Todesfälle durch Ecstasy: Keine Macht den Drogenirrtümern
Zwei Teenagerinnen sind an Ecstasy gestorben. Statt Verboten braucht es eine bedachte Legalisierung, eine kontrollierte Abgabe und mehr Hilfsangebote.
Zwei Teenagerinnen im Alter von 13 und 15 Jahren starben in den vergangenen Tagen am Konsum von zu hoch dosierten Ecstasy-Pillen mit dem Namen „Blue Punisher“. Weitere Jugendliche befinden sich nach einer Überdosis im Krankenhaus. Die mutmaßlichen Dealer werden strafrechtlich verfolgt, gegen einen Verdächtigen wurde Haftbefehl erlassen.
Die Fälle sorgen für große Empörung innerhalb der Gesellschaft, was daran liegen mag, dass beide Opfer minderjährig waren. In den sozialen Medien äußern Nutzer:innen großes Unverständnis für Drogenkonsum und fordern ein hartes Vorgehen gegen die verantwortlichen Dealer. Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen von der CDU behauptet, der Fall würde „auf dramatische Weise“ zeigen, warum der Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität so wichtig sei.
Die beiden Fälle lassen sich jedoch in eine Kette etlicher drogenbedingter Todesfälle in Deutschland einreihen: 2022 zählte man 1.990 Menschen, die an illegalen Drogen gestorben sind. Gleichzeitig sterben in Deutschland jährlich schätzungsweise 74.000 Menschen an Alkohol oder durch kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak. Nicht alle Toten durch illegale Drogen verstarben an einer Überdosis; ein großer Teil starb an Drogen-, insbesondere Heroinsucht über einen längeren Zeitraum oder anderen gesundheitlichen Problemen aufgrund regelmäßigen Drogengebrauchs.
Die Zahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht zuletzt, weil die Politik über Jahrzehnte wissenschaftliche Befunde zum Thema ignorierte und stattdessen die Schuld bei den Substanzen selbst, Konsument:innen oder Dealer:innen suchte. Tatsächlich sind nicht die Substanzen das Problem, sondern, dass sie unkontrolliert, gestreckt und verunreinigt an unaufgeklärte Konsument:innen verkauft werden, die bei Bedarf keine ausreichende Hilfe erhalten. Und das Gesundheitssystem gewährleistet keine ausreichende Gesundheitsversorgung für Menschen mit drogenbedingten Gesundheitsproblemen.
Schon lange Umdenken gefordert
Betroffenenverbände, Wissenschaftler:innen und Drogengebrauchende fordern seit Jahren in überwältigender Mehrheit ein Umdenken. Nämlich: Auf Strafverfolgung zu verzichten, auch harte Drogen bedacht zu legalisieren, Gesundheits- und Hilfsangebote zu verbessern, Drugchecking auszubauen und eine regulierte Abgabe von Partydrogen zu ermöglichen, zum Beispiel durch Apotheken, die geprüfte Stoffe zu festen Preisen verkaufen. Durch eine Legalisierung kann sowohl der Inhalt der Drogen als auch das Alter der Konsument:innen kontrolliert, der Schwarzmarkt ausgetrocknet und somit Schaden begrenzt werden.
Philine Edbauer von der drogenpolitischen Initiative My Brain My Choice beklagt, dass aktuell Konsument:innen mit ihren Problemen allein gelassen und sowohl der gelegentliche Gebrauch von harten Drogen als auch Drogensucht tabuisiert würden. „Viele trauen sich nicht, sich rechtzeitig Hilfe zu holen“, so Edbauer. Präventions- und Aufklärungsangebote sind bisher spärlich, obwohl eine Intensivierung der Strafverfolgung in der Vergangenheit nachweislich keine Drogentoten verhindert hat.
Bis heute werden Polizeibeamte an Schulen geschickt, um jungen Leuten zu erzählen, dass Drogen per se schlecht seien. Allerdings hat mehr Polizei, die in „kriminalitätsbelasteten“ Gebieten zur Verhinderung von Drogenhandel eingesetzt wurde, häufig höchstens zu einem Anstieg von racial profiling geführt und nicht dazu, das Drogenproblem zu lösen.
Progressive Drogenpolitik
Zumindest gibt es bereits verschiedene Möglichkeiten, den Inhalt von Drogen zu untersuchen. Über Apps können beispielsweise Dosierungen von Ecstasytabletten gecheckt werden. Auch Berlin stellt mit seinem neuen Drugcheckingprojekt – hier können Menschen anonym Substanzen etwa auf Überdosierung oder Verunreinigung analysieren lassen – einen Vorreiter in puncto progressiver Drogenpolitik dar.
Die Informationen, die durch kleinere Projekte und Initiativen wie My Brain My Choice, SONAR Berlin, den Nachtschattenpodcast und andere verbreitet werden, sind vorhanden. Sie müssten nur in eine klügere Drogenpolitik umgesetzt werden.
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