Ukrainekrise und zivile Konfliktlösung: Viel Spaß bei der Suche
Die Bundesregierung inspiziert das Arsenal an nichtmilitärischen Mitteln, die sie gegen Russland in Stellung bringen kann. Ihren Preis haben sie alle.
D eutsche Waffen für die Ukraine? Wird es nicht geben. Die Diskussion darüber flammte in dieser Woche zwar kurz auf, viel mehr als politisch-mediale Beschäftigungstherapie wird das am Ende aber nicht gewesen sein.
Die FDP, die die Debatte angestoßen hatte, bleibt in ihrer Forderung abstrakt und weiß selbst nicht, was sie denn gerne liefern würde. Die SPD ist für solche Fragen ohnehin nicht zu haben und in diesem konkreten Fall hat sie zur Abwechslung auch mal die Grünen an ihrer Seite: Außenministerin Baerbock lehnte bei ihrem Besuch in Kiew am Montag Waffenlieferungen mit klaren Worten ab. So klar, dass sie ihre Position auch in Zukunft kaum wird revidieren können.
Dieses Nein ist klug. Gerade die Grünen werden mit ihrem Grundsatz, keine Rüstungsgüter in Krisengebiete liefern zu lassen, zwar immer wieder an Grenzen stoßen. Kein Krieg lässt sich moralisch so gut begründen wie einer zur Selbstverteidigung gegen einen Aggressor. Entsprechend gewichtige Gründe muss man aufbieten können, um dem Opfer einer Aggression Waffen zu verweigern.
In konkreten Fällen gibt es solche Gründe aber. Im Fall der Ukraine hat die Kollegin Anna Lehmann einige davon in dieser Woche treffend in der taz aufgeführt: Militärisch würden ein paar deutsche Waffen nicht entscheidend dazu beitragen, die ukrainische Armee auf Augenhöhe mit der russischen zu bringen. Eine Lieferung hätte nur symbolischen Wert, der der Ukraine zwar ein gutes Gefühl vermitteln, die Chancen für eine diplomatische Lösung aber weiter schmälern würde – und die Gefahr einer Eskalation erhöhen.
Russlands Regierung tritt auf wie ein Schulhofschläger
Aber: Welche Unterstützung erhält die Ukraine alternativ zu militärischer Hilfe? Gespräche mit und Kompromissangebote an Russland sind zwar wichtig. Sie führen aber zu nichts, wenn der Westen nicht gleichzeitig glaubhaften Druck ausübt, sodass Moskau auch darauf eingeht. Bislang zumindest tritt die russische Regierung eher auf wie der Schulhofschläger, der seinen Willen unmittelbar erfüllt haben möchte und andernfalls für nichts garantiert.
Nötig ist eine konkrete Solidaritätserklärung in Richtung Ukraine: Der Westen muss aussprechen, welche nichtmilitärischen Strafmaßnahmen er zu ergreifen bereit wäre, falls sich Russland zu einer offenen Invasion entscheidet. Aus EU und Nato heißt es zwar schon jetzt mehrmals am Tag, dass es in dem Fall eine harte und geschlossene Antwort gäbe. Präzise spricht der Westen aber nicht aus, auf welche Strafen er sich für den Ernstfall geeinigt hat.
Zwei Argumente werden dafür aus den Regierungsparteien angeführt: aus der Ecke der Grünen, dass man einen taktischen Vorteil verspiele, wenn man seine Instrumente zu früh auf den Tisch legt. Aus der SPD, dass man das Gesprächsklima nicht mit offenen Drohungen weiter vergiften wolle.
Die russische Regierung aber, die Schwäche zuverlässig wittert, wird aus dem Fehlen eines eindeutigen Strafenkatalogs eine eigene Schlussfolgerung ziehen: Der Westen wird sich mal wieder nicht einig.
Eine Drohung, die Putin schmerzt
Da ist ja auch etwas dran, selbst wenn sich Olaf Scholz in dieser Woche zumindest ein Stückchen an das Bekenntnis herangerobbt hat, Nord Stream 2 im Fall der Fälle vielleicht doch zu beerdigen. Ganz offen aussprechen will er das aber weiterhin nicht.
Und vom Vorhaben, Russland im Kriegsfall vom internationalen Zahlungsverkehr und dem Swift-System auszuschließen, sind die westlichen Regierungen in dieser Woche schon wieder abgerückt. Zu groß ist die Sorge vor dem Rückschlag auf die eigene Wirtschaft. Auf eine Alternative konnte man sich aber auch noch nicht einigen. Eine Drohung, die Putin schmerzt, nicht militärisch ist und bitte auch nichts kostet? Viel Spaß bei der Suche!
Die Kosten: Sie sind vielleicht der entscheidende Punkt. Die Pandemie dauert an. Die Energiepreise sind hoch. Dazu noch mit Sanktionen drohen, die auch für Europa einen Preis hätten? Das wäre eine Herausforderung für die politische Kommunikation. Aber es ist hier wie mit den beiden anderen Großkrisen, Klima und Corona: Wer präventiv keine Kosten tragen möchte, erhält später eine umso höhere Rechnung. Ein Krieg in Europa wäre für niemanden billig.
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