Müttervertreterin über ARD-Drama: „Der Film schürt Ängste“

Im ARD-Film „Weil du mir gehörst“ hetzt eine Mutter ihr Kind gegen den Ex-Mann auf. Der Mütterverband MIA sieht darin eine gefährliche Botschaft.

Szene aus einem Film: Frau kuschelt mit kleinem Kind im Bett

Julia Koschitz spielt eine Mutter, die ihr Kind manipuliert. Panikmache, findet Sybille Möller Foto: ARD

taz: Frau Möller, am Mittwoch zeigt die ARD das Drama „Weil du mir gehörst“. Warum kommen Mütter darin aus Ihrer Sicht schlecht weg?

Sybille Möller: Ich denke, weil in diesem Film eindeutig die Mutter diejenige ist, die dem Kind etwas einredet, und weil der Film gleichzeitig in misogynen Gruppen exzessiv geteilt wird. Die Botschaft ist aber sehr verflacht, die Vielschichtigkeit so eines Konflikts kommt gar nicht heraus. So entsteht eine Welle an Vorurteilen gegen Mütter.

Im Film lügt die Mutter ihre Tochter an, der Vater wolle sie nicht sehen. Es wird suggeriert, dass hier das sogenannte Parental Alienation Syndrom (PAS) vorliegt. Gibt es das?

Vorsitzende der Mütter­initiative für Alleinerziehende (MIA), in der bundesweit rund 2.000 Frauen vernetzt sind.

PAS ist stark umstritten. Die relevanten Wissenschaftsverbände lehnen es international als unwissenschaftlich ab. Es gibt Gruppen, die möchten PAS als psychische Erkrankung im ICD-Katalog definiert haben, was es nach bisherigem Stand nicht ist. Gleichzeitig warnen Fachleute davor, weil dies so viele Gefahren birgt.

Zum Beispiel?

Fremdsein zwischen zwei Menschen kann sich ja auf ganz verschiedene Weise entwickeln. Es kann am nicht betreuenden Elternteil liegen, an Desinteresse. Oder die Bindungsqualität zum Kind ist zu wenig ausgeprägt, weil ein Elternteil zu wenig feinfühlig ist oder zu kontrollierend. Die Mutter kann Gewalt erfahren und Angst haben. Die Forschung belegt eine große Bandbreite an Gründen. Manipulieren ist nur eine Erklärung von vielen.

dafür, dass ein Kind den Papa nicht sehen will.

Es kommt auch vor, dass eine Mutter die Trennung nicht verarbeitet hat und das Kind instrumentalisiert. Aber: Wie gewichtet man das in der Öffentlichkeit beim Thema Trennung? Installiert man da jetzt pauschal ein Feindbild? Oder schaut man passgenau bei jeder Familie nach den Ursachen? Die Ursache für die Ablehnung kann auch beim Kind selbst liegen. Es kann den eigenen Konflikt damit vermeiden wollen, eine schlechte Beziehung zum Elternteil haben oder misshandelt worden sein.

Spielt PAS bei Gerichten eine Rolle?

Nicht direkt, es gibt dafür Synonyme. Jugendämter, Richter und Gutachter sprechen gerne von „Bindungsintoleranz“. Die Mutter soll „Bindungsfürsorge“ zeigen. Selbst bei Gewalt verlangen manche Verfahrensbeteiligte, dass die Mutter in der Wohnung Bilder vom Vater aufstellt. Teils müssen Mütter Strafe zahlen, weil ihr Kind den wegen Missbrauch verurteilten Vater nicht sehen will.

„Weil du mir gehörst“ läuft am Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten und steht in der Mediathek. Im Anschluss an die Ausstrahlung kann in einem Online-Talk der ARD live über den Film diskutiert werden. Dort kommen unter anderem die Macher zu Wort.

Was für eine Gruppe ist MIA?

Ein Zusammenschluss von Selbsthilfegruppen. Wir wollen der Müttersicht mehr Gewicht verschaffen, sie kommt durch jahrzehntelange Lobbyarbeit der Väterverbände kaum vor.

Ist der Film Väter-Lobbyarbeit?

Zumindest einseitig beraten. Derjenige, der die Drehbucharbeiten beraten hat, arbeitet nachweislich mit der Szene zusammen. Das merkt man auch an der verengten Perspektive des Films, der sich objektiv gibt, aber nur eine einseitige Sicht darstellt. Selbst die strategischen Wordings und vermeintlichen Lösungen dieser Lobby sind bewusst in dem Film platziert worden.

Was will die Väter-Lobby?

Die Väterverbände möchten bei strittigen Trennungen das Wechselmodell als Regel und preisen es als Pauschallösung gegen das Schreck­szenario „Entfremdung“ an. Demnach sollen Kinder im Streitfall immer hälftig bei beiden Eltern wohnen, egal unter welchen Bedingungen. Will eine Mutter das nicht, hätte sie zu beweisen, warum das für das Kind nicht gut wäre. Der Film passt also gut zur populistischen Strategie, weil er Ängste schürt und Feindbilder pusht.

Wie sähe Ihr Film aus?

Wir erleben, dass Müttern, die sehr bindungsfördernd sind, trotzdem vor Gericht PAS unterstellt wird. Schon wenn sie sagen, „meinem Kind geht es nicht gut“, wird ihnen Bindungsintoleranz zur Last gelegt. Es gibt zunehmend Forschung aus den USA darüber, dass PAS einen Genderbias hat, der Männer bevorzugt und Frauen benachteiligt.

Wieso ist PAS so präsent?

Es gibt eine starke, international vernetzte Väterrechtsbewegung. Diese hat viele Jahre Vorlauf gegenüber den Müttern. Auf Genderkongressen war das immer Thema: Trennungskinder sollen nicht mehr so viel bei den Müttern wohnen. Da hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die schwer zu bremsen ist. Man sucht nach Schablonen und nach Schuldigen.

Trifft es Alleinerziehende?

Ja. Bei Gericht und im Jugendamt ist das Klima mütterfeindlicher geworden. Jugendämter werden auch von Lobby-Akteuren weitergebildet, die auf die PAS-Ideologie ausgerichtet sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.