Fatma Aydemir
Minority Report
: Rosen sind rot, Faschisten sind blau, Höcke auch

Foto: privat

Hallo, schon das Neueste gehört? Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke ist ein Faschist. Und darf auch als solcher bezeichnet werden. Toll, denken Sie jetzt, da lese ich mal Zeitung, um mich auf dem Laufenden zu halten, was so aktuell in der Welt passiert, und bekomme so eine Banalität zu lesen, von der doch längst alle wissen. Nun ja, ganz so unumstritten war diese Aussage bis zuletzt nicht.

Seit vergangenem Freitag erst ist es amtlich: Das Verwaltungsgericht Meiningen entschied, dass eine Gruppe von Demonstrant_innen sehr wohl zum „Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den Faschisten Höcke“, aufrufen dürfe, nachdem die Stadtverwaltung Eisenach das hatte verbieten wollen, weil sie die Persönlichkeitsrechte Höckes verletzt sah. Das Gericht befand in seinem Eil­urteil, dass die Bezeichnung „Faschist“ zwar ehrverletzenden Charakter haben könne, die Antragsteller_innen jedoch „in ausreichendem Umfang glaubhaft gemacht [haben], dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht“.

Für viele mag dieses Urteil zum Gähnen sein, tatsächlich aber ist es von großer Bedeutung. Denn es scheint, dass wir endlich wegkommen von der Idee, dass Faschisten nur in der Vergangenheit oder im Ausland existieren; dass es sich bei dem Wort bloß um eine Beleidigung handelt, die den politischen Gegner diffamieren soll, und nicht um einen überprüfbaren Umstand, der zur Folge haben könnte, Personen von bestimmten Ämtern und Positionen auszuschließen. Denn einige Fragen, die sich nämlich aus dem Urteil ergeben könnten, lauten: Dürfen Faschisten im Landtag sitzen? Wenn andere mit diesen Faschisten kooperieren, oder sie wählen, macht es sie nicht automatisch auch zu Faschisten? Und: Dürfen Faschisten wieder ihrer Beschäftigung als Gymnasiallehrer nachgehen, wenn sie ihr politisches Amt nicht mehr innehaben? Erst kürzlich versuchte Höcke, der gerne Mal von der „katastrophalen Niederlage von 1945“ oder dem „bevorstehenden Volkstod“ spricht, in einem missglückten ZDF-Interview seinen NS-Wortschatz zu verharmlosen. Dass diese Versuche nicht (mehr) ziehen, ist gut. Doch wann wirkt sich das auf seine politischen Erfolge aus?

Die Fünf­tage­vorschau

Di., 1. 10.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Mi., 2. 10.

Lin Hierse

Chinatown

Do., 3. 10. (nur taz.de)

Anna Goldenberg

Die Internet­explorerin

Fr., 4. 10.

Peter Weissen­burger

Kuscheln in Ketten

Mo., 7. 10.

Hengameh Yaghoobifarah

Habibitus

kolumne@taz.de

Die Stigmatisierung als „Faschist“ könnte ein guter Anfang sein. Denn so werden sich die 25 Prozent, die laut aktuellen Umfragen bei den anstehenden Thüringer Wahlen für die AfD stimmen wollen, schon mal damit abfinden müssen, dass sie sich nicht mehr hinter dem Konstrukt der vermeintlich „besorgten Bürger“ verstecken können. Und auch jene, die den empathischen Dialog mit der AfD suchen, können ihr stolzes „Demokraten“-Label gerne vergessen. Das Stigma trifft sie nämlich genauso wie den Thüringer Partei-Chef, und das ist gut so: Wer mit Faschisten sympathisiert, ist nun mal selber einer. Ganz einfach.