GDL-Streik bei der Deutschen Bahn: Weselsky gibt sich unerschütterlich

Eine Lösung des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ist weiter nicht in Sicht. Der GDL-Chef wirft dem Bahnvorstand „Arroganz der Macht“ vor.

GDL-Chef Claus Weselsky steht auf einer Kundgebung in Dresden

GDL-Chef Claus Weselsky bei einer Kundgebung der GDL vor dem Dresdner Hauptbahnhof Foto: Robert Michael/dpa

DÜSSELDORF taz/dpa/afp | Am vierten Streiktag gibt sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) weiter kämpferisch. „Es muss Schluss sein mit Scheinangeboten“, sagte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am Freitag auf einer Kundgebung in Dresden. Er „wünsche vor allem nicht unseren Fahrgästen, dass irgendjemand ausloten will, wie lange wir als GDL durchhalten“.

Dem Bahnvorstand warf Weselsky eine „Arroganz der Macht“ vor und titulierte ihn als „Nieten in Nadelstreifen“. Während die Top­ma­na­ge­r:in­nen im Frühjahr des vergangenen Jahres die Grundgehälter um 14 Prozent erhöht bekommen hätten und anschließend auch noch Millionenboni hätten einstreichen können, seien sie immer noch nicht bereit, auf die Gewerkschaft zuzugehen. „Tricksen, täuschen, Taschen füllen – das ist deren Slogan“.

Trotz erheblicher Auswirkungen für Reisende und Pendler verteidigte Weselsky den laufenden Bahnstreik. Arbeitskampf für bessere Einkommens- und Arbeitsbedingungen sei weder unanständig noch kriminell. „Ich erlebe Disziplin auf breiter Front“, zog er in der Rheinischen Post vom Freitag eine positive Zwischenbilanz. „Die Stimmung ist exzellent.“

Außerdem gebe es Solidarität mit den Ei­sen­bah­ne­r:in­nen in der Bevölkerung: „Viel mehr Kunden haben Verständnis für den Streik, als mancher behauptet“, sagte Weselsky. „Wir werden diesen Streik erfolgreich zu Ende bringen, und dann schauen wir, was passiert.“ Gebe es keine Bewegung seitens der Bahn-Spitze, „werden wir wieder streiken. Und dann vielleicht noch länger.“

Die GDL ist inszwischen von ihren Ursprungsforderungen abgerückt und hat dem Bahnvorstand angeboten, ihre Tarifabschlüsse mit mehreren kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Grundlage neuer Verhandlungen zu machen. Das würde eine Erhöhung des monatlichen Grundgehalts in zwei Stufen um insgesamt 420 Euro sowie eine Verringerung der Wochenarbeitszeit für Schicht­ar­bei­te­r:in­nen in vier Stufen bis 2028 von 38 auf 35 Stunden ohne Lohnverlust bedeuten. Hinzu käme eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrags würde 24 Monate betragen.

Demgegenüber bietet die Deutsche Bahn bislang eine Lohn­erhöhung um 4,8 Prozent ab August 2024 und weitere 5 Prozent ab April 2025 an. Außerdem solle es „so schnell wie möglich“ eine Inflationsaus­gleichs­prämie in Höhe von 2.850 Euro geben. Zum 1. Januar 2026 sollen die Lok­füh­re­r:in­nen und das Zugpersonal dann zwischen einer weiteren Lohnerhöhung um 2,7 Prozent oder einer Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 37 Stunden wählen können. Allerdings steht die angebotene Stundenreduzierung „unter dem Vorbehalt, dass dann genügend Lok­füh­re­r:in­nen und Zugpersonal an Bord sind“. Die Laufzeit soll 32 Monate betragen.

Scharfe Kritik an Rufen nach Einschränkung des Streikrechts

Vorwürfe, die GDL verursache mit ihrem Ausstand einen erheblichen wirtschaftliche Schaden, wies Weselsky zurück. „Das ist doch Unfug. Für den angeblichen, wirtschaftlichen Schaden sind nicht wir, sondern ist das Bahn-Management verantwortlich.“ Auch kritisierte er Forderungen nach einer Verschärfung des Streikrechts. Es sei „unverfroren“, die Rechte der Ar­beit­neh­me­r:in­nen beschneiden zu wollen, nur weil sie für bessere Arbeitszeiten und ein höheres Einkommen kämpfen würden. „Wir werden beim Streikrecht kein einziges Zugeständnis machen. Dann wären wir doch bescheuert“, sagte er der Rheinischen Post.

In der Bild-Zeitung hatte der Unionsfraktionsvize Jens Spahn der GDL vorgeworfen, ihr Verhalten „grenzt an Erpressung und muss schnellstens enden“. Zugleich forderte der CDU-Politiker ein neues Streikrecht für die kritische Infrastruktur des Landes – dort müsse vor Streiks ein Schlichtungsverfahren zur Pflicht werden.

Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter. „Wir brauchen Spielregeln für faire, nicht das ganze Land in Geiselhaft nehmende Arbeitskämpfe“, sagte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete am Freitag im Deutschlandfunk. Kampeter forderte, „dass der Gesetzgeber sich Gedanken darüber macht, ob er die Verhältnismäßigkeit gesetzlich definiert, ob er Schlichtungsverpflichtungen kodifiziert, ob er Regeln macht, die insbesondere Warnstreiks umfassen“.

Wenn gerade in der Union über eine Einschränkung des Streikrechts nachgedacht werde, sei das „bezeichnend“, entgegnete Weselsky. „Denn es war die CDU, die die Bahn im Privatisierungswahn mit heruntergewirtschaftet hat“, so das CDU-Mitglied. Die Union habe zu verantworten, dass aus der Bahn ein marodes Unternehmen geworden sei, „das nicht in der Lage ist, seine Kunden pünktlich an die Zielorte zu bringen“. Dafür seien nicht die Ar­beit­neh­me­r:in­nen verantwortlich.

Einer Schlichtung des Tarifkonflikts erteilte Weselsky zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage. „Bisher sehe ich die nicht. Ich lehne eine Schlichtung auch genauso lange ab, wie Personalvorstand Seiler es ablehnt, mit mir Tarifverträge über andere Berufsgruppen im Konzern zu schließen.“ Die GDL bestreikt seit Dienstagabend den Güterverkehr und seit Mittwochmorgen den Personenverkehr der Deutschen Bahn. Der Ausstand soll erst am kommenden Montagabend enden und wäre damit der längste GDL-Streik in der Geschichte der Bahn.

Rekordentschädigungszahlungen

Unterdessen teilte die Deutsche Bahn am Freitag mit, dass sie ihren Fahrgästen im vergangenen Jahr eine neue Rekordsumme an Entschädigungen wegen Zugausfällen und Verspätungen ausgezahlt hat. Laut den Angaben des Unternehmens wurden 2023 rund 5,6 Millionen Anträge auf Entschädigung bearbeitet und insgesamt 132,8 Millionen Euro ausgezahlt. Im Jahr 2022 waren es 3,8 Millionen Anträge und 92,7 Millionen Euro an Entschädigungen – das war bereits ein Rekord.

Die Bahn nannte mehrere Gründe für die gestiegene Zahl an Anträgen und ausgezahlten Beträgen. Das liege zum einen an „gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegenen Reisendenzahlen“ und zum anderen an einer „Rekordzahl von kurzfristigen Baustellen“. Mittlerweile würden rund 75 Prozent der Fernverkehrszüge auf ihrer Fahrt durch mindestens eine Baustelle „ausgebremst“, erklärte ein Sprecher.

Die Bahn verwies außerdem auf mehrere Sonderereignisse im vergangenen Jahr, die ebenfalls zu den hohen Summen beigetragen hätten. Das bezog sich auf die beiden Streiktage der EVG im März und April sowie die jeweils eintägigen Warnstreiks der GDL im November und Dezember, vor allem jedoch auf die Wintereinbrüche im Dezember. Auch der aktuelle sechstägige Streik der GDL dürfte sich deutlich auf die Entschädigungssummen auswirken. Fahrgäste können bei ausgefallenen und verspäteten Zügen ihren Ticketpreis ganz oder teilweise zurückverlangen.

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