Verstoß gegen „Neutralität“: Kita will Kopftuch verbannen
Eine Hamburger Kita will eine zum Islam konvertierte Erzieherin loswerden. Ihr Kopftuch verstoße gegen die neue „Neutralitätsanordnung“.
Die Erzieherin war beim privaten Träger Wabe e. V. beschäftigt, der in Hamburg und Umgebung 23 Kitas betreibt. Die junge Frau nahm nach der Geburt ihres Kindes Elternzeit. Sie war schon 2011 zum Islam konvertiert, entschied sich aber erst während der Elternzeit, „aus religiösen Gründen ein islamisches Kopftuch zu tragen“, wie ihr Anwalt Klaus Bertelsmann berichtet.
Als sie zu Jahresbeginn ihre Arbeit wieder aufnehmen wollte, wurde ihr mit Verweis auf eine gerade erlassene „Neutralitätsanordnung“ von Wabe e. V. untersagt, mit Kopftuch tätig zu sein. Ihr Anwalt spricht von einem „Trick“.
„Sie lehnte es ab, das Kopftuch abzulegen“, berichtet er. „Es folgten mehrere Abmahnungen. Danach kam eine Kündigung.“ Diese sei zurückgenommen worden, nachdem der Arbeitgeber von einer neuen Schwangerschaft erfuhr. Doch inzwischen habe dieser eine Kündigung beim Amt für Arbeitsschutz beantragt, was in solchen Fällen nötig ist.
Der EuGH muss helfen
Doch die Frau wehrte sich auch gegen die Abmahnungen. In diesem Rechtsstreit suchte nun das Arbeitsgericht Hamburg Hilfe beim Europäischen Gerichtshof.
Das Bundesverfassungsgericht entschied 2015: Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte ist mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Solange eine Lehrerin nicht verbal für ihre Position wirbt und Schüler beeinflusst, sei die Glaubensfreiheit der Kinder durch das Stück Stoff nicht tangiert.
Ein Kopftuchverbot in privatem Unternehmen kann rechtmäßig sein, sagte der Europäische Gerichtshof 2017. Bedingung sei, dass ein privater Arbeitgeber politische, philosophische oder religiöse Zeichen unterschiedslos verbiete.
Der Träger Wabe e. V. wurde 2001 gegründet, hat über 625 Mitarbeiter. Er betreut rund 2.900 Kinder in 23 Kitas und 600 an Schulen und betreibt die 2016 gegründete Internationale Schule Pinneberg.
Denn erst im März 2015 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schulen verfassungswidrig ist. Ein Verbot sei erst dann zu rechtfertigen, wenn eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität festgestellt sei.
Bisheriger Auslegung zufolge gilt diese Regel auch für staatliche Kitas. Der stadteigene Hamburger Kita-Träger „Elbkinder“ zum Beispiel toleriert denn auch mit Religion verbundene Bekleidung, sofern dies im Job nicht stört. „Wir billigen das Tragen von Kopftüchern, wenn das Gesicht frei bleibt“, sagt Sprecherin Katrin Geyer.
Denn die Arbeit mit Kindern sei Beziehungsarbeit, „dazu gehört, dass Augenkontakt zwischen Kind und Erzieherin immer möglich sein muss“. Auch dürfe die Kleidung nicht die Freiheit einengen, damit die Erzieherinnen in der Lage sind, sich mit den agilen Kindern zu bewegen.
Doch hier geht es um die Frage, ob dies auch für private Kindergärten gilt. Im März 2017 hatte der Europäische Gerichtshof anlässlich eines Falls in Belgien entschieden, dass das Kopftuchverbot eines privaten Arbeitgebers zulässig sei, wenn es auf einer unternehmensinternen Regel basiert, die politische, philosophische oder religiöse Zeichen unterschiedslos verbietet.
Eltern legten Wert auf „absolute Neutralität“
Ebenso argumentiert auch Wabe e. V. „In politischer, weltanschaulicher und religiöser Hinsicht setzen wir als sozialer und Bildungsträger auf absolute Neutralität“, sagt Sprecherin Katja Wohlers. Die sei „fester Bestandteil“ des pädagogischen Konzepts. Wabe e. V. sei „überkonfessionell“. Für viele Eltern gebe dies den Ausschlag bei der Kita-Wahl.
Dass die Erzieherin aus religiöser Überzeugung ihr Kopftuch in der Kita nicht ablegen möchte, widerspreche „aus Sicht von Wabe e. V. unserem Neutralitätsgebot“, so Wohlers. Luxemburg werde nun klären, ob das Neutralitätsgebot von Wabe e. V. den europarechtlichen Vorgaben entspreche, „wovon wir nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs ausgehen“, so die Sprecherin.
Die Luxemburger Richter sollen klären, wie weit hier das Grundrecht der Unternehmerfreiheit greift und ob es reicht, dass ein Chef mit so einem Verbot den subjektiven Wünschen seiner Kunden entsprechen möchte. Und sie sollen klären, ob dieses EU-Recht einer nationalen Regelung entgegen steht, wonach, wie in Deutschland, so ein Verbot gar nicht pauschal, sondern nur aufgrund einer „hinreichend konkreten Gefahr“ gelten kann.
Anwalt Bertelsmann erwartet das Ergebnis in etwa 18 Monaten und ist zuversichtlich. Es sei unverständlich, wieso ein großer Kita-Träger versuche, das islamische Kopftuch aus seinem Betrieb zu verdrängen. Eine Ungleichbehandlung wegen der Religion könne es nur geben, wenn dadurch konkrete Störungen drohten. „Eine Arbeit mit Kopftuch ist aber ganz normal, auch im Erziehungsbereich“, sagt Bertelsmann. „Die Kinder kennen das ja auch aus ihrem täglichen Erleben.“
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