piwik no script img

Versorgung Gazas aus der LuftKläglicher Offenbarungseid

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Es müsste nicht nötig sein, Lebensmittel für Gaza aus der Luft abzuwerfen. Dass es so ist, verdeutlicht Israels Scheitern.

Ein freudiger Anblick, leider: Hilfslieferungen segeln auf den Gazastreifen herab Foto: Kosay Al Nemer/Reuters

E ssenspakete per Fallschirm – die neueste Variante der humanitären Hilfe für Gaza offenbart ein Scheitern. Hilfsgüter aus der Luft sind die teuerste und ineffizienteste Form: Man kann nicht kontrollieren, ob und wo die Güter landen, wer sie entgegennimmt und was mit ihnen geschieht.

Normalerweise macht man so etwas nur, wo Menschen von der Außenwelt komplett abgeschnitten sind, etwa unter Belagerung oder wegen einer Naturkatastrophe. Nichts davon ist in Gaza der Fall. Der Norden des Gaza­streifens steht unter Kontrolle der israelischen Armee. Nur wenige Kilometer entfernt, auf israelischem Staatsgebiet, gibt es alle Güter des Überlebens in Hülle und Fülle.

Dass nun Drittländer dort Nahrung aus der Luft abwerfen, hat ausschließlich einen politischen Grund: Israel riegelt ein israelisch kontrolliertes Gebiet samt seiner Bevölkerung komplett von jeder Versorgung ab. Die Grenzübergänge aus Israel in den nördlichen Gazastreifen sind dicht. Der Seeweg ist gesperrt.

Die humanitäre Hilfe aus Ägypten ist ein bürokratischer Hürdenlauf: Güter werden erst quer durch die gesamte Sinai-Halbinsel gefahren, dann an einem ägyptisch-israelischen Grenzübergang kontrolliert, dann nach Rafah gebracht, im Niemandsland an der Grenze abgeladen, von palästinensischen Fahrern wieder aufgeladen und dann ohne jeden Schutz weitertransportiert. Schon unmittelbar hinter der Grenze im südlichen Gazastreifen ist die Not so immens, dass die weiter entfernten Gebiete im nördlichen Gaza­streifen nur selten erreicht werden.

Kein Wunder, dass fast nichts durchkommt, während sich auf der ägyptischen Seite der Grenze die Lastwagen zu Hunderten stauen. Und viele medizinische Güter oder auch Mittel zur Trinkwasseraufbereitung werden von Israel gar nicht durchgelassen. Was durchkommt, genügt nicht ansatzweise für zwei Millionen Menschen ohne Wasser und Strom, ohne Essen und Trinken, ohne Medikamente und Sicherheit in Trümmerbergen voller Leichen oder Zeltlagern, wo das Recht des Stärkeren herrscht. Massenaufläufe traumatisierter und verzweifelter Menschen, sobald ein Transport am Horizont auftaucht, sind wenig verwunderlich. Und dann eröffnet Israels Armee auf solche Menschen auch noch das Feuer.

Vier Monate nachdem Israel in den Gazastreifen einmarschierte, ist dieser Zustand nicht mehr mit dem Hamas-Massaker zu rechtfertigen

Vier Monate nachdem Israel in den Gazastreifen einmarschiert war, ist dieser unerträgliche Zustand nicht mit dem völkermörderischen Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 zu rechtfertigen. Man kann nicht monatelang zwei Millionen Menschen beherrschen, ihnen alle Lebensgrundlagen nehmen und zugleich jede Verantwortung für ihr Leben von sich weisen. Entweder ist das beabsichtigt, dann ist der Völkermordvorwurf gegen Israel nicht von der Hand zu weisen. Oder es ist nicht beabsichtigt, dann haben Israel und seine internationalen Verbündeten versagt.

Langfristig braucht der Gazastreifen eine internationale Verwaltung. Kurzfristig braucht die humanitäre Hilfe internationalen Geleitschutz und Schutzzonen für die Bevölkerung. Dies wäre eigentlich die Aufgabe der Vereinten Nationen. Auch dies will Israel nicht und führt gegen UN-Instanzen eine Kampagne der Verunglimpfung. Vielleicht sollten die US-Flugzeuge über Gaza nicht nur Fallschirme mit Care-Paketen abwerfen, sondern US-Fallschirmspringer zur Besetzung des Gebiets und zum Schutz seiner Menschen. Wenn erst Hunderttausende Palästinenser verhungert sind, ist es zu spät.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

45 Kommentare

 / 
  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Kläglicher Offenbarungseid.....""



    ==



    ist es für die Hilfsorganisation - die nicht Willens oder nicht in der Lage ist Hilfsgüter in Gaza an Bedürftige zu verteilen. -

    Eine Hilfsorganisation der UN sollte unparteiisch sein - wie soll sie sonst Möglichkeiten und Handlungsoptionen mit den Kriegsparteien arangieren?

  • Israel betrachtet sich als eine Demokratie. Als Demokratie ist man verpflichtet sich an geltendes Recht zu halten. Das Aushungern der Bevölkerung stellt ein Kriegsverbrechen dar. Ausreden, wie zb: das alles ist ja nur Schuld der Hamas und sonstiges greifen hier nicht.

  • Welcher Kriegspartei ist jemals vorgeworfen worden, sich nicht ausreichend um die Bevölkerung des Feindes zu kümmern und diese nicht mit Lebensmitteln zu versorgen? Ist Hamas jetzt eine Terrororganisation, die die gesamte Zivilbevölkerung von Gaza, als Geiseln genommen hat? Dann bitte ist die Bekämpfung von Hamas nicht einzig und allein Israels Aufgabe. Dann muss die ganze Welt versuchen diese 2 Millionen Geiseln zu befreien und Hamas bekämpfen. Oder ist Hamas die Vertretung Gazas? In diesem Fall sollte die Organisation die Interessen der Bevölkerung an erste Stelle setzen. Und in einem aussichtslosen Krieg bedeutet das eben zu kapitulieren. Jetzt stelle man sich einen Moment lang vor, die Allierten wären im zweiten Weltkrieg kritisiert worden, weil sie die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln nicht sicher gestellt haben. Lachhaft, oder?

    • @Merrylegs:

      Kriegsparteien sind völkerrechtlich verpflichtet, die Versorgung der Zivilbevölkerung (auch der des "Feindes" sicherzustellen - und Israel ist auch nicht der erste Staat, der dafür kritisiert wird, dieser Verantwortung nicht gerecht zu werden.

  • "Dies wäre eigentlich die Aufgabe der Vereinten Nationen." - Das sehe ich ganz genauso.

    Der Kritik Israels an manchen Institutionen der UN ließe sich sehr einfach begegnen: Die Mitarbeiter dieser Institutionen müssten wirklich aus der ganzen Welt rekrutiert werden und dem Konflikt vom ethnisch-religiösen Hintergrund her absolut neutral gegenüber stehen. Das ist besonders bei der UNRWA einfach nicht der Fall - ihr Personal besteht zu über 98% aus Palästinensern. Da kann von weltanschaulicher Neutralität wahrlich keine Rede sein.

  • "Dass es so ist, verdeutlicht Israels Scheitern."



    Scheitern - gemessen an was?



    Mag jetzt zynisch klingen, aber Kriegsziel Israels war nicht die Versorgung der Palästinenser mit Lebensmitteln. Also sind sie auch nicht gescheitert.



    Gescheitert sind sie bislang daran, die Hamas auszulöschen oder zum Aufgeben zu zwingen und die Geiseln freizubekommen.



    Gescheitert ist die Hamas daran, bessere Lebensumstände für die Palästinenser zu erreichen. Falls das jemals ihr Ziel war.

  • Die wichtigste Frage wird nicht gestellt. Wie ist es zum Krieg gekommen?



    Wie konnte es passieren, dass in Gaza eine 35-70-Tausend-Mann-Armee entstehen konnte, die mit einer Terrorattacke einen Krieg begonnen hat uuuund angekündigt hat solche Terrorattacken IMMER NEU ZU WIEDERHOLEN?



    Die Wiederholung des Massakers, vielmehr seine Nicht-Wiederholung, ist die eigentliche Zielsetzung der israelischen Armee, vom Anfang des Krieges bis jetzt.



    Noch einmal:Wie konnte es soweit kommen? Dazu erklärt Moussa Abu Marzouk, Mitglied des Politbüro der Hamas, dass die Terrororganisation sich nicht für den Schutz der Menschen verantwortlich fühlt, da 75 Prozent der Zivilsten im Gazastreifen Geflüchtete seien. Es liege deshalb in der Verantwortung der Vereinten Nationen, sie zu schützen. www.t-online.de/na...e-des-westens.html



    Im Klartext: Gaza befindet sich *gegenwärtig* unter "internationaler Verwaltung", also unter UN-Verwaltung. Genau das hat dem Krieg den Boden bereitet und die Katastrophe ausgelöst.



    Und dass Gaza genau das braucht, auch noch langfristig - das bezweifele ich stark!

  • Jedes noch so kleine Bisschen Hilfe hilft den Menschen dort. Auch wenn sie in diesen Fall nicht sehr zielgerichtet ist, sichert sie das Überleben.

  • Seit wann operieren ein demokratischer Rechtsstaat und eine Terrororganisation auf der gleichen Ebene?



    Israel ist gerade dabei , sich selbst , die Palästinenser und aller Zukunft zu vernichten.



    Warum jagen vernünftige Menschen in Israel nicht endlich diesen Mörder Netanjahu und seine Mitverbrecher in die Wüste , bevor alles zu spät ist?

  • Die Hamas wird aufgefordert die Waffen niederzulegen, sprich zu kapitulieren. Damit Verbrecher bei Geiselnahmen aufgeben, hat eine Polizei Psychologen und Profiler. Im Kampf gegen die Hamas sind jedoch viele Amateure am Werk. Sprich von Hass erfüllte PolitikerInnen und Militärs, die den Gegner physisch und psychisch vernichten wollen.



    Man muss Unbeteiligte schützen. Stattdessen wurde die Bevölkerung in die Hand der Terroristen getrieben sprich nach Rafah.



    Und das Aushungern der Menschen trifft zuallererst die kleinen Kinder und nicht die Terroristen.

  • Da ist es wieder, das reflexhafte „Israel ist Schuld“.

    Immer wieder wird der Weg gewählt, Israel für das Leid im Gazastreifen verantwortlich zu machen.

    Niemand fordert so vehement von der Hamas, endlich die Waffen niederzulegen und sich vollständig zu ergeben.

    Niemand fordert von den umliegenden Staaten, endlich die Unterstützung der unterschiedlichen Terrororganisationen einzustellen und diese zu bekämpfen.

    Alle außer Israel scheinen völlig unbeteiligt an der Situation im Gazastreifen.

    Natürlich ist es richtig und wichtig, Hilfsgüter über dem Gazastreifen abzuwerfen. Inzwischen machen das zum Glück mehrere Länder. Gut, dass die USA sich anschließen.

    Ägypten muss endlich die Palästinenser ausreisen lassen, dann kann die Versorgung sichergestellt werden. Im Gazastreifen ist das alles viel zu gefährlich solange die Hamas aktiv ist und nicht nur Palästinenser durch Raketen tötet sondern auch in solch verheerende Situationen wie jetzt mit den Hilfslieferungen treibt, nur um über weitere, durch ihren Terror verschuldete zivile Opfer berichten zu können.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wie soll denn Ägypten Palästinenser ausreisen lassen, ohne dass sich Hamaskämpfer daruntermischen? Und meines Wissens bestimmt immer noch Israel, wer aus- und einreisen darf.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich bin ganz Ihrer Meinung.

  • Man kann nicht monatelang zwei Millionen Menschen beherrschen, ihnen alle Lebensgrundlagen nehmen und zugleich jede Verantwortung für ihr Leben von sich weisen

    Die Hamas macht das seit über 10 Jahren...

  • Es gab leider die Äußerungen, die sogar auch noch den Gazastreifen begehren. Vielleicht ist es auch bei einigen Absicht, ihn lebensuntauglich für seine jetzigen Bewohner zu machen.



    Weg mit der Hamas, aber auch ganz rasch mit der Regierung Netanyahu; das wäre allen Menschen dort zu gönnen.

  • Man merkt sehr deutlich, dass der Autor nie in Ägypten war und die dortigen Ressentiments gegenüber Palästinensern mitbekommen hat. Die von den Palästinensern ermordeten ägyptischen Lkw-Fahrer haben nur wenig zur Motivation der Hilfsmittel seitens Ägypten beigetragen.



    Die Angst ist enorm und die Palästinenser sind in den arabischen Staaten nicht sehr beliebt. Jordanien 1970, Libanon ab 1975, Emirate ab 1992, usw. sind noch deutlich in Erinnerung.



    In Kairo ist die Marschrichtung recht klar: Der Westen soll sie aufnehmen und Ägypten Geld geben zum Wiederaufbau.

  • Trotz aller berechtigter Kritik an Isreal, möchte ich darauf hinweisen, dass Ägypten auch jederzeit die Grenze für humanitäre Lieferungen öffnen könnte; die bürokratischen Hürden sind ja nicht "Gott gegeben". Leider zeigt das deutlich wie gleichgültig auch vielen "muslimischen Brüder' das Schicksal der palistinänser ist.

    • @Alexander Schulz:

      Ägypten hat seinen Grenzübergang für Hilfslieferungen geöffnet; das Problem besteht zum einen darin, dass dort allein nicht genug abgefertigt werden kann, um ganz Gaza zu versorgen, und zum anderen darin, dass der Transport und die Verteilung der Hilfsmittel in Gaza äußerst riskant sind.

  • Israel hat den Gazastreifen unmittelbar nach dem Terroranschlag der Hamas vollkommen abgeriegelt. Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant haben damals klar gestellt: Kein Strom, keine Lebensmittel, kein Treibstoff und kein Wasser werden geliefert. Das war die Ankündigung eines Kriegsverbrechens.

    • @ecox lucius:

      …bis die letzte Geisel freigelassen wurde, das war und ist Israels Bedingung! Somit hat es die Hamas nach wie vor in der Hand jederzeit diese Lieferungen wieder zu ermöglichen.

      • @Saile:

        Ich bin nicht sicher wie gut ich die Idee finde zwei Millionen Menschenleben in die Hand von Terroristen zu legen.

        Ist die Konsequenz, wenn die Hamas die Geiseln nicht freilässt alle dort einfach sterben zu lassen?

    • @ecox lucius:

      Und trotzdem hat Israel Strom, Treibstoff, Wasser, Lebensmittel, Medikamente geliefert, auch an Krankenhäuser.



      Auch gab es in Gaza Strom,, Wasser und Internet während behauptet worden ist, dass dies nicht der Fall war.

      Wer antisemitisch ist wird dies nicht miteinander vereinbaren können.

  • Uff, hat mir auch gefehlt, mal so einen Kommentar in der Taz zu lesen. Sehe das auch so und bin schwer schockiert, welche mentale Gymnastik vor allem in den Kommentarspalten betrieben wird um das völkerrechtswidrige und maßlos brutale Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen zu rechtfertigen. Selbstverständlich: der Terror der Hamas war fürchterlich und die Bande gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Aber wer denkt, dass das Vorgehen Israels gerade nicht das allerarchaischste Aug' um Aug' ist ist auch nicht mehr zu retten. Jeden Tag im Schnitt 80 tote Kinder - mindestens billigend in Kauf genomnen. Was können die dafür, wenn die Hamas nicht nachgibt und sich einfach suizidiert? Und menschliche Schutzschilde - wenns denn so ist - sind die neuerdings zum Abschuss freigegeben ganz ohne dass irgendwo die Moral sich regen muss, bei dem am Abzug?! Ecce Homo ...

    • @Sav:

      Wie genau soll Ihrer Meinung nach die Hamas "auf den Müllhaufen der Geschichte " kommen, das wäre das eigentlich interessante?



      Darüber hinaus: bitte ersparen Sie uns bezogen auf Israel "allerarchaischste Aug' um Aug'". Das ist nichts als ein tiefchristliche, antisemitische Hetzlüge: www.lehrhaus-bambe...in-tachat-ajin.pdf und gehört mindestens genauso auf den Müllhaufen der Geschichte wie die Hamas.

  • Die Anschuldigung von Südafrika ist also nicht von der Hand zu weisen. Hier muss eingegriffen werden. Es geht um das Leben unschuldiger Menschen.

  • Man muss aber auch sagen es sind die Amerikaner die jetzt irgendwie versuchen den Menschen zu helfen, nicht Russland, nicht China nicht Saudi-Arabien oder andere.

  • In Wahrheit möchte ja niemand Fallschirmspringer in dem Pulverfass absetzen. Auch die Araber nicht. Alle warten nur auf ein einziges Signal: Die bedingungslose Freilassung der Geiseln durch die Hamas. dann wäre sofort der Weg frei für umfangreiche humanitäre Maßnahmen, denen sich Israel weder verweigern könnte, noch in der Mehrheit wollte. Aber leider ist den Tunnelterroristen das Leid ihrer Mitmenschen einfach egal.

    • @vieldenker:

      Liest man Artikel wie diesen von Herrn Johnson, entsteht das Bild, in Gaza seien palästinensische Frauen und Kinder und israelische Soldaten ganz allein in diesem geschundenen Gebiet. Und dann fällt es dem Journalisten und dem Leser ganz leicht, sich ein Urteil zu bilden und die "notwendigen Hilfsmaßnahmen" liegen klar auf der Hand. Man fragt sich, wo eigentlich die Hamas-Kämpfer sind? Diese gibt es offenbar ebensowenig wie die noch immer abgefeuerten Raketen und Granaten.

      Das eine rechtfertigt nicht das andere, aber um zu verstehen, warum Gaza abgeriegelt ist und alle Hilfslieferungen nur kontrolliert über abgesicherte Übergänge in den Streifen gelangen, ist klar: Die Hamas-Kämpfer sollen den Terror nicht in die umgebenden Gebiete und Länder tragen. Punkt.

      Die Lösung ist simpel: Die Hamas kapituliert und lässt die Geißeln frei und die Situation würde sich entspannen. Vielleicht könnten Journalisten wie Herr Johnson wenigstens diese Option mal mit nennen. Dann und nur dann könnten Verhandlungen auch sehr zielgerichtet geführt werden. Das werden sie im Hintergrund ja vermutlich auch, aber in der Öffentlichkeit entstehen durch Medienbeiträge wie diesen ein immer mehr verzerrtes Bild.

      Zur Wahrheit gehört auch, dass auch Druck auf die israelische Regierung ausgeübt werden muss, sich aktiv und kooperativ an den Hilfsaktionen zu beteiligen. Die Hauptverantwortung liegt nun aber bei der Hamas. Und das muss viel deutlicher werden als bisher.

      • @André Schneider:

        So ist es.



        Allerdings zum letzten Punkt: Es WIRD ja bereits Druck auf die Israelische Regierung ausgeübt! Selbst von der israelischen Bevölkerung, die den Protest, der seit Anfang letzten Jahres Woche für Woche 100tausende auf die Straßen trieb, wieder aufnimmt.

    • @vieldenker:

      Ein Ende des Krieges im Austausch gegen die Geiseln steht doch nicht zur Debatte, oder? Es wird doch nur ein zeitlich begrenzter Waffenstillstand angeboten. Dass die Hamas nicht ihr einziges Druckmittel im Gegenzug geben ein paar Wochen Aufschub aufgibt, sollte nicht wirklich überraschen.

    • @vieldenker:

      Das sehe ich genauso.

      Leider wird der volkssturmartige Widerstand der Hamas als Axiom wahrgenommen wird und man so gut wie nie die Forderung hört, die Hamas möge aufgeben, um die humanitäre Katastrophe, unter der die eigenen Leute leiden, zu beenden.

      • @Jim Hawkins:

        Die "Kriegspraktiken" der Hamas könnte man ja auch als autogenozidial gegen die Bevölkerung des Gazastreifens ansehen. Aüßerungen gab es ja einige seitens der Hamas die man so verstehen kann.

      • @Jim Hawkins:

        Das ändert nichts an der Unverhältnismäßigkeit des Krieges. Es sollen noch ca. 150 Geiseln sein. So viele Menschen sterben jeden Tag in Gaza. Auf jeden toten Israeli kommen jetzt bereits 25-30 tote Palästinenser. Wann sind es genug?!

      • @Jim Hawkins:

        Ich weiß nicht von welchen Autor bzw Autorin es geäußert wurde aber die besagte person meinte sinngemäß " Die Hamas hat die Schlacht der Bilder und Propaganda gewonnen." In Situationen wie diesen wird es leider nur allzu deutlich, wie sehr diese Einschätzung sich bewahrheitet.

  • Absolute Zustimmung!

  • So wie es der momentanen israelischen Führung leider zuzutrauen war. Wieso wurden die überhaupt gewählt? Achja. Fundis... Selbst nach Neuwahlen wird es da noch ein Problem geben...

  • Auf den Punkt gebracht. Ein erlittenes Unrecht rechtfertigt nicht selbst ein Unrecht zu begehen. Es ist an der Weltgemeinschaft Netanjahu einhalt zu gebieten. Menschen Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten zu verweigern ist einfach inhuman, ob beabsichtigt oder nicht.

    Das Völkerrecht ist eine wichtige Errungenschaft, wer es mit Füßen tritt muss dafür auch zur Rechenschaft gezogen werden.

    Und bevor die internationale Politik sich den Kopf zerbricht über pro und kontra einer Zweistaaten Lösung, sollten sie sich zunächst einmal um den Wiederaufbau kümmern oder sollen die Palästinenser in den Trümmerbergen hausen bis Netanjahu sich eines Tages einmal entscheidet die "Blockade" aufzuheben?

  • "Dass es so ist, verdeutlicht Israels Scheitern."

    Meiner Meinung nach scheitert nicht Israel, sondern die UN, EU, die NGOs usw., ebenso scheitern die Hamas-Freunde in Katar, Türkei, Saudi-Arabien etc. ... ich bin versucht zu sagen, dass die Weltgemeinschaft scheitert. Indem sie versucht, die kleine jüdische Minderheit zur Aufgabe zu drängen, obwohl der Angreifer/die gegnerische Seite sie vernichten, ihren Staat zerstören und das Pogrom vom 07.10.23 wiederholen will.



    Es ist aus verschiedenen Gründen einfacher, sich auf die palästinensische/Hamas-Seite zu stellen, dafür erhält man gegenwärtig auch mehr Bestätigung, das macht es in meinen Augen aber nicht richtig.

    "... wo das Recht des Stärkeren herrscht."

    Das Recht des Stärkeren herrscht in Gaza auch in Friedenszeiten.

    "Und dann eröffnet Israels Armee auf solche Menschen auch noch das Feuer."

    Wenn die Behauptungen stimmen, dass unter den Menschen bewaffnete Personen waren, die die LKW-Fahrer (und IDF ?) angegriffen haben, weiß ich nicht, wie die Situation hätte gelöst werden können. Eines weiß ich für mich persönlich jedoch sicher, unter keinen Umständen würde ich in IDF-Uniform in Gaza diesen Menschen in die Hände fallen wollen. Einer der LKW-Fahrer wurde getötet und ich hoffe, die Umstände seines Todes können geklärt werden. Vielleicht erhalten wir dann mehr Aufschluss darüber, was dort passiert ist und können die Verantwortlichen vor Gericht stellen.

    "Vier Monate nachdem Israel in den Gazastreifen einmarschiert war, ist dieser unerträgliche Zustand nicht mit dem völkermörderischen Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 zu rechtfertigen."

    Hier bin ich der Meinung, dass die Hamas in der Verantwortung steht: Geiseln freilassen, Waffen niederlegen, sich einem Gerichtsprozess (muss nicht in Israel sein) stellen. Vielleicht können sie auf diese Weise mehr Verständnis für ihre Sichtweise finden.

  • „Der Norden des Gaza­streifens steht unter Kontrolle der israelischen Armee.“

    Das ist nicht wahr. Ganze Viertel sind vom IDF noch nicht besetzt, aber vom Rest des Gazastreifens abgeschnitten. Selbst in besetzten Teilen kommt es noch zu Kämpfen mit verbliebenen oder eingesickerten Militanten.

    www.understandingw...%202%2C%202024.png

    „fast nichts durchkommt“ Für jene, die wissen wollen wie viel durchkommt:

    govextra.gov.il/co...rian-efforts/home/

    „eröffnet auf solche Menschen auch noch das Feuer“

    Was in der Berichterstattung immer wieder unerwähnt bleibt, ist jener Faktor, der der wichtigste zu sein scheint: dass sich dies alles in den frühen Morgenstunden ereignete, wo es noch dunkel war. In einer Stadt ohne Stromversorgung. Durcheinander – Dunkelheit – ein Kriegsumfeld mit Kämpfern in Zivil und Sprengstoffgürteln unter der Kleidung - da kann mancher Soldat Zivilisten fälschlich als Bedrohung wahrnehmen. Und Soldaten dürfen auf Bedrohungen schießen. In einer vergleichbaren Situation hätte er wahrscheinlich auch geschossen. Das sind Tragödien. Keine Kriegsverbrechen.

    „zwei Millionen Menschen beherrschen“

    Das ist es ja: sie werden nicht von Isr. beherrscht.

    • @Socrates:

      Soldaten sind ausgebildet, in Stress Situation ruhig zu bleiben. Ausserdem stehen solche Gruppen nicht isoliert, sondern im Verbund mit anderen Streitkräften und einem Kommandostand.



      Da haben so viele Ebenen in der Befehlskette versagt, dass man von einem strukturellen Problem sprechen kann.

  • Was geht muss sein, koste es, was es wolle.



    Es geht ums nackte Leben und schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Mangelernährung.



    Die Weltgemeinschaft hat schon früher effektiv Luftbrücken organisiert.



    Bei den Stichworten Luftbrücke und Hunger erinnern sich die Älteren an den Biafra-Sezessionskrieg.



    Bei caritas-international.de



    "Die Menschen in Biafra waren auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln über den Luftweg angewiesen. Eine wichtige Rolle kam dabei den im Jahr 1968 einsetzenden humanitären Hilfsflügen zu. Sie erfolgten im Wesentlichen von den Inseln São Tomé und Fernando Po (heute Bioko) aus. Da Biafra nach dem Verlust der wichtigsten Städte keinen Flughafen mehr besaß, wurde ein improvisiertes Rollfeld bei Uli/Ihiala im heutigen Bundesstaat Anambra genutzt, um Hilfsgüter zu liefern.



    Die Flüge fanden ausschließlich nachts statt, weil die Regierung in Lagos keine direkte humanitäre Hilfe nach Biafra erlaubte. Für Caritas Internationalis (CI) ist die Operation Biafra beispiellos in der Geschichte der Caritas."



    Das war erfolgreich und eine echte Leistung im Kampf gegen den Hunger als Waffe in Afrika.



    /



    Bei spiegel.de



    "Bis der Waffenstillstand am 15. Januar 1970 in Kraft trat, starben bis zu zwei Millionen Menschen im Krieg und an Hunger. Nachdem Nigerias Armee im Mai 1968 Biafras Zugang zum Meer erobert hatte, konnte der Separatstaat nur noch aus der Luft versorgt werden. Anderthalb Jahre hielten Spenden aus aller Welt 13 Millionen eingeschlossene Menschen am Leben."



    So etwas darf nicht in Vergessenheit geraten, wir können viel mehr aus der Zivilgesellschaft heraus erreichen, wenn wir systematisch international kooperieren.

  • Danke für die klaren Worte.

    • @BoLuz:

      Zustimm...