Streik bei der Deutschen Bahn: Eigentum verpflichtet

Die GDL bestreikt erneut den Staatskonzern Deutsche Bahn. In dem Tarifkonflikt muss endlich die Ampelkoalition ihrer Verantwortung gerecht werden.

Olaf Scholz schaut lächelnd zu Bahnchef Richard Lutz, er ihm eine Geschenkkarte zeigt

Gute Laune beim Führungspersonal der Bahn: Kanzler Olaf Scholz und Bahnchef Richard Lutz bei der Eröffnung des DB-Instandhaltungswerks in Cottbus Foto: Patrick Pleul/dpa

Es ist ja ganz hübsch, wenn Olaf Scholz bekundet, die Tarifautonomie hochhalten und sich deswegen nicht in den Konflikt der Deutschen Bahn mit der Lok­füh­re­r:in­nen­ge­werk­schaft GDL einmischen zu wollen. Bei anderen Unternehmen ließe sich nichts dagegen sagen, wenn der sozialdemokratische Kanzler in neutraler Pose erklärt, er wünsche sich konstruktive und schnelle Gespräche der Tarifparteien, damit der derzeitige Arbeitskampf nach Möglichkeit nicht allzu gravierende Auswirkungen für die Allgemeinheit habe.

Wer würde sich das nicht wünschen? Aber sorry, bei der Deutschen Bahn ist das nicht ausreichend. Es ist nicht akzeptabel, dass sich die Bundesregierung hier aus ihrer Verantwortung stiehlt.

Was die Deutsche Bahn von einem „normalen“ deutschen Unternehmen unterscheidet: Sie ist zwar formal als privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft organisiert, befindet sich jedoch vollständig im Eigentum des Bundes. Im Aufsichtsrat sitzen auf der Arbeitgeberseite Staats­se­kre­tä­r:in­nen des Finanz-, des Verkehrs- und des Wirtschaftsministeriums sowie Bundestagsabgeordnete der SPD, der Grünen und der FDP.

Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass es bislang immer noch nicht zu einem Austausch des nicht gerade erfolgreichen Führungspersonals des Staatskonzern gekommen ist, das sich gerade erst über rückwirkende Millionenboni für was auch immer freuen durfte. Die Re­gie­rungs­ver­tre­te­r:in­nen dürfen es sich nicht so einfach machen, wenn es um das Wohl der Beschäftigten geht, die keine Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen sind.

Die Ampelkoalition und ihre Ver­tre­te­r:in­nen im Aufsichtsrat tragen eine nicht geringe Mitverantwortung dafür, dass bis zum kommenden Montag Millionen Bürgerinnen und Bürger dramatisch in ihrer Mobilität eingeschränkt sein werden. Denn sie hätten eingreifen können und müssen.

Dass die GDL nun bereits zum vierten Mal in der aktuellen Tarifrunde zum Streik bläst, war völlig absehbar. GDL-Chef Claus Weselsky hat recht, wenn er dem Bahnvorstand eine „Veralberungstaktik“ vorwirft. Dessen Angebote bewegen sich nach wie vor besonders für die Schlechterverdienenden eindeutig unter dem Abschluss mit der konkurrierenden EVG im vergangenen Jahr – auch wenn mit virtuosen Rechentricks so getan wird, als wäre dem nicht so. Das ist schlicht unernst. Was auch für die Pseudoarbeitszeitverkürzung gilt, die der GDL ab 2026 unter Vorbehalt offeriert wird.

Bahn verpulvert Millionen an Euro

Das Ziel des Bahnvorstands scheint nicht zu sein, einen tragfähigen Tarifvertrag zu erreichen, sondern – mal wieder – die renitente GDL kleinzukriegen. Dafür verpulvert der Konzern Millionen an Euro, die ihm durch die Streiks an Einnahmen verloren gehen. Und er treibt sein Spielchen auf dem Rücken der Menschen, die auf die Bahn angewiesen sind.

Dieser massive Ausstand jetzt hätte verhindert werden können, wenn über den Aufsichtsrat rechtzeitig Druck auf den Bahnvorstand gemacht worden wäre, damit endlich aufzuhören und ein ernsthaftes Angebot vorzulegen. Es ist ein Versagen der Ampelkoalition, das bisher unterlassen zu haben. Sie sollte das schnellstens nachholen. Es wäre also an der Zeit, dass sich Olaf Scholz hier mal endlich einmischt.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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