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Rebellion der Jungen UnionAlle Räder stehen still, wenn dein Tennisarm es will

Die Junge Union blockiert das Rentenpaket der Bundesregierung. Gut so! Sonst wird sich auch die nächsten Jahre nichts verändern.

Pascal Reddig, Vorsitzender der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, bei seiner Rede beim Deutschlandtag 2025 Foto: Chris Emil Janssen/imago

G rößte Enttäuschung der Woche: Wenn man über 35 Jahre alt ist, darf man nicht mehr Mitglied bei der Jungen Union werden. Schade! Denn wer würde nicht gern Teil der rebellischsten ­Jugendbewegung des Landes sein?

Selten hatten junge Menschen so viel Macht wie die 18 Abgeordneten der Jungen Union, die das Rentenpaket der Bundesregierung blockieren. SPD und Union sind verwirrt: Wie jetzt, die haben ihren eigenen Willen? Kann man die nicht zum Dienst am greisen Vaterland zwingen? Hat bei Coronamaßnahmen und dem Wehrdienst doch auch geklappt.

Die jungen Rebellen befürchten, dass die gesetzliche Rente zu teuer wird. Erwarten Sie bitte keine Abhandlung zur Haltelinie und dem Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel, dafür müssen Sie eine Seite zurückblättern. Inhaltlich spricht einiges dafür, dass sich die jungen Wilden mit der Haltelinie nicht den allersinnvollsten Punkt für ihren Protest herausgegriffen haben. Aber Wut ist selten rational und strategisch. Und wer, wenn nicht eine Jugendbewegung, hat das Recht, über das Ziel hinauszuschießen.

Rentenpolitik, das ist in erster Linie keine Debatte über komplizierte Formeln, sondern ein emotionales Thema: Es geht um Solidarität, um die Frage, ob Anstrengung sich lohnt, um Generationengerechtigkeit. Aus diesem Grund fragen sich nicht nur Menschen unter 35 Jahren, für wen die schwarz-rote Koalition gerade Politik macht. Das geplante Rentenpaket sieht auch die Mütterrente vor, die man aus Gerechtigkeitsgründen richtig finden kann, aber Milliarden mit der Gießkanne ausschüttet, sowie die sogenannte Aktivrente, die Mitnahmeeffekte produziert und Selbstständige benachteiligt.

wochentaz

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Es ist paradox: Man ist sich einig, dass es so nicht weitergehen kann mit der Rente, und schnürt ein Gesetzespaket, mit dem fast alles bleibt wie bisher, außer, dass es noch teurer wird. Gut, dass die Jungen in der Union diese Verlogenheit offenlegen.

SPD und Union beteuern, dass eine große Rentenreform dann in einer Kommission vorbereitet wird. Ganz bestimmt. Wir kennen das Schicksal solcher Kommissionen: Die Ampelkoalition berief eine zur Reform des Abtreibungsparagrafen, die Merz-Regierung eine nach dem hektischen Aussetzen der Schuldenbremse. Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe eine Kommission. Wenn die jungen Abgeordneten dem Rentenpaket jetzt zustimmen, wird es über Jahre keine Änderungen geben.

Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt für eine echte Rentenreform als jetzt. Eine, die Gutverdiener wie Ärzte, Abgeordnete und Beamte in die gesetzliche Rentenkasse zwingt. Die Mindestrenten müssen erhöht werden, hohe Pensionen und Renten sinken. Wer sich außerhalb der Ferienzeiten auf deutschen Flughäfen umschaut, weiß, dass es vielen Rentnern ziemlich gut geht. Arme Menschen dagegen kriegen wenig Rente für kurze Zeit, weil sie früh sterben. Reiche Rentner sind gesund und bekommen in Zukunft fast so viele Jahre Rente, wie sie eingezahlt haben. Das ist nicht fair.

Mehr Umverteilung, das wäre dann wohl nicht mehr im Sinne der Jungen Union. Aber die ist notwendig, um die Akzeptanz in das ­Solidarsystem zu erhöhen.

Um solch eine echte Rentenreform zu erzwingen, müssen die jungen Abgeordneten nun standhaft bleiben. Das wird nicht leicht, denn sie werden erpresst. Mit der Drohkulisse, die Regierung könnte am Rentenstreit zerbrechen, und mit dem Totschlagargument der Leitartikler: davon profitiert am Ende nur die AfD. Nur, faule Kompromisse haben bisher auch nicht geholfen.

Deswegen, liebe Jungen in der Union: Haltet durch! Alle Räder stehen still, wenn dein ­Tennisarm es will.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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8 Kommentare

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  • Menschen bis 35 als "Teil einer Jugendbewegung" zu framen, ist doch wohl ein Witz!



    Ebenfalls lächerlich war die Selbstbezeichnung "junge Wilde" für Mitglieder der Union.



    Wer jung ist und in der jungen Union, ist ein geistiger Greis.



    Neben ein bisschen Wahlkampfgeplänkel ist die Position der JU purer Egoismus.



    Gerade noch gepampert durch Bildung auf Staats- und somit SteuerzahlerInnenkosten, soll Solidarität für Junge da aufhören, wo die eigene Verantwortung anfängt.



    Liebe Möchtegernfrührentner, angesichts der Tatsache, dass die Hälfte von Euch Jura studiert (hat), erinnere ich an "pacta sunt servanda".



    Die SPD hat im Koalitionsvertrag bzgl. Bürgergeld und Migration so einige bittere Pillen geschluckt.



    Nun seid Ihr mal dran, zu liefern!



    Hat die von uns bezahlte Bildung so gar nichts gebracht?!

  • Ziemlich schräg. So als wäre "Rebellentum" schon an sich ein Wert. Die Taz wäre gut beraten, sich die Zahlen einmal nüchtern anzuschauen und die Kosten für die Rente in Relation zum BIP zu setzen. Die sind nicht höher als 2014. Aber mit "120 Milliarden!" beeindruckt man die Leute leichter. Nehmt die versicherungsfremden Leistungen wie die "Mütterrente" raus, holt Beamte und auch Abgeordnete rein (eine Idee, die ja auch die JU verfolgt) und wartet 20 Jahre ab. Dann seid ihr die bösen Boomer langsam los.

  • Die CDU sind rentnerfeindlich. Solidarität und Gerechtigkeit in der Altersversorgung für Rentner interessiert die überhaupt nicht nicht. Die jungen Nachwuchspolitiker sind derart respektlos, dass sie den Rentnern die schon mickrigen Renten bei 48 missgönnen und weiter senken wollen. Das teure deutsche Beamten- und Pensionssystem mit 71% Rentenniveau , von dem diese Leute profitieren geht für diese realitätsfernen Wichtigtuer aber in Ordnung. Deshalb: Alle müssen in die Rentenkasse einzahlen, Politiker und Beamte auch. Bärbel Bas Forderung im Frühjahr 2025 auch die Pfründe und Privilegien der Politiker und Beamten auf den Prüfstand zu stellen wird von immer mehr Bürgern gefordert. Rente wird das neue Klima!

  • Irgendwie habe ich Zweifel, dass die Art der Rentenreformen die der Author hier skizziert die sind, die von der JU angestrebt werden. Alle Räder stehen still, wenn beim Golf der Caddy nicht mehr will.

  • Ist ja schön und gut, aber wie wäre es denn mal mit ner konstruktiven Diskussion über Lösungsmöglichkeiten? Ist von der JU nicht zu erwarten, von der taz irgendwie auch nicht.



    Steuerfinanzierte Sockelrente für alle wäre so ein Ansatz. Abgabenlast auf Arbeit senken, Finanzierung diversifizieren, ein soziales Netz aufspannen, das wirklich alle erreicht und trägt. Insbesondere auch diejenigen (v.a. Frauen), die lange die unbezahlte Arbeit machen oder gemacht haben.



    Der nächste Schritt wäre dann ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle ab Geburt.

  • Also erstens ist die Junge Union keine Jugendbewegung. Und zweitens wollen die keine Verlogenheiten offenlegen, sonst wären sie ja nicht in der JU. Die wollen einfach die Arbeitskosten drücken auf Kosten der Renten, weil sie sich alle selbst schon für Unternehmer halten.

  • Würden Beamte in die Rentenkasse gezwungen würden deren Pensionen halt daraus bezahlt ,weil die Ansprüche kann man ihnen nicht nehmen. Für neue Beamte kann man das machen, aber das bringt einen Effekt in 40 Jahren und wäre jetzt erstmal teuer weil der Staat dann die Gehälter erhöhen müsste um die Rentenbeiträge zu bezahlen und vermutlich nochmals um attraktiv zu bleiben, dazu kommt dann noch betriebliche Altersvorsorge.

    Länder dies es besser machen haben umfassende betriebliche Altersvorsorge und viel private Vorsorge.

  • Nehmen wir uns ein Vorbild am Schweizer 3-Säulen- System!



    www.bsv.admin.ch/b...saeulensystem.html