Verhandlungsstrategie der Grünen: Sie wollten einen fetten Spatz
Für die Grünen ist die Einigung über das Finanzpaket ein Erfolg. Die Verhandlerinnen der Partei haben der kommenden Regierung gehörig Druck gemacht.

D en 18. März kann man sich im Kalender dick anstreichen. Am Dienstag stimmt der Bundestag über das hunderte Milliarden schwere Finanzpaket ab, um das in den letzten anderthalb Wochen in Berlin so hart gerungen wurde. Dann ist amtlich: Die Grünen haben tatsächlich eine Verhandlung gewonnen. Eine umfangreiche Reform der Schuldenbremse bekommen sie zwar nicht. Das dafür nötige Druckmittel geben sie ab, wenn sie Schwarz-Rot immense Kredite für Verteidigung und Infrastruktur bewilligen.
Auf die Taube auf dem Dach hatten die Grünen es in diesen Verhandlungen aber gar nicht abgesehen. Sie wollten den Spatz in der Hand möglichst fett machen – und das haben sie mit der Einigung vom vergangenen Freitag geschafft. Ein Faktor für den Erfolg: Die Ära Habeck ist vorbei. Für ihn und seine Leute hatte in Verhandlungen der Kompromiss einen riesigen Wert an sich. Ein sinnvoller Ansatz, wenn man es mit einem wohlwollenden Gegenüber zu tun hat – andernfalls aber die beste Voraussetzung dafür, sich mustergültig über den Tisch ziehen zu lassen.
Jetzt haben es die Grünen-Verhandlerinnen Haßelmann und Dröge anders gemacht. Sie haben Union und SPD zwischendurch in den Abgrund blicken lassen und klargemacht: Wir brauchen diese Einigung nicht. Im Zweifel lassen wir die Gespräche scheitern. Soll Merz doch schauen, wie er sich im neuen Bundestag mit der Linken einigt. Es gab aber auch noch einen zweiten Faktor: Die Fraktionschefinnen konnten nur so abgebrüht vorgehen, weil die Grünen mit der Regierungsbildung nichts zu tun haben.
Sie mussten keine Rücksicht auf die Stimmung beim nächsten Koalitionsausschuss nehmen. Sie hätten es nicht ausbaden müssen, wenn Schwarz-Rot das Geld fehlt. Im Gegenteil: Weil ihre Stimmen nur noch dieses eine Mal gebraucht werden, hätte ihnen ein schlechter Kompromiss viel mehr Probleme bereitet als ein Abbruch der Verhandlungen. Die Schuldenfrage war ihr einziger Schuss. Ihn nicht zu nutzen, war keine Option.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Baerbock zur UN-Generalversammlung
Undiplomatische Kritik an Nominierung für UN-Spitzenjob
Repression an der Columbia University
Es wird ein Exempel statuiert
Vertrauen in die Politik
Kontrolle ist besser
Erfolg der Grundgesetzänderung
Ein wahres Husarenstück
Schauspielerin Rachel Zegler
Rassismus gegen Schneewittchen
Neue Bomben auf Gaza
Israel tötet Hamas-Minister und Zivilisten