Verharmlosung von Kriegsverbrechen: Gesetzesverschärfung im Eiltempo

Der Bundestag hat das Delikt der „Volksverhetzung“ verschärft. In einem völlig intransparenten Verfahren.

Deutscher Bundestag

Die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen und Völkermorden ist jetzt als „Volkverhetzung“ strafbar Foto: Michele Tantussi/reuters

BERLIN taz | Die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen und Völkermorden ist jetzt als „Volkverhetzung“ strafbar. Der Bundestag hat in der Nacht zum Freitag ohne jede Ankündigung das Strafrecht verschärft. Dies betrifft zum Beispiel die Leugnung und Verharmlosung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.

Bisher war in der Bundesrepublik nur die Billigung von Straftaten aller Art (Paragraf 140 Strafgesetzbuch) sowie die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts (Paragraf 130 Absatz 3) strafbar. Nun wurde in Paragraf 130 ein neuer Absatz 5 eingefügt. Danach ist auch die öffentliche Leugnung und „gröbliche“ Verharmlosung von anderen Völkermorden sowie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar.

Einschränkend heißt es zwar, die Äußerung müsse „geeignet“ sein, den öffentlichen Frieden zu stören und zu Hass oder Gewalt aufzustacheln. Letztlich entscheiden bei so unbestimmten Begriffen aber die Staatsanwaltschaften, welche Äußerungen verfolgt werden. Die Eignung, Hass zu erzeugen, kann in diesen aufgeheizten Zeiten schließlich leicht unterstellt werden.

Die Verschärfung des Strafrechts beruhte auf einer zunächst nicht öffentlichen „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums von Marco Buschmann (FDP). Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Rechtsausschuss am Mittwoch, den Vorschlag in einem harmlosen Gesetz zum Bundeszentralregister unterzubringen.

So konnte auf eine erste Lesung verzichtet werden. Und schon einen Tag später hat der Bundestag die Änderung abschließend beschlossen – als letzten Tagesordnungspunkt kurz vor 23 Uhr. Dafür stimmten die Ampelfraktionen und die Union, dagegen AfD und Linke.

Verschärfung habe nichts mit Ukrainekrieg zu tun

Das Justizministerium betonte, die Verschärfung des Strafrechts habe nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun. Man reagiere nur auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Deutschland habe einen EU-Rahmenbeschluss (zur Bekämpfung des Rassismus) von 2008 nicht deutlich genug umgesetzt. Es gehe nur um eine „Klarstellung“. Schon bisher sei die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen als Volksverhetzung strafbar gewesen, erklärte das Ministerium.

Davon ist bisher allerdings noch niemand ausgegangen und es sind auch keine entsprechenden Gerichtsurteile bekannt. Auch die Staatsanwaltschaften haben seit Februar zwar wegen Billigung des russischen ­Angriffskriegs ermittelt, aber nicht wegen Leugnung oder Verharmlosung von russischen Kriegsverbrechen. Faktisch handelt es sich also um eine Verschärfung.

Die beschlossene weitreichende Regelung wäre EU-rechtlich auch nicht zwingend gewesen. Denn der EU-Rahmenbeschluss von 2008 lässt den EU-Staaten durchaus gewisse Spielräume. So können sie etwa nur die Leugnung und Verharmlosung solcher Kriegsverbrechen unter Strafe stellen, die bereits durch ein internationales Gericht endgültig festgestellt wurden.

Darauf kommt es nun aber nicht an. Es genügt für die Strafverfolgung von gröblich verharmlosenden Meinungsäußerungen, dass eine Staatsanwaltschaft bestimmte Handlungen als Kriegsverbrechen einstuft.

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