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Überforderung durch Social MediaWhatsApp macht panisch

Es gibt Personen, die nie auf Nachrichten reagieren: Unsere Autorin erklärt, warum sie so oft nicht antwortet.

WhatsApp-Symbol mit ungelesenen Nachrichten auf einem Smartphone Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

W arum antwortest du mir nicht? Ich kann es nicht leiden, wenn Leute mitten im Gespräch die Kommunikation abbrechen. Opa sagt übrigens, dass du nie antwortest. Hätte gerne eine Antwort auf meine Frage. Krieg ich eine Antwort??? Alles gut, hatte keine Antwort erwartet.

Das sind einige Ausschnitte aus meinen Nachrichten. Dazwischen fast täglich mein ewiges „Tut mir leid, habe vergessen zu antworten.“ Oder ein kleiner Geheimtrick in der Selbstmanipulation: „Ich antworte später“, statt den Platz einfach für eine echte Antwort zu nutzen.

Die Prämisse, dass all die Apps, sozialen Medien und Nachrichtenplattformen dazu da sind, um sich besser mit anderen zu vernetzen, trifft für mich nicht zu. Meine Bildschirmzeit ist, wie es sich für jemanden aus der Gen-Z gehört, nicht gerade niedrig, doch Nachrichten verursachen bei mir Panik. Und damit bin ich nicht allein. Eine zu große Informationsmenge kann Nutzer_innen überfordern und verringert somit die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion, erklärt eine Studie von 2020.

Auf meinem Bildschirm entsteht ein Informationsgemenge: Eine Geburtstags-Gruppe auf WhatsApp, die nach ein paar Minuten vollgespamt ist. Ein Kommilitone, der meint, WhatsApp sei nicht sicher, und darauf besteht, Signal zu benutzen. Signal benutzt keiner, deswegen eine Telegram-Gruppe für die WG. Dazu kommen Facebook für ältere Familienmitglieder, Instagram, Twitter und so weiter.

Auch wenig Nachrichten können stressen

Trotzdem liegt mein Versäumnis, Nachrichten zu beantworten, nicht etwa daran, dass ich übermäßig viele Freund_innen habe, die ständig etwas von mir wollen. Auch wenn nicht viele Nachrichten bei mir ankommen, verursachen die, die es tun, eine Antwort-Paralyse.

Mich ärgert es natürlich auch, wenn mir jemand nicht antwortet. Dieses Wissen hilft mir allerdings nicht dabei, anderen Leuten das Ärgernis zu ersparen. Es ist ein Teufelskreis. Der Stress fängt an, wenn eine Benachrichtigung eintrifft, die mehr als einen Daumen hoch als Zurkenntnisnahme erfordert. Beantworte ich später, denk ich mir. Sehr lustig, im Moment danach. Aber die Antwort-Paralyse hat schon eingesetzt. Dann beginnt das Schuldgefühl.

Ich ignoriere die Nachrichten nicht einmal, um sorglos und unerreichbar zu sein. Nein, solange ich sie nicht beantworte, kommen sie mir immer und immer wieder in den Sinn. Wie kleine Briefchen liegen sie im Briefkasten meines Hinterkopfs und machen den immer schwerer, bis die angestaute Schuld überwiegt und ich versuche, die Lähmung zu überwinden – oft vergeblich.

Noch schlimmer ist das, was ich intuitives Antworten nenne. Das ist, wenn ich in der Panik merke, dass eine Antwort von mir verlangt wird, und ich diese dann im Autopilot versende. Stunden später schaue ich mir den Verlauf an: „Bin übers Wochenende krank geworden.“ Ich: „Nice.“ Dann drei fette und berechtigte Fragezeichen von der anderen Person. Ich kann mich nicht erinnern, das getippt zu haben. Hätte besser vielleicht gar nichts geschrieben.

„Da es immer mehr zur Norm wird, später zu antworten, befinden sich Personen ständig mit einem Rückstand, auf den sie reagieren müssen“ besagt die oben erwähnte Studie. Oft lasse ich so viele Nachrichten ins Netz laufen, bis ich den Eindruck habe, es würde sich jetzt lohnen, sie zu beantworten. Dann nehme ich mir ein paar Stunden Zeit, gehe auf alles fürsorglich ein und fühle mich wie ein neuer Mensch, frisch aus dem Ei gepellt.

Doch die, denen ich da antworte, sind von keiner Antwort-Paralyse betroffen. Schon bald kommen die ersten Antwortsantworten: Mein Handy pingt, mein Bildschirm leuchtet auf, immer und immer wieder, und das Spiel beginnt von vorne.

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Valérie Catil
Gesellschaftsredakteurin
Redakteurin bei taz zwei, dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Studierte Philosophie und Französisch in Berlin. Seit 2023 bei der taz.
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29 Kommentare

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  • Wenn ich was mitzuteilen habe, rufe ich an. Und wenn mir jemand was sagen will, dann soll er mich anrufen. Gerne auch zweimal. Fertig!

  • "Die Prämisse, dass all die Apps, sozialen Medien und Nachrichtenplattformen dazu da sind, um sich besser mit anderen zu vernetzen, trifft für mich nicht zu. Meine Bildschirmzeit ist, wie es sich für jemanden aus der Gen-Z gehört, nicht gerade niedrig, doch Nachrichten verursachen bei mir Panik."



    Verlust der Autonomie, wenn die Taktung den Rhythmus beschleunigt, das hat etwas mit Zeitklau gemeinsam, den Michael Ende in Momo so wunderbar mit den grauen Herren in Szene gesetzt hat. Einfach mal abschalten, auch ohne Ankündigung.



    //



    Graue Herren: Die Zeiträuber gab es schon vor dem Smartphone



    Michael Endes Roman "Momo" erscheint heute aktueller denn je



    //



    www.derstandard.at...vor-dem-smartphone

  • Ein Leben ohne "Social-Media" ist möglich.

    ... .

    Ehrlich! :-)

  • Bitte weiter regelmäßig Artikel dieser Art bringen, damit ich mich auch weiterhin der Anschaffung eines Dummphones verweigere.

    • @Kabelbrand Höllenfeuer:

      Man kann sich auch weiterhin einfach nur der Installation dieser App verweigern :D

    • @Kabelbrand Höllenfeuer:

      Etwas mehr Haltung bitte !



      Solch ein Gerät braucht es nicht ... und fertig.

      • @Zebulon:

        Hilfreich aber, wenn Lesen und Schreiben bei Demenz verloren gehen, denn die Medien haben uns in der Pandemie ziemlich geholfen in der Kommunikation mit unseren älteren Familienangehörigen. Einzelne 'Störende' kann man auch (temporär) blockieren.

  • Immerhin bekommen Sie noch geschriebene Nachrichten und keine Sprachnachrichten.



    Bei denen man sich dann über drei Minuten anhören kann, dass der andere noch seine Gedanken sortiert, statt erst zu denken und dann die wesentliche Information zu senden. (In dem Fall wäre ja sogar Sprachnachricht noch ok)



    Der Kommilitone,der Whats App verweigert aber eine Alternative anbietet, macht es genau richtig.



    Wer wirklich mit ihm kommunizieren möchte, wird sich die Alternative anschaffen. Für den Rest lohnt es sich nicht, bei dem Zeug mitzumachen.



    (Mich erreichen sogar die wesentlichen Informationen aus dem Elternchat der Grundschule. Alle drei bis vier Monate mal per E-Mail.)

  • Es ist auch eine Form des Respekts den Menschen gegenüber, die einem wichtig sind, zu Antworten. In der Regel zeigt sich hier, wie wichtig die Personen für den ignorierenden Gesprächspartner sind.

    Ich kenne das Gefühl, dass man keine Lust hat auf digitale Nachrichten zu antworten. Und auch von mir sind es Leute gewohnt, dass es lange dauert bis ich antworte, sofern es nicht wirklich wichtig ist.



    Ich lasse mich vom Telefon nicht stressen, sondern nehme mir die Zeit auf alle Nachrichten zu antworten, wenn ich eine ruhigen Moment dafür habe. Aber dann antworte ich allen ausstehenden Personen.

    Problematisch wird es nur dann, wenn die Leute merken, dass man selektiv nicht-antworteten. Denn dann ist es eine Frage des Respekts und dann sollte man lieber ehrlich zu dem oder der Freundin sein, als sich hinter dem Argument zu verstecken, dass man von der Technik gestresst ist.

    • @Sonnenschein Bewunderer:

      Wo Sie grad so einen Nachdruck auf Respekt legen: Wieviel Respekt zeigen einen diejenigen, die einen mit Belanglosigkeiten zumüllen?



      Nicht zu antworten IST eine Antwort und meiner Ansicht nach genau die, die digitale Labertaschen brauchen.

    • @Sonnenschein Bewunderer:

      Es hat in meinen Augen nichts mit Respekt zu tun, wenn jemand die Erwartungshaltung hat, dass ein Nicht-Gegenüber auch noch zeitnah auf eine aus dem Nichts erscheinende Nachricht zu antworten habe.

      • @Kawabunga:

        Wenn einem die Person wichtig ist, aber man sie stillschweigend einfach ignoriert, ist es meiner Ansicht nach schon eine Frage des Respekts. Wenn man den Eindruck hat, dass die Kommunikation mit der Person an Qualität vermissen lässt, dann kann man das der Person auch direkt sagen. Und wenn sie dann nicht aufhört Nichtigkeit zu senden, kann man sie gerne ignorieren.

        Meiner Erfahrung nach wird aber häufig nicht auf einer Meta-Ebene kommuniziert, sondern einfach nur ignoriert. Und als Grund werden dann sekundär Argumente angeführt, die im Prinzip nur mangelnde Konfliktfähigkeit überdecken.

  • Die meisten Leute sind unwichtig, haben wir gerade gelernt, NPC oder wie das Jugendwort hieß.

    Insofern: Du musst keine Schuldgefühle haben. Einfach unbeantwortet lassen. Wenn es wichtig ist, melden sie sich.

  • Man muß nicht auf "sozialen" "Medien" (keiner der beiden Namensbestandteile stimmt) präsent sein, im Gegenteil. Bekannten, die einen erreichen wollen, stehen genug seriöse Kommunikationskanäle offen. Warum wohl zahlen diese Großkonzerne Traumgehälter für Spezialisten in Suchterzeugung und finanzieren groß angelegte Hochschulstudien dazu? Weil auch scheinbar seriöse Medien -- die Taz nicht, aber zahlreich andere deutsche Tageszeitungen -- deren Schnüffelskripte einbinden, sind solche "Medien" wie Facebook und Youtube hier schon im Router gesperrt. Es geht und es geht sehr gut ohne.

  • Also was zunächstmal gar nicht geht: dass Leute ständig auf ihre Handy starren oder auch noch darauf herumtippern während andere eine reale live Unterhaltung mit ihnen führen wollen.



    Ich habe WhatsApp leise gestellt und schau in Pausen drauf.

    Viele Messages sind eigentlich sowieso keine, sondern eher externalisierte Gedanken - kein Mensch weiß, warum das überhaupt den Weg in eine Tastatur gefunden hat. Das "beantworte" ich sowieso nicht.

    Wenn man etwas dringend ist, weil man sich verabredet hat und einer nicht kommt, dann kann man gerne auch in den Akutmodus gehen und sich schreiben, was los ist. Bahn zu spät, Fuß verknackst, verfahren, Freundin nicht fertig etc. Da kann man auch sofrt reagieren.

    Wenn man erstmal im Ruf steht, nicht sofort zu antworten, werden die Messages auch automatisch weniger werden, weil manchen dann denken "darauf antwortet der sowieso nicht sofort". Und dann stellt sich oft heraus, das es auch nicht so wichtig war.

  • Gute alte E-Mail! Braucht keine Gated Community und ist obendrein sicherer und weniger nervig.

  • Danke für die Gnade meiner frühen Geburt !

  • @ACADRIAN, @HOAGIE

    Ganz mit Ihnen. Das Zeug nutzt nur Zuckerberg und kann weg. Telefon und Mail tut es auch.

  • Man kann einfach einen Grimaxy-Smiley schicken. Das geht sofort, sieht super hintergründig aus, und man kann locker zwei Stunden später erklären, was man damit wohl gemeint hat. Dankt mir nicht.

  • Ich habe gerade mal meinen Puls geprüft, also ich lebe noch und ganz ohne whatsapp und andere "soziale Medien". Ich werde auch nicht nervös, wenn jemand anruft oder nicht anruft oder ob eine Email eingeht oder keine Email eingeht.



    Im engeren Familienbereich nutzen wir Signal, das schalte ich ein, wenn man mich vorher anruft :-)

  • Einfach löschen diese blöden apps.



    Wer wirklich was will kann doch anrufen.Kann ich nur empfehlen.

    • @Acadrian:

      telefonieren nervt noch mehr, da muß man sehr viel Zeit reinstecken, um die wesentlichen Infos auszutauschen.

      • @nutzer:

        Manche DInge gehen besser über Messages anders besser übers Telefonieren. Immer dann wenn ein ausführlicher Austausch in kurzer Zeit gebraucht wird, ist Telefonieren effektiver. Bei faktischen Dingen , wie Telefonnummern, Adressen, oder kurze Statusmeldungen, sind Messages super.

    • @Acadrian:

      Miteinander sprechen?

      Das ist für viele Menschen noch viel mehr Stress und Zeitaufwand als eine kurze Nachricht zu schreiben.

      • @gyakusou:

        Wenn das Telephon klingelt muß ich *jetzt* drangehen oder den Anrufer komplett ignorieren. Wenn der Messenger pingt kann ich irgendwann in der nächsten halben Stunde oder im Rest des Tages nachsehen. Klar, wenn ich verabredet bin und warte oder aus anderem Grund etwas akutes erwarte, dann sehe ich sofort drauf. Aber eben nur dann.

    • @Acadrian:

      Ich hänge werktags fast rund um die Uhr am Rechner. Deswegen nutze ich keines der genannten Programme. Mein Mobiltelefon, was ich i.d.R. alle 40 Tage laden muss, nehme ich nur selten mit nach draußen und wenn dann ist es tief im Rucksack oder Auto. Ich war jahrelang in Text- und VoIP-Chats und habe alles gesehen und mitgemacht. Ich meine, wir haben früher in zwei Wochen mehr erlebt als die Generation "Smartphone-Konsole-Streamingplattform" langsam kriechend die gähnend langweilige Selbstdarstellungpflege betreibend in zehn Jahren bewältigen kann. Warum habe ich jetzt überhaupt meine Zeit hier verschwendet? Als ob, jetzt alle ihr Smartphone fachgerecht 20 Sekunden bei 200 Watt in die Mikrowelle legen würden, um auf Rechner, Programme für Erwachsene und echte Menschen umzusteigen. ^^

    • @Acadrian:

      Sie sind vermutlich mit dem (Festnetz) Telefon sozialisiert worden ☎️

      • @Rufus:

        Was hat das damit zu tun? Für mich ist es schlicht Zeitverschwendung Dinge, die per Telefon in 1 min. zu klären sind stundenlang per Messenger oder EMail zu erörtern.

        Als jemand, der sich seit 1978 mit Computern beschäftigt sehe ich dass die Digitalisierung, wenn sie falsch eingesetzt wird auch viele Dinge verlangsamt und verkompliziert.

        • @Xanyd:

          Ich vergaß, dass Ironie in Kommentarspalten kenntlich gemacht werden muss - hole ich hiermit für sie nach