Vorbereitung auf mögliches Bündnis: Rot-rot-grüne Vorwahltreffen
Erstmals haben sich Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen im Wahlkampf getroffen. Signal: Mitte-Links ist nicht unmöglich.
Die geschlossene Gesellschaft, die sich am Montagabend in der Berliner Kulturfabrik bei Wein und Bier traf, war vertraut und gleichzeitig ungewöhnlich. 24 Abgeordnete und Mitarbeiter:innen von SPD, Grünen und Linken waren gekommen. Eingeladen hatte die Denkfabrik in der SPD-Fraktion, eine Gruppe von Parlamentarier:innen, die seit Jahren Treffen zwischen Vertreter:innen aller drei Fraktionen initiiert. Entsprechend kannten sich die meisten Gäste des Abends von früheren Treffen: Stefan Liebich von der Linken etwa, Sven-Christian Kindler von den Grünen und Sarah Ryglewski von der SPD.
Ungewöhnlich war der Zeitpunkt. „Dass wir uns mitten im Wahlkampf treffen, steht für eine stabile Vertrauensbasis und ist historisch“, so die Organisatorin und Geschäftsführerin der Denkfabrik, Nicole Wloka, zur taz.
Das kann man als ein Signal verstehen: Eine mögliche Koalition von Sozialdemokraten, Grünen und Linken ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber nicht ganz ausgeschlossen. „Wir machen uns keine Illusionen über Rot-Rot-Grün. Aber wenn es eine Mehrheit gibt, dann kommt es auch zu Sondierungen“, sagte Liebich am Dienstag zur taz. Eine Einschätzung, die auch Wloka und Sven-Christian Kindler von den Grünen teilten.
Was ebenfalls dafür spricht, dass es zumindest Gespräche geben wird: Sarah Ryglewski ist nicht nur Vorstandsmitglied der Denkfabrik, sondern auch parlamentarische Staatsministerin im Finanzministerium. Sie genießt das Vertrauen von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, dessen Partei derzeit in den Umfragen führt. Der lässt zwar keine Gelegenheit aus, seine Präferenz für eine Koalition mit Grünen und FDP zu erläutern. Er hat aber ein rot-rot-grünes Bündnis bislang nicht ausgeschlossen und wird es nach Einschätzungen aus SPD-Kreisen auch nicht tun.
Linke in der Pflicht
Den Umfragen zufolge würde es derzeit für ein solches Bündnis reichen. Doch die inhaltlichen Hürden sind hoch, insbesondere beim Thema Außenpolitik. Die Linkspartei fordert im Wahlprogramm die Auflösung der Nato und die sofortige Beendigung aller Auslandseinsätze. Im Bundestag enthielt sie sich jüngst bei der Abstimmung über die Evakuierung von Ortskräften aus Afghanistan.
Scholz legte die Latte daraufhin noch höher, forderte von der Linken mehrmals ein Bekenntnis zur Nato, was der Linke Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch als „Quatsch“ bezeichnet.
Doch auch Kindler sieht hier vor allem die Linken in der Pflicht: „Die Linke ist besonders gefragt. Sie muss glaubhaft zeigen, dass sie bei entscheidenden Fragen die Stabilität eines Mitte-links-Bündnisses nicht gefährdet“, sagte er der taz. Doch ergänzte er, auch eine Ampel mit der FDP berge Probleme. Mit der FDP läge man vor allem in sozial- und finanzpolitischen Fragen weit auseinander. Nur ein Beispiel: Die FDP will Steuern für Reiche senken, die Grünen wollen sie erhöhen.
Differenzen auch zur FDP
Bei den Grünen halten nicht wenige ein Bündnis mit SPD und Linken deshalb eigentlich für gut und sinnvoll – aber nicht für die wahrscheinlichste Variante.
Es war nicht das einzige rot-grüne Treffen an diesem Abend. Zur gleichen Zeit diskutierten auch die Linken-Politikerin Katja Kipping und der Grüne Sven Giegold in der taz-Kantine über einen Green New Deal, einen sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft. Die Schmerzpunkte kamen gleich zu Beginn des Abends zur Sprache.
Nicole Wloka, SPD
Die Enthaltung der Linkspartei hinsichtlich der Rettungseinsätze in Afghanistan habe ihn „geschockt“, so Giegold. Die Aussicht, in einer potenziellen Koalition jedes Mal aufs Neue nach Mehrheiten für Militäreinsätze suchen zu müssen, sei bitter. „Leider kann man sich da auf euch nicht verlassen.“
Katja Kipping entgegnete, neue Militärinterventionen würden momentan nicht zur Debatte stehen. Theoretische Militärfragen dürften den Kampf gegen den Klimawandel nicht unnötig verschleppen. Es solle mehr um die Gemeinsamkeiten von Linken und Grünen gehen als um die Differenzen. „Meine Partei bereitet jedenfalls gerade Sondierungsgespräche mit Grünen und SPD vor“, so Kipping. „Das tun wir auch“, so Giegold. Und auch in der SPD werde man nicht unvorbereitet in mögliche Sondierungen gehen, so Wloka von der Denkfabrik.
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