piwik no script img

Wirtschaft aber für junge MenschenDas Problem mit den Boomer-Ökonomen

Boomer erklären uns die Wirtschaft mit den immer gleichen Gedanken und schlimmen Worthülsen. Unser neuer Kolumnist macht damit Schluss.

Klassischer Anzug, komplizierte Sprache? Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) Foto: Thomas Koehler/photothek/imago

K lassischer Anzug, komplizierte Sprache, Generation Boomer: Das trifft auf fast alle Ökonomen zu, die sich öffentlich einmischen. In Talkshows, in Zeitungen, in Beratergremien. Wenn es um Geld, Inflation oder Steuern geht, sind die Boomer gefragt. Als stünde in der Jobbeschreibung, dass man mindestens 50 Lebensjahre auf dem Buckel haben muss.

Ein Problem: Boomer-Ökonomen geben auf neue Fragen alte Antworten. Und sie erklären am liebsten, was nicht geht, und nicht, was ginge, wenn es dafür politischen und gesellschaftlichen Willen gäbe. Der Lieblingssatz von Boomer-Ökonomen geht so: „Das können wir uns nicht leisten.“ Wie viele gute Ideen schon mit diesem Satz auf dem Ideen­friedhof begraben wurden. Ein Jammer!

Ein anderes Problem: Den Boomer-Ökonomen hören vor allem Boomer zu. Wenn Ökonom Lars Feld über Wortungetüme wie Haushaltskonsolidierung oder Ökonom Clemens Fuest über Subventionskürzungen spricht, schlafen der Gen Z die Füße ein. Dabei ist Wirtschaft so wichtig, dass es nicht langweilig sein darf. In der Politik geht es schließlich fast immer um Geld – und die Generationen Y und Z stehen vor einer historischen Aufgabe: Sie müssen gleichzeitig das Klima retten und die vielen Boomer-Renten finanzieren.

Man sieht ja, wo uns die „Können wir uns nicht leisten“-Ökonomen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hingeführt haben. Kaputte Brücken, überfüllte Klassen, geflutete Dörfer, eine ständig verspätete Bahn. Und von ganz vielen wichtigen Dingen ist zu wenig da: zu wenig Kitaplätze, zu wenig E-Autos, zu wenig sanierte Häuser, zu wenig Windräder und sogar zu wenig Jobs und zu wenig Wachstum.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„VWL-Influencer“ hat mich das Handelsblatt mal genannt. Das fand ich ehrlicherweise erst komisch, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es ja eigentlich ein Kompliment. Weil ich auf Youtube und Instagram junge Köpfe mit Wirtschaftspolitik unterhalte – und nicht mit Schminktipps oder Werde-schnell-reich-Aktiengelaber. Also sage ich als VWL-Influencer und U-30-Ökonom: Schluss damit, überlassen wir Wirtschaft nicht den Boomer-Ökonomen!

Ab sofort schreibe ich an dieser Stelle deshalb eine Kolumne über Ideen und Vorschläge, die tatsächlich funktionieren. Die uns mehr von dem Guten brächten – und sich nicht mit zu wenig abgeben. Dinge, für die Geld da wäre oder sich auftreiben ließe, wenn man denn wollte. Die morgen politisch umgesetzt werden könnten. Oder eben übermorgen.

All diese Dinge kommen hier ab jetzt einmal im Monat auf den Prüfstand. Zum Beispiel eine Wirtschaft ohne unfreiwillige Arbeitslose. Steuern, die anders aussehen sollten – oder sogar wegkönnen. Schuldenregeln, die nicht Investitionen bremsen, sondern die Erderwärmung. Steuererklärungen, die kaum noch jemand machen muss. Busfahren ohne Tickets. Staatshaushalte ohne Zinskosten und Kommunen ohne klamme Kassen.

Zugegeben: Ich meckere viel und klugscheiße gerne, wenn Ökonomen und Politiker faktenfreien Quatsch erzählen, sich hinter Scheinargumenten verstecken oder mutige Ideen zerreden. Das mache ich aber in aufklärerischer Absicht, mir geht es um die Sache. Für mehr Fakten, weniger Scheinargumente und mehr mutige Ideen. Und damit junge Leute eben keinen Bogen um Wirtschaft machen, sondern mitreden können – und wollen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Da freu ich mich als Boomer, wenn jemand, der "Haushaltskonsolidierung" für ein Wortungetüm hält, endlich mal Licht ins Dunkel der Ökonomie bringen will.



    Ich fürchte, es bleibt auf dem Niveau der im Beitrag ausgewälzten Ankündigungsweltmeisterschaft.

    • @Ignaz Wrobel:

      50-jährige sind keine Boomer.

      • @Moby Dick:

        das war nicht als Antwort auf Ihren Beitrag gemeint ...

  • Ich bin gespannt und wünsche gutes Gelingen!

  • Ein echter Coup: Niemand erklärt komplexe ökonomische Zusammenhänge so pointiert wie Höfgen. Dabei bräuchte es so dringend fundierte Gegenrede zum tagtäglichen, wirtschaftlichen Meinungskorridor.

  • "Ab sofort schreibe ich an dieser Stelle deshalb eine Kolumne über Ideen und Vorschläge, die tatsächlich funktionieren."



    Liest sich schon jetzt in der Einführung für diese geplante Kolumne so, wie das Werde-schnell-reich-Aktiengelaber, das im Text kritisiert wird.

  • Wer die intellektuellen Gegenüber schlicht als 'Boomer-Ökonom' abqualifiziert, hat bereits einen schlechten Start hingelegt.



    Ich werde versuchen die kommenden Beiträge vorurteilsfrei zu lesen, aber ein Ansatz wie "Ideen und Vorschläge, die tatsächlich funktionieren" ist ein sehr großer Anspruch, der gut begründet und belegt sein sollte.

  • Voll gut! Ich mag den Spirit und freu mich drauf!