Rentner beleidigt Habeck: Beleidigung hat Grenzen
Ein Rentner bekommt Besuch von der Polizei, weil er Vizekanzler Habeck als „Schwachkopf“ betitelt hat. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Eine Hausdurchsuchung, die vor einer Woche bei dem 64-jährigen bayerischen Rentner Stefan Niehoff stattfand, sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Grund für die Aufregung: Niehoff hatte zuvor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als „Schwachkopf“ bezeichnet.
Zwei Polizisten der Kriminalpolizei Schweinfurt kamen morgens kurz nach 6 Uhr und beschlagnahmten das Tablet von Niehoff. Mit dabei waren Niehoffs Frau und seine 33-jährige Tochter, die das Downsyndrom hat. Über die Durchsuchung hatte zunächst das rechte Hetzportal nius berichtet. Die Staatsanwaltschaft Bamberg bestätigte den Vorgang am Freitag.
Gegen Niehoff wird aus zwei Gründen ermittelt. Zum einen soll er auf seinem X-Account IchbinsFeinet ein Meme mit einer verfremdeten Werbung des Haarpflege-Herstellers Schwarzkopf gepostet haben. Unter einem Foto von Habeck stand „Schwachkopf Professional“. Die Staatsanwaltschaft wertet dies als „Beleidigung von Personen des politischen Lebens“ gem. Paragraf 188 Strafgesetzbuch (StGB).
Zum anderen soll der Rentner eine Volksverhetzung begangen haben, indem er Boykott-Aufrufe gegen den Unternehmer Theo Müller (Müller-Milch) wegen seiner Nähe zur AfD-Chefin Alice Weidel mit dem Juden-Boykott der Nazis gleichsetzte („Hatten wir alles schonmal“).
Arschloch, Idiot – Schwachkopf
Die Wohnungsdurchsuchung wurde mit beiden Ermittlungen begründet. So fand die Durchsuchung einerseits im Rahmen des 11. bundesweiten Aktionstags des Bundeskriminalamts gegen strafbare Hasspostings im Internet statt, diesmal mit Schwerpunkt Antisemitismus. Allein in Bayern wurden im Rahmen des „Aktionstags gegen judenfeindliche Straftaten“ 18 Durchsuchungen durchgeführt. Dabei ging es offensichtlich um die Volksverhetzung. Doch auch wegen der Beleidigung lag laut Staatsanwaltschaft ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor.
Robert Habeck hatte wegen der Bezeichnung als „Schwachkopf“ Strafantrag gestellt. Das Delikt der Beleidigung wird von der Rechtsprechung als „Verletzung der Ehre durch Kundgabe der eigenen Missachtung“ definiert. Typische Beleidigungen sind die Bezeichnung als „Arschloch“ oder „Idiot“. Insofern dürfte auch die Bezeichnung als „Schwachkopf“ eine Beleidigung sein.
Zwar ist das Bundesverfassungsgericht großzügig bei polemischen Äußerungen im politischen Meinungskampf. Zuletzt stellte das Bundesverfassungsgericht aber mehrfach klar, dass Politiker:innen zwar mehr aushalten müssen als andere, aber eben auch nicht alles. Eine Bereitschaft zum Engagement in Staat und Gesellschaft könne nur erwartet werden, wenn auch ein „hinreichender Schutz“ der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.
GroKo hatte Strafen verschärft
Bei einer Beleidigung droht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder Geldstrafe. Seit einer Strafverschärfung der großen Koalition 2021 steigt die Höchststrafe bei „öffentlicher“ Begehung (inklusive Internet) auf zwei Jahre und wenn das Opfer eine „Person des politischen Lebens“ ist auf drei Jahre.
Mit dem Strafantrag erklärte Habeck zwar, dass er eine Strafverfolgung wegen des Schwachkopf-Memes wünscht. Ob dabei eine Hausdurchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln erforderlich ist, entschied aber nicht Habeck, sondern allein Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter.
Eine Durchsuchung ist bei Beleidigungen auch nicht die Regel. Dass gegen den Rentner Niehoff zugleich wegen Volksverhetzung ermittelt wird, konnte Habeck wohl kaum wissen. Ebenso wenig konnte er damit rechnen, dass Niehoffs mutmaßliche Volksverhetzung im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags gegen Antisemitismus aufgegriffen wird.
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