GDL streikt sechs Tage: Langes Wochenende für Bahnreisende

Ab Mittwoch um 2 Uhr will die Lokführergewerkschaft GDL sechs Tage lang den Personenverkehr bestreiken. Es ist der bisher längste Bahnstreik.

Tauben auf einem Bahngleis.

Wenn die Lok­füh­re­r:in­nen streiken geht nicht mehr viel – außer Tauben auf den Gleisen, hier im Bahnhof Bochum Foto: Svenja Hanusch/imago

BERLIN taz | Bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) scheint derzeit sogar noch sonntags bis tief in die Nacht gearbeitet zu werden. Ihre Mitteilung verschickte die renitente Ar­beit­neh­me­r:in­nen­ver­tre­tung jedenfalls zu einer ungewöhnlichen Zeit, um 2:08 Uhr am frühen Montagmorgen. Sie ist ein Paukenschlag: Von Mitte der Woche an soll sechs Tage lang die Deutsche Bahn bestreikt werden.

Im Güterverkehr beginnt der Ausstand bereits am Dienstag um 18 Uhr. Ab Mittwochmorgen um 2 Uhr soll dann auch der Personenverkehr lahmgelegt werden. Erst am Montag um 18 Uhr wollen die Lokführer:innen, Zug­be­glei­te­r:in­nen und sonstigen Bahnbeschäftigten, die in der GDL organisiert sind, wieder die Arbeit aufnehmen. Die Deutsche Bahn kündigte einen Notfahrplan an, der jedoch nur ein sehr begrenztes Zugangebot im Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr absichern könnte.

Mit ihrer Streikankündigung verschärft die GDL noch einmal massiv ihre Gangart im Konflikt mit dem Staatskonzern. Seit dem Start der aktuellen Tarifrunde im Herbst vergangenen Jahres hatte sie bereits im November und Dezember jeweils eintägig gestreikt, im Januar folgte ein dreitägiger Ausstand. Nun sollen es also fast sechs Tage sein.

Die Deutsche Bahn reagierte erwartungsgemäß mit Unverständnis auf das Vorgehen der GDL. „Das Gebot der Stunde ist es, Verantwortung zu übernehmen und endlich wieder zu verhandeln“, sagte Bahnpersonalchef Martin Seiler am Montag. Sein Unternehmen biete der Gewerkschaft einen „überdurchschnittlichen Gehaltsabschluss und eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Gehalt“. Alles liege jetzt auf dem Tisch. Der Bahnvorstand sei „zu jeder Zeit und an jedem Ort verhandlungsbereit“ und habe bereits „große Zugeständnisse“ gemacht, so Seiler. Die GDL sei aber „nicht einmal bereit zu verhandeln“.

GDL-Chef Claus Weselsky warf hingegen dem Bahnvorstand eine „Veralberungstaktik“ vor. Das vermeintlich verbesserte Angebot vom vergangenen Freitag habe nur gezeigt, dass die Konzernoberen ihren bisherigen Verweigerungs- und Konfrontationskurs unverdrossen weiterverfolgen würden. Personalvorstand Seiler würde tricksen und täuschen. Daher müsse sich Seiler „langsam die Frage stellen, ob er als Verhandlungsführer überhaupt geeignet ist“, sagte Weselsky am späten Montagvormittag vor Jour­na­lis­t:in­nen in Berlin. Seine Gewerkschaft werde erst wieder verhandeln, „wenn klar ist, dass dieser Bahnvorstand mit uns in Verhandlungen eintritt über alle Elemente, die wir gefordert haben“.

Das neue Angebot, das der Bahnvorstand am Freitag der GDL unterbreitet hat, sieht eine Lohnerhöhung ab August von 4,8 Prozent vor, im April 2025 sollen noch einmal 5 Prozent hinzukommen. Zusätzlich soll es eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.850 Euro geben. Damit bleibt auch dieser Vorschlag weiterhin deutlich unter dem Abschluss, auf den sich der Konzern im vergangenen Sommer mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verständigt hatte. Der sieht neben der Inflationsausgleichsprämie eine pauschale monatliche Lohnsteigerung um 410 Euro in zwei Stufen vor – was im Schnitt eine rund elfprozentige Lohnerhöhung bedeutet. In der EVG war die Tarifeinigung per Schlichterspruch umstritten: Nur 52,3 Prozent der bei der Bahn beschäftigten EVG-Mitglieder stimmten in der Urabstimmung dafür.

Leerer Hauptbahnhof Hamburg.

So leer und ruhig ist der Hamburger Bahnhof nur während eines Bahnstreiks Foto: Hanno Bode/imago

Anders als die EVG will die GDL in dieser Tarifrunde neben Entgeltsteigerungen auch noch eine Senkung der Wochenarbeitszeit für Schicht­ar­bei­te­r:in­nen erreichen. Bei diesem großen Streitpunkt zeigt sich der Bahnvorstand mittlerweile bereit, Lok­füh­re­r:in­nen und Zugpersonal unter Umständen zu ermöglichen, ab dem 1. Januar 2026 ihre Wochenarbeitszeit ohne Gehaltsverlust von 38 auf 37 Stunden pro Woche zu reduzieren.

Dafür müssten sie dann jedoch auf eine zu diesem Zeitpunkt vorgeschlagene weitere Lohnerhöhung um 2,7 Prozent verzichten. Die Wahloption steht zudem unter dem Vorbehalt, dass genügend Lok­füh­re­r:in­nen und Zugpersonal an Bord sind. Falls das nicht der Fall sein sollte, fiele die Wahloption weg. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll nach den Bahnvorstellungen bei 32 Monaten liegen. Der Tarifvertrag mit der EVG läuft hingegen nur 25 Monate.

Die GDL forderte ursprünglich 555 Euro mehr pro Monat, eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro sowie die Absenkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich für Schicht­ar­bei­te­r:in­nen. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll nach ihren Vorstellungen 12 Monate betragen.

Wobei die Gewerkschaft inzwischen bereits etliche Tarifabschlüsse mit kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen abgeschlossen hat, die aufzeigen, wie auch ein Kompromiss mit der Deutschen Bahn aussehen könnte. So einigte sich die Gewerkschaft in der vergangenen Woche unter anderem mit der Abellio Rail Mitteldeutschland, der WestfalenBahn sowie der AKN Eisenbahn auf eine schrittweise Arbeitszeitabsenkung hin zur 35-Stunden-Woche ohne Lohnkürzung für Schichtarbeiter ab 1. Januar 2025, eine Lohnerhöhung um 420 Euro in zwei Schritten, auf eine deutliche Zulagenerhöhung sowie auf eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro.

Die Abschlüsse mit den insgesamt 18 Bahnkonkurrenten, die rund 10.000 Beschäftigte betreffen, haben allerdings einen Haken: Sie stehen unter einem Wettbewerbsvorbehalt. Wie Weselsky ungewohnt schmallippig am Montag einräumen musste, sind sie abhängig vom Tarifabschluss bei der Deutschen Bahn. Das heißt, wenn die GDL einen schlechteren Abschluss mit dem Staatskonzern erzielt, verschlechtern sich auch die Tarifverträge mit den anderen Unternehmen.

Kanzler Scholz ließ mitteilen, er wünsche sich „natürich konstruktive und schnelle Gespräche“

Das dürfte die Tarifverhandlungen ebenso erschweren wie das Problem des Bahnvorstands, es sich nicht leisten zu können, der GDL mehr zuzugestehen als der wesentlich größeren EVG. Vor diesem Hintergrund scheint eine Verständigung noch lange nicht in Sicht.

Die Deutsche Bahn hat angekündigt, nicht juristisch gegen den anstehenden Ausstand vorzugehen. Sie werde „keine Rechtsmittel einlegen“, erklärte ein Konzernsprecher am Montag. „Eine einstweilige Verfügung zu erwirken, ist nach rechtlicher Prüfung aktuell nicht geplant.“

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte im ZDF-Morgenmagazin, er habe „null Verständnis für diese Form der Tarifauseinandersetzung“. Seiner Meinung nach nimmt der Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL zunehmend destruktive Züge an. „Ich glaube auch nicht, dass Herr Weselsky sich und seiner Gewerkschaft mit diesem Stil einen Gefallen tut“, fügte Wissing hinzu. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ über seinen Regierungssprecher mitteilen, er wünsche sich „natürlich konstruktive und schnelle Gespräche, auf dass die Tarifauseinandersetzungen nach Möglichkeiten in ihren Auswirkungen beschränkt bleiben für die Öffentlichkeit“. Der Kanzler werde sich in die Auseinandersetzung zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht einmischen. Die Bundesregierung ist über diverse Staatssekretäre im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn vertreten.

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