Unter
den
Wolken

Hoch oben mit dem Flugzeug wird die Welt ganz klein. Fürs Klima ist das aber gefährlich. Vier Ideen, wie sich das Fliegen auf politischer Ebene sozial gerecht und klimaschützend reduzieren ließe

Fliegen ist nach wie vor ein Luxus, Gucken nicht: Planespotter am Frankfurter Flughafen Foto: Niklas Grapatin/laif

Von Nanja Boenisch
und Tabea Kirchner

Das Flugzeug vernetzt Menschen auf der ganzen Welt, aber gleichzeitig trägt es messbar zur globalen Erderhitzung bei. Auch wenn die Debatte um die Flugscham nach dem Höhepunkt der Klimabewegung in Deutschland nachgelassen hat, nimmt die Kontroverse um das Reisen im Flugzeug nicht ab.

Dabei ist Fliegen nach wie vor ein Luxus: Einer Studie in der Fachzeitschrift Journal Global Environmental Change zufolge reisten im Jahr 2018 nur 11 Prozent der Weltbevölkerung mit dem Flugzeug, knapp zwei Drittel aller Flüge waren Inlandsflüge. Aktuell verursacht der Flugverkehr etwa 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Das klingt zunächst nach einem relativ geringen Anteil. Allerdings zeigen Daten der Weltbank, dass vor allem Menschen aus Ländern mit mittlerem bis hohem Einkommen mit Flugzeugen unterwegs sind und einen Großteil der Emissionen verursachen. Mit zunehmendem weltweiten Wohlstand könnte daher auch die Zahl der Flugpassagiere steigen.

1. Inlandsflüge verbieten

Für eine Reise innerhalb Deutschlands nehmen immer weniger Menschen das Flugzeug. Insbesondere seit Beginn der Coronapandemie 2020 sinken die Passagierzahlen: Hatten 2019 noch mehr als ein Viertel (26,7 Prozent) aller hierzulande gestarteten Flüge ein innerdeutsches Ziel, waren es 2023 nur noch gut ein Fünftel (20,6 Prozent).

Die Lufthansa-Tochter Eurowings hat wegen der gesunkenen Nachfrage bereits knapp ein Drittel ihrer Flüge auf innerdeutschen Strecken gestrichen. „Zugunsten der Bahn“ und weil es „ökologisch und ökonomisch sinnvoll“ sei, erklärte der Eurowings-Chef Jens Bischof im Januar dem ZDF.

Wenn es nach Verkehrsforscher Andreas Knie ginge, sollten Inlandsflüge direkt vollständig abgeschafft werden. Die Strecken könnten genauso gut mit der Bahn gefahren werden. Dafür müsste zum aktuellen Zeitpunkt nicht mal der Zugverkehr ausgebaut werden: „Was die Lufthansa innerhalb Deutschlands in einem Jahr fliegt, macht die Bahn an einem Tag“, so Knie. Die Kapazitäten für die zusätzlichen Gäste von Inlandsflügen seien also bereits gegeben.

Mit Blick auf die Gesamt­emissionen des deutschen Flugverkehrs wäre der Effekt von ­einem Verbot von Inlands­flügen allerdings verschwindend gering. Der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt zufolge waren zwar 2020 etwa ein Drittel aller europäischen Flüge Kurzstreckenflüge bis 500 km Entfernung. Diese hatten allerdings nur einen Anteil von 4,3 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß aller Flüge. Den Großteil der Emissionen verursachen Langstreckenflüge. Für Knie ist das jedoch kein Argument: „Jede eingesparte Tonne CO2 ist eine gute Tonne“, sagt er.

Ein Pionierland, was die Einschränkung von Inlandsflügen angeht, ist Frankreich: Seit vergangenem Jahr sind dort Flüge über Strecken, die in zweieinhalb Stunden auch mit dem Zug erreichbar sind, verboten. Dies betrifft etwa Verbindungen zwischen Paris-Orly und Nantes oder Bordeaux und Lyon.

2. Flugkontingente

Um wirklich Emissionen im Flugverkehr einzusparen, müssen die langen Flüge angegangen werden. Laut Eurocontrol sind gerade einmal 6,2 Prozent aller in Europa gestarteten Flüge für 51,9 Prozent der Emissionen des gesamten europäischen Flugverkehrs verantwortlich, und zwar diejenigen mit einer Distanz über 4.000 Kilometer.

Um auch hier den Flugverkehr zu reduzieren, schlägt Verkehrsforscher Knie vor, Flugkontingente einzuführen und schrittweise zu reduzieren. Der Idee nach stünde jedem Menschen in Deutschland eine bestimmte Anzahl an Flügen zu, die er im Jahr antreten darf. Im ersten Jahr wären das etwa drei Flugpaare (also Hin- und Rückflug), im zweiten Jahr zwei und ab dem dritten Jahr dann nur noch eines. Dabei sei es Knie egal, ob nach Amsterdam oder nach Neuseeland geflogen wird. Insgesamt würden sich trotzdem auch Langstreckenflüge reduzieren.

Personen, die öfter fliegen wollen oder müssen, könnten dann Personen, die weniger fliegen, den Flug „abkaufen“. Es entstünde ein „Optionshandel“ – ähnlich wie es auch an Aktienbörsen funktioniert. Auf diese Weise könnte gewährleistet werden, dass die Flugreduzierung sozial gerecht stattfindet. Hierbei handelt es sich jedoch bislang noch um Gedankenspiele.

Im Gesamtvergleich sind es sowieso nur sehr wenige Menschen in Deutschland, die mit dem Flugzeug reisen. 2019 gaben im ARD-Deutschlandtrend 69 Prozent der Befragten an, nie oder nur sehr selten zu ­fliegen. Nur 8 Prozent sagten aus, dreimal oder häufiger pro Jahr mit dem Flugzeug unterwegs zu sein.

3. Kerosinsteuer

Für Benzin oder Diesel, zum Beispiel im Straßen- und im Bahnverkehr, gilt eine Energiesteuer. Kerosin hingegen, der herkömmliche fossile Treibstoff in der Luftfahrt, ist davon ausgenommen. Fluggesellschaften können deshalb relativ billig Kerosin tanken. Umweltverbände wie der ökologische Verkehrsclub VCD sagen: Gäbe es eine Kerosinsteuer, würde der Flugkraftstoff teurer und die Airlines hätten einen Anreiz, Kerosin einzusparen. Und: Die Luftfahrtindustrie würde sich stärker anstrengen, spritsparende Flugzeuge und Triebwerke zu entwickeln.

Nach Schätzungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft würde allein eine nationale Kerosinsteuer 26 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen – mehr als ein Viertel des Kohlendioxids, das alle Autos in Deutschland jährlich zusammen ausstoßen. Im Subventionsbericht der Bundes­regierung steht, dass der Staat im Jahr 2023 mehr als 500 Millionen Euro an Kerosinsteuer hätte einnehmen können.

Ein Problem: Kerosin ist im Luftverkehr über Staatsgrenzen hinweg steuerbefreit. Laut EU-Recht haben Staaten schon seit 2003 die Möglichkeit, Kerosin national zu besteuern. Die Niederlande und Norwegen haben diesen Weg gewählt – die meisten schrecken jedoch davor zurück, weil sie Nachteile im globalen Wettbewerb fürchten. Ihr Argument: Fluggesellschaften tanken dann einfach woanders. Eine europaweite Steuer für innereuropäische Flüge hat die EU in ihrem „Fit for 55“-Klimaplan für den Luftverkehr zumindest geplant.

Wer öfter fliegen will, könnte Wenigfliegern den Flug „abkaufen“

4. Vielfliegerabgabe

Fliegen mit der Lufthansa soll ab Januar 2025 deutlich teurer werden. Die Airline sagt, sie müsse immer mehr Geld in den Klimaschutz stecken. Dieses Geld will sie nun bei den Passagieren eintreiben und einen „Umweltkostenzuschlag“ für europäi­sche Flüge erheben. Bringt das was, ein Aufpreis auf Tickets, nur fürs Klima? Und kann der auch in die Taschen des Staates fließen statt nur in Fluggesellschaften? Frankreich hat 2019 einen Ökobeitrag eingeführt, den jede Person zahlen musste, wenn sie ein Flugticket gekauft hat. Die Höhe des Preises richtet sich – wie bei der Lufthansa – nach dem Ticketpreis und der Flugstrecke.

Das Besondere in Frankreich: Der Staat steckt die Einnahmen in den Ausbau des Bahnsystems, also gleich in eine klimafreundlichere Alternative. Allerdings fallen je nach Strecke nur wenige Euro an, Reisende lassen sich deshalb kaum vom Fliegen abhalten. Auch in Frankreich sind nach dem coronabedingten Einbruch in der Branche 2020 wieder mehr Flugzeuge abgehoben.

Eine Idee: Der Aufpreis pro Person könnte steigen, je mehr diese Person den Flieger nutzt. Klimaschädliches Vielfliegen würde eingedämmt, so die Hoffnung. Ende 2023 schlug der Umweltprüfungsausschuss des britischen Parlaments eine „Vielfliegerabgabe“ vor, der International Council on Clean Transportation (ICCT) erarbeitete schon 2022 einen Vorschlag. Laut ICCT würden Aufpreise fürs Vielfliegen fast vollständig die reichsten 20 Prozent der Menschen weltweit treffen. Eine Hürde wäre der Datenschutz: Infos über das Flugverhalten einer Person müssten zentral gespeichert und bei jedem Ticketkauf abgerufen werden können. Außerdem müsste festgelegt werden, wie sehr der Preis steigt und woran er sich orientiert: Gilt die Zahl der Ticketkäufe? Oder der geflogenen Meilen?