Podcast-Auftritt von Toni Kroos: Wow!
Toni Kroos, Fußballmillionär mit Wohnsitz Spanien, sagt irgendwas über Migration in Deutschland und wird von rechten Medien in ihre Ecke gezogen.
Nein, das hat Toni Kroos nicht verdient. Der frisch verrentete Fußballprofi ist zum Kronzeugen rechter Medienschleudern geworden. Die Junge Freiheit oder die Hetzer der selbst ernannten „Stimme der Mehrheit“ vom Nachrichtenportal Nius.de zitieren genüsslich aus dem Podcast „Lanz und Precht“, bei dem Kroos vor dem finalen Spiel der deutschen Mannschaft bei der EM zu Gast war.
„Wenn mich jemand fragt“, sagte Kroos da, „würdest du deine Tochter in Spanien um 23 Uhr rauslassen oder in einer deutschen Großstadt, wäre ich eher bei Spanien.“ Die Antwort von Talkshowmaster Markus Lanz, der zusammen mit dem selbst ernannten Philosophen Richard David Precht normalerweise im Duett die Hörer mit seiner Meinung zum Weltgeschehen belästigt, konnte da nichts anderes sagen als: „Wow!“
Der Medienprofi hat sofort gewusst, dass sein Podcast, der vom ZDF präsentiert wird, eine echte Nachricht generiert hatte. Bis nach Südamerika wurde aus der Sendung zitiert, in der es sonst nicht viel mehr zu hören gibt als wohlfeile Gescheitmeiereien. Deutschland sei nicht mehr sicher und schuld daran sei die Migration, habe Kroos gesagt, so der Tenor der Berichterstattung. Und so ist Kroos, der sich immer mal wieder unmissverständlich gegen rechte Tendenzen in der Gesellschaft positioniert hat, von den Rechten in ihre Ecke hineingezogen worden.
In dem Podcast hatte er von einem „Gefühl“ gesprochen, das sich bei ihm eingestellt hat, er hat laviert, wusste nicht recht, wie er sich ausdrücken sollte, „um nicht in eine Ecke gestellt“ zu werden. Dann sagte er den fatalen Satz. „Wow!“ Mehr ist Markus Lanz dazu nicht eingefallen.
Informiert durch Markus Lanz
Er hat sich nicht die Frage gestellt, ob ein Multimillionär wie Toni Kroos, der schon mal in den Privatjet gestiegen ist, um sich zur Nationalmannschaft bringen zu lassen, der richtige Ansprechpartner ist, wenn es um den Alltag von Jugendlichen in Deutschland geht. Und er hat sich auch nicht gefragt, was Kroos eigentlich weiß, vom Alltag junger Menschen in deutschen Großstädten. Genauso wenig hat er nicht nachgefragt, was das denn heißt: „rauslassen“.
Als würden sich nicht Millionen Jugendliche in Deutschland frei in ihren Heimatorten bewegen, ohne sich von ihren Eltern die Tür öffnen zu lassen. Klar, Kroos hat Familie in Deutschland. Aber er lebt eben seit zehn Jahren in Madrid. „Ich bin durch eure Sendung sehr gut informiert“, meinte Kroos in dem Podcast. Oje, möchte man da beim Hören ausrufen.
Aber da setzt Lanz schon zu einem Monolog an, in dem er beinahe kein gutes Haar an Deutschland lässt, es knarze an allen Ecken und Enden. Und ein schönes Wort habe er dafür auch gefunden: „Kontrollverlust“. Er überwältigt Kroos regelrecht mit seiner Tirade, und so bleibt dem Mann, der in seinem Leben nicht viel mehr gemacht hat, als Fußball zu spielen, beinahe nichts anderes übrig, als dem Moderator zu folgen und von der mangelnden Kontrolle bei der Migration zu sprechen.
In die Ecke getrieben
Markus Lanz treibt Kroos regelrecht in die Ecke. „Es ist zu voll, es ist zu viel. Da ist eine Überforderung“, sagt Lanz am Ende des Gesprächs. Und wenn das jemand äußere, dann heißt es gleich wieder „Oh, oh, oh, das ist rassistisch“. Man kennt die Leier.
Und dann muss Kroos auch noch was dazu sagen, statt über Fußball über Migration sprechen und labert dann irgendwas von Kontrollverlust. Am Ende gibt ihm dann noch Precht den Segen und meint, dass man das viel besser gar nicht sagen könne. Der Podcast ist ein trauriges Beispiel dafür, wie Meinungsinfluencer vom Schlage Lanz und Precht ihre Sicht der Dinge durch andere zum Ausdruck bringen lassen können. „Wow!“ Das haben sie wirklich sauber hingekriegt.
Und Toni Kroos? Der wird hoffentlich kein Meinungsmacher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft