Rettung der Meyer Werft: Keine gute Nachricht

Mit 400 Millionen Euro stützt der Staat die Meyer Werft in Papenburg. Damit setzen der Bund und das Land Niedersachsen gleich mehrere falsche Signale.

Vor einem Dock mit der Aufschrift "Jos. L. Meyer Papenburg" liegt ein Kreuzfahrtschiff im Wasser

Zu tief im Land, zu tief in den Miesen: Meyer Werft an der Ems – oder daran, was davon noch übrig ist Foto: Sina Schuldt/dpa

Die Meyer Werft in Papenburg ist gerettet. Eine gute Nachricht ist das nicht. Die 400 Millionen Euro, die der Bund und Niedersachsen investieren, nehmen sich in Zeiten von Bazooka und Doppelwumms zwar bescheiden aus. Aber der Staat setzt damit gleich mehrere falsche Signale.

Als erstes wäre da Meyers Behauptung, das Unternehmen befinde sich in einer unverschuldeten temporären Schieflage: Durch den Nachfrageeinbruch infolge der Coronakrise sei das Unternehmen in jene Cash-Flow-Problematik geraten, die noch in dieser Woche zur Zahlungsunfähigkeit führen würde.

Doch das Lied von der Liquiditätskrise ist bestenfalls die halbe Wahrheit: Meyer hat Kreuzfahrtschiffe zu Preisen angeboten, für die sie nicht zu bauen sind. Wenn der Staat nun frisches Geld nachschießt, ist das wie eine verdeckte, nachträgliche Subvention zu Lasten von anderen Werften.

Das liege alles an diesem bösen Ukraine­krieg und den explodierten Stahlpreisen, sagen sie in Papenburg. Schwankende Rohstoffpreise aber müssten bei so langfristigen Aufträgen wie im Schiffbau eingepreist sein – oder durch entsprechende Klauseln im Kaufvertrag abgesichert. Rohstoffe machen außerdem gerade in so spezialisierten Branchennischen im Vergleich zu den – der Inflation hinterherhinkenden – Löhnen nur einen kleinen Teil der Kosten aus.

Jetzt geht es doch ohne privaten Investor

Meyer hat schwere Managementfehler gemacht. Normalerweise stehen in Familienbetrieben die Eigentümer für so etwas gerade, mit ihrem Vermögen, das sich aus früheren Gewinnen speist – oder sie gehen pleite. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte extra darauf gepocht, dass neben dem Staat noch ein privater Investor einsteigt – als Indikator für eine zu erwartende Rentabilität. Als Notlösung hätte man auch den geschäftsführenden Gesellschafter Bernard Meyer selbst als „Investor“ akzeptiert. Nun ist die Forderung offenbar vom Tisch.

Wie es um Meyers finanzielle Lage steht, ist auch nicht bekannt. Schließlich hat das Unternehmen eigens seinen Sitz nach Luxemburg verlegt, um den deutschen Mitbestimmungsregeln zu entgehen – und den schrecklich hohen deutschen Steuern. Der derart düpierte deutsche Staat muss den Schiffbauer nun retten. Natürlich nicht ohne ein Sanierungsprogramm zu fordern. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wer dazu den Löwenanteil beitragen muss: die Beschäftigten.

Wenn es schon betriebswirtschaftlich übel aussieht, wird es volkswirtschaftlich noch viel schlimmer: Um Meyer das Bauen von immer größeren Ozeanriesen tief im Binnenland zu ermöglichen, haben Land und Bund für Hunderte Millionen Euro die Ems ausgebaut, ein Sperrwerk geschaffen, mit dem der Fluss nach jedem Stapellauf tagelang aufgestaut wird. Im Ergebnis ist er ökologisch praktisch tot. Bezifferte man diesen Schaden, ginge er vermutlich in die Milliarden. Die kosmetischen Reparaturmaßnahmen, die der derzeitige Masterplan Ems vorsieht, werden etwas günstiger.

Nicht zuletzt baut die Meyer Werft die Hardware für Tourismus in seiner neben Kurzstreckenflügen umweltschädlichsten Form – von dem im Übrigen kaum Geld in den Destinationen hängen bleibt.

Tourismus in seiner umweltschädlichsten Form

Niedlich auch das Argument der Grünen, die Meyer-Tochter Neptun könne in Wismar doch so schöne Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks bauen. Dafür hätte man nun wirklich nicht den Kreuzfahrt-Dinosaurier am Leben erhalten müssen. Wäre er Konkurs gegangen, dann hätte sich sicher ein Investor gefunden, der Neptun aus der Insolvenz­masse kauft – wenn die Auftragslage so gut ist wie behauptet. Zur Not hätte der Staat wegen erwiesener Systemrelevanz immer noch hier einspringen können, vermutlich für sehr viel weniger Geld.

Warum also wird der ganze Konzern gerettet? Es ist ein Folgefehler: Der Bund bürgt bereits für Aufträge in Höhe von 19 Milliarden Euro. Die hätte er im Konkurs-Fall abschreiben müssen.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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