Scholz beendet Parität im Bundeskabinett: 22 potenzielle Alternativen

Kanzler Olaf Scholz versprach einst Parität. Nun folgt auf Ex-Verteidigungsministerin Lambrecht ein Mann – eine fatale Botschaft an die Gleichberechtigung.

Klatschende SPD-Minister*innen auf einer Bühne

Hier war Scholz' Versprechen noch nicht gebrochen: Ursprungskabinett der SPD 2021 Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Russland führt in der Ukraine einen völkerrechtswidrigen Krieg. Gerade jetzt, heißt es überall, brauche es im Bundesverteidigungsministerium eine kompetente Leitung. Gerade jetzt müsse es um Eignung gehen, um Qualifikation – und nicht um Quoten. Eine Argumentation, die so falsch wie typisch ist. Und die jetzt, nach der Ernennung von Boris Pistorius zum neuen Verteidigungsminister, so ganz offensichtlich gar nicht zieht.

Sein Kabinett werde paritätisch besetzt sein, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf noch versprochen und es als Fakt dargestellt. Jetzt folgt auf Christine Lambrecht ein Mann – und die Parität ist dahin. Ein Mann, der noch dazu keine nennenswerte militär- und verteidigungspolitische Expertise mitbringt.

Dieser Text soll dem SPD-Politiker und bisherigen Innenminister Niedersachsens,Boris Pistorius, keineswegs seine Qualifikation fürs Amt absprechen. Ob er das Miserenministerium Verteidigung in den Griff bekommt, ob er sich auf internationalem Parkett bewegen kann, wird er zeigen müssen. Er hat Führungserfahrung, weiß, wie man einen großen Apparat lenkt.

Wie verlief die Suche?

Nur: Der einzige Kandidat mit diesen Fertigkeiten wäre er nicht gewesen. Die SPD hat auf Länderebene 22 Ministerinnen. Frauen, die Führungserfahrung haben und wissen, wie man große Apparate lenkt. Mehr noch: Alle vier Ministerprä­si­den­tin­nen dieses Landes sind SPD-Politikerinnen. Eine Anke Rehlinger oder eine Manuela Schwesig hätten einem Pistorius einiges voraus in Sachen Führungserfahrung.

Okay, Schwesig brächte auch eine unschöne Affinität zu Russland mit. Doch ausgerechnet das gilt auch für Pistorius – ein Ausschlusskriterium für den Posten ist das also offensichtlich nicht.

Drehen wir das Gedanken­karussel weiter: Sogar auf höchster Ebene hätte Bundeskanzler Olaf Scholz fündig werden können: Svenja Schulze, derzeit Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kennt die Bundespolitik, hat in der letzten Legislaturperiode bereits das Umweltministerium geleitet. Mit ihrer Zuständigkeit für Entwicklungspolitik ist sie schon heute international unterwegs.

Tagelang wurde vor dem tatsächlichen Rücktritt Christine Lambrechts öffentlich über ihre mögliche Nachfolge diskutiert. Der Name Boris Pistorius fiel dabei kein einziges Mal. Er ist also kein Kandidat, der sich aufdrängte, sondern einer, nach dem man auf die Suche gehen musste.

Dass bei einer solchen Suche ernsthaft keine einzige gleichqualifizierte und für den Job aufgeschlossene Frau zu finden gewesen wäre, scheint wenig überzeugend.

Das nicht erfüllte Versprechen

Was zeichnet einen Menschen denn als kompetent aus für das Amt als Ver­tei­di­gungs­mi­nister*in? Ministerien führen können?

Da hätte es auch andere gegeben, siehe oben. Vor über 40 Jahren mal „gedient“ zu haben? Come on. Oder am Ende doch vor allem das Image? Ein echter Typ, ein Anpacker, ein ganzer Kerl?

Wer noch einen Beweis dafür brauchte, das Führung in Deutschland noch immer männlich gedacht wird: Hier ist er. Das gilt umso mehr, wenn es um Themen wie Krieg, Verteidigung und Militär geht.

Das Problem am neuen Minister ist nicht Boris Pistorius. Das Problem ist, dass Olaf Scholz Parität zur Chefsache gemacht hat – und dieses Versprechen jetzt sang- und klanglos unter den Tisch hat fallen lassen.

Hängen bleibt ein Bild, das viel mehr Schaden anrichtet, als nur die nun nicht mehr gleichberechtigte Besetzung des Kabinetts. Dass nämlich Lambrecht den Job tatsächlich einzig und allein deshalb bekommen hat, weil sie eine Frau ist. Dass jetzt aber wirklich mal wieder jemand „Ordentliches“ ranmuss – und dass das am Ende des Tages offenbar nur ein Mann sein kann.

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