die etwa 250 Milliardär*innen in Deutschland besteuern und mit den so erwirtschafteten „ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro“ die Schulen sanieren, wie er der Bild am Sonntag sagte. Als Familienvater, führte er aus, habe er es „noch gut in der Nase“, wie es auf deutschen Schultoiletten rieche.
Geld für die Kinder und man nimmt es von den Reichen – das hat etwas Robin-Hood-haftes, womit es als Wahlkampfrhetorik allemal taugt. Der Großteil der Eltern dürfte diesen etwas plumpen Populismus zwar durchschauen, aber dennoch leise zustimmen.
Meist scheitert es nicht an Bundesgeld
Unglaubwürdig ist Habecks Schulklo-Vorstoß auch deshalb, weil er auf einer faktischen Ebene eher Unsinn ist. Mal abgesehen davon, dass Steuern gar nicht zweckgebunden erhoben werden dürfen: Schulbau ist erstens Ländersache und scheitert, zweitens, meist nicht an fehlenden Milliarden.
Sondern zum Beispiel an Geldern, die nicht abgerufen werden können, weil Ausschreibungen oft wahnsinnig langwierig sind. Oder weil Baufirmen keine Kapazitäten haben und private Auftraggeber schlicht besser zahlen als die öffentliche Hand. In Großstädten wiederum fehlt oft der Platz: Es gibt kaum Ausweichgebäude, wenn mitunter völlig marode Schulen generalsaniert werden müssen.
Und dennoch: Sollte irgendeine Koalition mal den Mut aufbringen, Milliardäre stärker zu besteuern, wäre das natürlich großartig. Allein, es fehlt ein wenig der Glaube, dass dafür in der kommenden Legislatur Mehrheiten zu finden sein werden. Sollten die Grünen tatsächlich noch mal in Regierungsverantwortung kommen, ist das mit einem Koalitionspartner CDU wohl ausgeschlossen.
Und dass Habeck die Reichensteuer nun nach seinem ersten Küchentisch-Wahlkampfvideo wiederholt ins Spiel bringt, überdeckt die Tatsache, dass selbst die Grünen sich intern überhaupt nicht einig sind, ob sie sich rantrauen an die Vermögenden. Beim Parteitag Mitte November, bei dem Habeck zum Spitzenkandidaten gekürt wurde, vermied man eine Abstimmung über eine Vermögensteuer tunlichst.
Was bleiben könnte, wenn der Wahlkampfnebel sich irgendwann lichtet und sich keine Mehrheit für die Vermögenssteuer abzeichnet: eine Diskussion darüber – wenn man die nächste Schuldenbremsendebatte umschiffen will –, ob es nicht vielleicht ein Sondervermögen für öffentliche Infrastruktur bräuchte. Nicht nur, aber auch für die Schulen. Denn wer glaubt noch an Robin Hood?
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