Rechtes Gedankengut bei Naturschützern: Ökos mit Anfälligkeit für rechts
Spielen rechtsextreme Positionen bei Naturschützern eine Rolle? Eine Befragung an Studiengängen zu Umwelt- und Naturschutz liefert eine Antwort.
Erstmals befragten die Forscher*innen gezielt Studierende von Studiengängen wie Wald- und Forstwirtschaft, nachhaltiges Wirtschaften oder Landschafts- und Naturschutz. In die Arbeit ein gingen Antworten von 804 Studierenden an 34 Hochschulen. Dabei seien „problematische Einstellungstendenzen deutlich geworden, die sehr ernst zu nehmen und nicht zu verharmlosen sind“, sagt Lukas Nicolaisen, Leiter von FARN.
Allianzen von ökologisch Bewussten und rechtsextrem Bewegten gibt es nicht erst seit den Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen. Naturschutzverbände bemühen sich immer wieder um Distanz.
Knapp 30 Prozent der für die Studie Befragten wussten um rechtsextreme und/oder rechtspopulistische Akteur*innen an ihren Einrichtungen. Sie berichteten von teils gewalttätigen Stör- und Sabotageversuchen einzelner Personen oder Gruppierungen des neurechten Spektrums, die der Identitären Bewegung, der Jungen Alternative für Deutschland und einschlägigen Burschenschaften zuzurechnen seien.
Rechte interessieren sich für Umwelt- und Heimatschutz
Zuletzt hat sich dieses Spektrum verstärkt für Umwelt-, Tier-, Heimat- und sogenannten Volksschutz eingesetzt. Seit 2020 erscheint aus der Szene heraus die Zeitschrift für Naturschutz Die Kehre. In einem Interview mit dieser führt etwa der thüringische AfD-Landtagsfraktionsvorsitzen-de Björn Höcke aus, dass es ein „Treppenwitz und Unglück zugleich“ sei, „dass ausgerechnet“ die Grünen das „Thema Natur- und Umweltschutz restlos gekapert“ hätten.
Die rechten Ressentiments sind keine rein studentische Angelegenheit. Positive Bezüge würden ebenso von Dozierenden und Gastdozierenden aus dem rechtsesoterischen Milieu forciert, heißt es in der Studie. 15 Prozent der Befragten gaben an, „im Studium mit menschenfeindlichen und extrem rechten Positionen“ konfrontiert zu sein. Die Hälfte der Äußerungen kämen von Studierenden, gut 30 Prozent von Dozierenden. Vorderste Motive seien verschiedene Formen von Rassismus in Kombination mit der Annahme einer „Überbevölkerung“ und sozialdarwinistischen Positionen.
Bei Fragen zu ihrer eigenen Einstellung zeigten die Befragten eine starke Ambivalenz. 55 Prozent stimmten eher oder voll und ganz zu, dass Hauptursache für viele Umweltprobleme eine Überbevölkerung sei. 30 Prozent fanden eher oder voll und ganz, dass Verhütungskampagnen in ärmeren Ländern mit hohen Geburtenraten eine gute Maßnahme für globalen Umweltschutz seien. Die Einschätzung, dass Menschen, Tiere und Pflanzen gleichwertig seien und so behandelt werden sollten, teilten 70 Prozent. Mehr als die Hälfte meinte, die Natur zeige, was für Menschen und das Zusammenleben richtig sei.
Hier sehen FARN und diversu e. V. Diskussionsbedarf. Die „Annahme, es gäbe dem gesellschaftlichen Zusammenleben und den Menschen zugrunde liegende ursprüngliche Gesetzmäßigkeiten, die maßgeblich von der Natur vorgegeben seien und aus der sich spezifische Wahrheiten ableiten ließen“, sei dem Rechtsextremismus „inhärent“, heißt es.
Fehleinschätzung
In der Studie verorteten sich 85 Prozent der Befragten „überwiegend links der sogenannten Mitte“, knapp 95 Prozent waren der Meinung, „Herausforderungen der Umweltkrise dürfen nicht zu einem Abbau von demokratischen Strukturen führen, und bei der Bewältigung von Umweltproblemen sollen Positionen von Minderheiten und strukturell benachteiligten Menschen mehr Beachtung“ finden. 31 Prozent sagten, es sei ihnen egal, warum sich Menschen für Umweltbelange einsetzten. Den „Einsatz von extrem Rechten für den Natur- und Umweltschutz“ halten 61 Prozent „für Taktik“.
Eine Fehleinschätzung, glauben die Forscher*innen, die daher stammen könne, dass die Lehre rechte Positionen der ökologischen Vordenker kaum reflektiere. Christine Katz von diversu e. V. betont: „Die Umfrage macht sichtbar, dass – und zum Teil welche – Anknüpfungspunkte für antidemokratisch, populistisch und rechtsideologisch gefärbte Positionen in vermeintlich wertneutralen, faktenbasierten natur- und umweltwissenschaftsbezogenen ‚grünen‘ Studiengängen bestehen“. Es fehle an einer Auseinandersetzung über die Entstehung, Strukturierung und Verfasstheit westlicher wissenschaftlicher Erkenntnis und ihrer Institutionen. Damit benennt sie gleich mögliche Konsequenzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind