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Nobelpreis für Wirtschaft an David CardDogma statt Erkenntnis

David Card erkannte einst: Steigende Mindestlöhne erzeugen keine zusätzliche Arbeitslosigkeit. Eigentlich eine simple Beobachtung.

McDonalds-Angestellte streiken im Mai in Detroit für den Mindestlohn Foto: Jim West/Zuma/imago

Es klingt revolutionär: Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaft ging unter anderem an den Ökonomen David Card, weil er nachgewiesen hat, dass steigende Mindestlöhne nicht schaden und keine zusätzliche Arbeitslosigkeit erzeugen. Damit zertrümmerte Card eine der Lieblingsthesen der Neolibe­ralen, nämlich dass möglichst niedrige Löhne zwingend sind, um Vollbeschäftigung zu erreichen.

Card wurde 1956 in Kanada geboren und lehrt heute an der kalifornischen Eliteuniversität Berkeley. Vor fast dreißig Jahren hatte er die entscheidende Idee, die jetzt mit einem Nobelpreis gewürdigt wurde. Er nutzte ein „natürliches Experiment“: Anfang der 1990er Jahre wurde in New Jersey der Mindestlohn von 4,25 auf 5,05 Dollar pro Stunde angehoben, während der Lohn im benachbarten Pennsylvania bei 4,25 Dollar blieb. Durch diese politischen Entscheidungen ergab sich nun eine ideale Laborsituation im realen Leben. Card und sein inzwischen verstorbener Kollege Alan Krueger konnten untersuchen, ob die steigenden Mindestlöhne in New Jersey zu mehr Arbeitslosigkeit führten.

Um das Versuchsfeld übersichtlich zu halten, konzentrier­ten sich die beiden Ökonomen auf Fastfood-Restaurants, denn dort wird meist nur Mindestlohn gezahlt. Das Ergebnis: Auch in New Jersey blieb die Zahl der Angestellten bei MacDonald’s oder Kentucky Fried Chicken unverändert. Hamburger und Hühnchenschnipsel wurden weiterhin massenhaft verkauft. Damit war bewiesen, dass ein höherer Mindestlohn nicht zu Arbeitslosigkeit führt.

Keine überraschende Ehrung

Diese Erkenntnis machte Card und Krueger schlagartig berühmt unter den Ökonomen. Für Beobachter ist es daher keine Überraschung, dass Card nun geehrt wird.

Der Nobelpreis für Ökonomie wurde 1968 von der schwedischen Reichsbank gestiftet, die damit ein ideologisches Projekt verfolgte. Sie wollte die sogenannte „Neoklassik“ adeln und zu einer Art Naturwissenschaft befördern. Laien kennen die Neoklassik unter dem Attribut „neoliberal“.

Der Nobelpreis für David Card zeigt nun erneut, wie absurd die Neoklassik ist – und die Vergabepraxis der schwedischen Reichsbank. Zweifellos ist die Beobachtung wichtig, dass steigende Mindestlöhne nicht zur Arbeitslosigkeit führen. Trotzdem handelt es sich nur um eine Beobachtung. Sie erklärt noch nichts. Doch für einen Nobelpreis in der Ökonomie reicht es, dass Oberflächenphänomene zutreffend beschrieben sind. Eine Theorie wird gar nicht erst verlangt.

Wie ungewöhnlich dieses Vorgehen ist, zeigt eine Analogie zur Physik. Bekanntlich fällt ein leichter Apfel genauso schnell zur Erde wie ein schwerer Stein. Das ist eine wichtige Beobachtung, denn intuitiv würden viele glauben, dass der schwere Stein eine höhere Geschwindigkeit entfaltet. Nach dem Motto: Die Masse machts. Inzwischen weiß die Physik, warum alle Gegenstände gleich schnell auf die Erde prasseln. Es liegt an der Gravitation, mitsamt ihren theoretischen Verästelungen von Newton bis Einstein. Erst diese Theorie macht die Physik zur interessanten Wissenschaft.

Card jedenfalls weiß nicht, warum steigende Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit nicht erhöhen. Auch die anderen neoliberalen Ökonomen sind ratlos, wie das Nobelpreiskomitee in seiner Pressemitteilung indirekt einräumt: „Eine mögliche Erklärung ist, dass Unternehmen die höheren Lohnkosten auf die Preise aufschlagen, ohne dass die Nachfrage dadurch sinken würde … Eine andere Erklärung ist …, dass ein erhöhter Mindestlohn bedeutet, dass mehr Menschen arbeiten wollen, was dann zu höherer Beschäftigung führt.“

Mindestlöhne locken Arbeitswillige an

Diese Sätze klingen so technisch, dass sich der Wahnsinn nicht sofort erschließt. Daher eine Übersetzungshilfe: Die neoliberalen Ökonomen behaupten, dass Menschen freiwil­lig arbeitslos seien, weil ­ihnen die Löhne zu niedrig sind. Wenn dann aber die Mindestlöhne steigen, strömen die Arbeitswilligen herbei – und finden prompt einen Job, sodass die Arbeitsmenge insgesamt zunimmt. Die Idee ist also, dass die Zahl der Stellen davon abhängt, wie viele Menschen arbeiten wollen. Man muss kein Ökonom sein, um zu wissen, dass diese „Erklärung“ falsch ist. Da reicht die eigene Erfahrung bei der Jobsuche, die bekanntlich nicht so läuft, dass eine Stelle vom Himmel fällt, sobald man arbeiten möchte.

Ob es Arbeit gibt, entscheidet sich nicht auf dem Arbeitsmarkt. Stattdessen ist zentral, ob die Firmen ihre Produkte verkaufen können – sonst schaffen sie keine Jobs. Es zählt also die Nachfrage in der Gesamtwirtschaft. Das erklärt dann auch, warum steigende Mindestlöhne nicht gefährlich sind. Sie erhöhen die Nachfrage, sodass die Wirtschaft weiter wächst und neue Jobs entstehen.

Dieser Gedanke ist denkbar schlicht, aber für neoliberale Ökonomen nicht denkbar, weil dann ihr gesamtes Theoriegebäude einstürzen würde. Denn diese Theorie kreist um Märkte, und es darf nicht sein, dass Marktphänomene nur das Resultat ökonomischen Geschehens sind – nicht aber der Ursprung.

taz am wochenende

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Card und Krueger haben mit ihrem „natürlichen Experiment“ einmal mehr gezeigt, dass der gesamte neoliberale Ansatz falsch ist. Da dies aber nicht sein darf, haben sie fortan auf jedwede Theorie verzichtet.

Gleiches gilt für die beiden anderen Ökonomen, die diesmal geehrt wurden. Auch sie haben ihre Verdienste, verharren aber ebenfalls bei der Beschreibung. Joshua Angrist vom MIT und Guido Imbens aus Stanford haben statistische Modelle entwickelt, wie sich Korrelationen von Kausalitäten unterscheiden lassen. Unter anderem konnte Angrist zweifelsfrei klären, dass längere Schulzeiten zu höherem Einkommen führen – unabhängig davon, wie intelligent die Kinder sind.

Diese Erkenntnis ist wichtig. Aber das Nobelpreiskomitee tut so, als wäre damit erklärt, wie es zu ungleichen Löhnen kommt. Doch so einfach ist es nicht, wie etwa Deutschland zeigt: Noch nie waren die Arbeitnehmer im Durchschnitt so gut ausgebildet wie heute – und trotzdem ist die Kluft zwischen den Beschäftigten größer geworden.

Die neoliberale Theorie steckt in einer Sackgasse. Aber das wird die schwedische Reichsbank nicht daran hindern, weitere Nobelpreise zu verteilen. Schließlich geht es hierbei nicht um Erkenntnis, sondern ums Dogma.

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41 Kommentare

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  • Heute berichtete der NDR, dass ein Restaurant-Besitzer einen Kellner-Roboter aus China angeschafft hat, der die Wege aus der Küche zum Gästetisch zurücklegt und dabei in den Schubladen bis zu 10 Gedecke befördern kann. Da stellt sich die Frage nach einem Mindestlohn nicht mehr und der Gast spart sich den Tip, der ja das eigentliche Zubrot beim Kellnerjob ausmacht. Übrigens: In der Kreuzfahrt-Industrie sind die Löhne beim Neustart nach der Pandemie für die Unterdecksklaven gesenkt worden, verhungern muss trotzdem keiner, es ist besser die Essensreste den netten Mitarbeitern zu überlassen, als sie ins Meer zu schütten. Auf hoher See.....

  • "Damit war bewiesen, dass ein höherer Mindestlohn nicht zu Arbeitslosigkeit führt."

    Damit ist überhaupt nichts bewiesen. Scheinbar gab es genug Personen auf der Suche nach Arbeit. Wenn die "gut bezahlten" Jobs weg sind, muss man halt den anderen nehmen.

  • naja wenn alles gleich schnell fallen würde, hätte der fallschirmspringer aber echt ein problem...

    da hätte man schon erwähnen können, dass das nur im Vakuum gilt.

    und genau, wie eben hier in der Physik das nur in eben diesem fall gilt.

    wird auch das mit dem Mindestlohn nur in bestimmten fällen gelten. Die fastfood kette, muss dort ihre standorte haben, wo ihre Kunden sind. Und sie wird ohnehin nur soviele Leute beschäftigen, wie unbedingt notwendig.

    ob das gleiche jetzt auch für die Callcenter branche gegollten hätte... welche man leicht von a nach b verlegen kann, bezweifel ich dagegen.

  • Wenn man die Anbieter von Jobs mit Mindestlöhnen betrachtet fällt es sehr auf das fast alle kirchlichen Organisatonen sich erdreisten selbst für anspruchsvolle Aufgaben Mindestlöhne anzubieten. Je frömmer die Organisation, umso mehr versucht sie aus Ihren Angestellten herauszupressen. Alle dieses Organisatioen die sozial auf Ihrem Panier stehen haben sind in Ihren Jobs die unsozialsten Arbeitgeber die es gibt.Denkt mal über die frommen Ausbeuter nach!

  • Die Untersuchung ist doch quatsch. Viel zu isoliert. Viel zu kurz. Steigen die Löhne weiter und die Preise gehen weniger dort essen. Oder die Restaurant sparen an andere Stelle....



    Mehr Kellner machen sich selbständig, weil man ja so viel pro Hamburger bekommen kann....

    • @SUSANNE FRIEDLICH:

      Wenn die Menschen aber weniger verdienen, können sie nicht mehr so oft zum Essen gehen - genauso doof, oder ?

  • Einmal mehr haben Sie, sehr geehrte Frau Herrmann, den Neoklassischen Irrsinn hier glasklar und zudem leicht verständlich hier aufgezeigt. Herzlichen Dank dafür!

    George Müller



    Berlin

  • Vielen Dank!



    Ich dachte schon, es würde niemand mehr diesen absurden Schwachsinn per Kommentar widerlegen.

    Das hat mit Wissenschaft wahrlich nichts zu tun. Monokausalitäten (A verursacht B) in einer so komplexen gesamtgesellschaftlichen Gemengelage - ich kenne keine andere "Wissenschaft" in der das akzeptablel wäre.

    Danke noch mal

  • Nobelpreis?



    Hat's hier schon einen; noch einen von wegen Nepotismus hätt's eigentlich gar nicht mehr gebraucht.

    Aber was Wirtschaft und insbesondere Zeitmanagement anbelangt, hat eigentlich Michael Ende in Momo schon alles aufgeschrieben.

    Und derweil einigen die Koalitionssondierend:*:Innen sich,



    die Leute zu werden, vor denen uns Sahra Wagenknecht gewarnt hat.

  • Hab den Beitrag mit wachsendem Interesse gelesen und glaube, dass der Denkfehler schon weit früher ansetzt. Bereits die Annahme, dass das Ergebnis von Arbeit in der Wirtschaft in jedem Fall Geld ist, deckt sich eigentlich überhaupt nicht mit meinen Beobachtungen. Jeder Versuch, Arbeit unideologisch definieren zu wollen, schlägt unmittelbar fehl. Wo Arbeit anfängt und wo Arbeit aufhört lässt sich objektiv gar nicht eindeutig fassen. Selbst die Stechuhren führen hierbei nur in die Irre. Arbeit ist eine Messgröße aus der Physik. Da ist sie klar definiert und da macht sie auch Sinn. In der Wirtschaft ist Arbeit nur ein mehr oder weniger gut beschreibbarer Prozess.



    Wer in den letzten Wochen die neuesten Recherchen zu Geldflüssen in Steueroasen (Pandora Papers) verfolgt hat, der kann doch keine Zweifel mehr haben, dass all die Kennzahlen, mit denen Wirtschaft weltweit heute beschrieben wird, nur den vergleichsweise kleinen, sichtbaren Teil des Wirtschaftens abbilden. Das ungleich größere Dunkelfeld dahinter bleibt unberücksichtigt, aber gleichwohl weiter wirkmächtig.



    Die selbständige Friseurmeisterin mit drei Angestellten müsste theoretisch eigentlich ein Problem haben, wenn der Mindestlohn um zwei Euro angehoben wird, die Fastfood-Kette nicht unbedingt. Beide profitieren aber doch bereits schon viel länger überproportional von den - im Vergleich zum Zeitaufwand - viel zu niedrigen Löhnen. Bis zu einem Punkt x können die die höheren Löhne deshalb noch problemlos und auch ohne Preisanhebungen zahlen.

  • taz: "Card jedenfalls weiß nicht, warum steigende Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit nicht erhöhen. Auch die anderen neoliberalen Ökonomen sind ratlos."

    Letztendlich ist das aber auch egal, ob man das jetzt mit einer Theorie untermauern kann oder nicht, denn Wirtschaft ist ohnehin eher "Kaffeesatzleserei" und lässt sich schon gar nicht mit Theoretische Physik vergleichen. Aber es ist trotzdem gut, dass es jetzt einen Nobelpreis für Ökonomie gibt, der sagt, dass steigende Mindestlöhne nicht schaden und auch keine zusätzliche Arbeitslosigkeit erzeugen.

    Die ewig Gestrigen aus Politik und Wirtschaft werden aber den Neoliberalismus - mit all seiner Ungerechtigkeit - sicherlich trotzdem weiterhin verteidigen.

    Hans-Werner Sinn (ehemaliger ifo-Präsident und Berater bei den Hartz-Reformen): "Jeder will arbeiten, es gibt aber nicht genug Arbeit. Und warum gibt es nicht genug Arbeit? Weil der Lohn zu hoch ist."

  • Wenn ich das richtig wahrnehme, ist der Verzicht auf Theoriebildung bzw. Begründung heute Mainstream. Nicht nur in Falle der Thematik rund um den Mindestlohn. Es ist ja kein Zufall, dass die Angebotstheorie (Neoklassik) stets die Bedürfnisse des Kapitals befriedigt. Also Privatisierung infolge der schwarzen Null mit der schlichten Begründung, dass man die jungen Menschen nicht mit heutigen Schulden belasten soll. So, als ob Investitionen in die Zukunft nur etwas für alte weiße Männer wären.



    Der Neoliberalismus hält sich trotz erheblicher theoretischer Schwachstellen deshalb so gut, weil wir im Kapitalismus leben und das Kapital mehr als ausreichend Möglichkeiten hat, seine Ideologie zu verbreiten. Diese Ideologie nimmt alle mit, die davon direkt oder indirekt profitieren. Ob Gewerkschaftsbonze, Unternehmer oder Seeheimer. Von der FDP oder den Grünen ganz zu schweigen.



    Das Problem ist weniger die neoliberale Ideologie. Vielmehr sind es die Menschen, die willfährig dieser Ideologie folgen.

  • Machen sie sich keine Gedanken Frau Herrmann - ein Barack Obama hat seinen Friedensnobelpreis bekommen, bevor er überhaupt eine Chance hatte, ihn sich zu verdienen. Dahinter steckte das Prinzip Hoffnung, ebenso wie hier: Schaut man sich das "natürliche Experiment" der Preisträger genauer an, so erkennt man, dass sie garnichts bewiesen haben. Auch hinter der Auszeichnung an Card und Co steckt die Hoffnung, dass er Recht behalte.



    Möge diese Hoffnung nicht ebenso enttäuscht werden wie im ersten Beispiel.

  • “ Schließlich geht es hierbei nicht um Erkenntnis, sondern ums Dogma.“

    Ach was! © Loriot -



    Deswegen plädier ich ja unentwegt für noch einen Nobelpreis - für noch eine Wertungs“wissenschaft!“



    Genau Genau - Jura!;)) - Newahr.



    Normal Schonn.

    unterm—- aus dem Skat —-



    Schon mein großes Bruderherz kommentierte meinen Wechsel von Mathe/Physik zu Jura derart:“ Ja wenn du zu blöd bist - mathematisch zu denken! Mußte halt lernen juristisch zu denken!“ & aus lauter Bosheit hab ich noch 5 Semester Nationalökonomie post Vordiplom drangehängt & Diss.Angebot.



    & Däh => Beurteilung Proberichter =>



    “…interessiert sich weiterhin für volkswirtschaftliche Zusammenhänge“



    => Klartext “…interessiert sich für alles mögliche - nur nicht für Jura!“ - 😎 -

    So in etwa

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Und der erste Kandidat wäre Johnnie Cochran, Verteidiger von O.J. Simpson...

      Ne lassen sie Mal, die Wirtschaftstypen verdrehen die Menschheit schon genug. Alles Geistige ist Trug und manchmal Lug. Die Physik ist rein, auch wenn sie die Raumzeit biegt, Physiker verdienen das.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        anschließe mich •

  • Die sogen. "Neoklassiker" Card & Co gehen an die Erforschung der kapitalistischen Phänomene, hier :Mindestlohn, mit "methodologischem Individualismus" statt vom kapitalistischen G a n z e n heran , müssen daher fehlgehen.-







    Diese Kritik findet man auch beim



    "Neomarxisten" Robert Kurz in "Geld ohne Wert". Bei diesem ökonomischen "Ganzen" aber kann die durch "abstrakte Arbeit" produzierte W e r t m e n g e n i e positivistisch genau bestimmt werden.



    Klar aber ist, daß die jeweilige meist unterschiedliche Produktivität der



    Kapitalseite (e.g. Machinerieausstattung -früherer Marx: fixes Kapital .usw.) für das Bezahlen eines Mindestlohns an die Wertproduzenten eine Rolle spielt -(im Vergleich zu konkurrierenden Kapitalen) .



    Dazu die eh .nur s c h ä t z b a r e Chance der "Verwertung" des eingesetzten & neu produzierten Mehr-Wertes in der Marktregion , wo die höheren Mindestlöhne bezahlt werden..Vor allem der zugehörende ,nur schätzbare , Stand der Branchen-Profitrate und deren -ebenfalls nur vage schätzbarer, Entwicklungstrend .

    Interessant , daß Frau Herrmann -gegensätzlich zu ihren anderen Aussagen, über das Scheitern der Neoklassiker Card & Co unvermittelt davon spricht ,daß "ihr gesamtes



    Theoriegebäude zusammenbricht"



    Die Neoklassik ist aber tatsächlich "theoryladen" -etwa in den vorausgesetzten theoretischen Konstrukten"freiwillige Arbeitslosigkeit" plus "jederzeitig genügend o f f e n e S t e l l e n"auf dem Arbeitsmarkt.



    Zugegeben: f a l s c h e Theorie,& arbeiter f e i n d lich . aber halt"Theorie" Marx nannte das "Vulgärökonomie" so viel ich mich erinnere..



    Es fehlt die Einbeziehung der Produktionsebene des Kapitals , seine"Tiefenstruktur" wie ich es hier mal nennen will, also Ebene der



    "abstrakten Arbeit", der eigentlichen Ebene der Wertproduktion.

    W i e sich deren Prozeßrealität nun in der "Zirkulationssphäre" , der Gastronomie (Mac Donald usw.) auf die Bezahlbarkeit eines Mindestlohns auswirkt , wiederum nur schätzbar usw.-..

  • Ich teile Frau Herrmanns Meinung, dass simple Beobachtungen oft ausreichen und "große Wissenschaft" da z.T. handbacken wirkt. Oft ist es aber dann so, dass die Erklärung zur Beobachtung weitaus komplexer ist.



    Im Beispiel hier ging es um knapp 20% Mindestlohnanhebung ca. 80 ct Erhöhung) , im Niedrigstlohnsektor, bei Mcdonalds und Co. Jeder Burger wird dann, wenn man voraussetzt, dass jeder Angestellte je Stunde 20 Burger belegt also 4 ct teurer. Auf den Verkaufspreis von Burger, z.B. 1,54 statt 1,50 Dollar also marginal.



    Nein, die Frage ist nicht was der Mensch verdient, sondern was der Kunde bereit ist für das Produkt/Dienstleistung zu bezahlen. Je nachdem wie arbeitsintensiv etwas stattfindet und somit der Lohnkostenanteil steigt, fällt die Bereitschaft das Geld auszugeben.



    Während ein Spezialist, der komplexe aber kaputte Maschinen reparieren kann quasi Mondpreise verlangen kann sieht das bei einer FreuseurInn nat. anders aus: Das können erstens viele und wenn zweitens drei Stunden an der Locke rumgedoktort wird und der Friseur sich 100 € Stundenlohn gönnen würde es eben ganz eng wird mit der bereitwilligen Kundschaft.



    Jeder möge sich selbst prüfen, ab welchem Betrag er was ggf. beauftragt anstatt es selbst zu machen. Vom Einkaufen gehen bis Putzdiesntleister bis PC- oder AutoReparatur. Wir merken schnell: Was ich selbst gar nicht kann ist am teuersten und da gebe ich trotzdem Geld aus. Was ich selbst kurz erledigen kann oder will ist mir am wenigsten wert. Und deswegen sind dort die Löhne am niedrigsten: Einkaufshilfe (bzw. Kurierfahrer), Putzhilfe.... Gilt geichsam auch für die Gesamtwirtschaft. Wer kann was und wie sieht die Alternative aus. Dann gibts dort eben mehr oder weniger Gehalt.

    • @Tom Farmer:

      Die Kurierfahrer killen Ihre Argumentation. Wieviel müssten Kurierfahrer verdienen, damit Sie sich Ihr Paket selbst bei Amazon abholen?

  • Schön, dass David Card da mit einem Dogma aufgeräumt hat.

    Aber zieht da nun stattdessen ein neues Dogma mit umgekehrten Vorzeichen am Himmel auf?

    • @Rudolf Fissner:

      Ja wie? Den Himmel - überlassen wir doch nicht einem Dogma - neu oder alt - sondern bekanntlich mit Heinrich Heine - den Spatzen!



      Vor allem wennse meinen - David Card habe mit nem Dogma aufgeräumt - wa!



      Vermutlich unter Hempels ehrn 🛋! Gell

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    ich habe beobachtet, dass in meinem supermarkt die preise steigen und die leute trotzdem weiterhin lebensmittel kaufen. ich will jetzt auch einen nobelpreis bekommen.

  • Danke, Frau Herrmann!

    Lese ich immer wieder gerne :)

  • Der Text wiederholt ja geradezu gebetsmühlenartig, dass der Neoliberalismus (oder wahlweise die klassische Ökonomie) nun komplett widerlegt sei und ein Mindestlohn unter keinen Umständen zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde.

    Da stellt sich mir die Frage, warum dann kein Mindestlohn von 100€? Oder 1000€? Es kann ja nichts passieren!

    Nach abermaliger Lektüre David Cards lässt sich dann doch herausfinden, dass die Autorin ihn entweder nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Eine Anhebung um ein paar Cent auf ein Level weit unter dem Durchschnitt ist eben eine andere Sache als eine Anhebung des Durchschnitts selbst.

    Mindestlöhne (und Tariflöhne) sind immer auch ein Arbeitsverbot für jeden, der zum bestimmten Tarif keinen Job finden kann. Das trifft vor allem junge und benachteiligte Menschen. Tatsächlich waren Mindestlöhne für eine lange Zeit ein Werkzeug der Unterdrückung. In Südafrika etwa wurde nach dem Ende der Apartheid schnell ein Mindestlohn durchgesetzt um schwarze Arbeiter daran zu hindern, weiße Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu unterbieten. In den USA erfolgte das gleiche über die Gewerkschaften.

    • @Endgegner:

      Für jede Beobachtung in der realen wirtschaft sollte es doch eine halbwegs plausible Erklärung geben. Sonst ist die Wirtschaftswissenschaft eben doch keine Wissenschaft.

      Und was für einen Blödsinn als mögliche Erklärung herangezogen werden.

      Ich habe eine weitaus Plausiblere. In der WW spricht man von wirksamen Mindestlöhnen und Mietendeckeln und nicht wirksamen.

      Ein nicht wirksamer Mindestlohn ist wenn eine Mindestlohn vom Staat festgelegt wird der unterhalb dessen liegt was eine nicht qualifizierte Arbeitskraft tatsächlich sowieso schon bezahlt bekommt. Liegt der Mindestlohn jedoch darüber so sinkt das Angebot der angeboteten Arbeitsplätze und steigt die Nachfrage. Es kommt zu einer Verringerung der Beschäftigung und zu Diskriminierung bei der Einstellung.

      Da dies nicht geschehen ist muss man eben davon ausgehen dass der Lohn der gezahlt wurde unterhalt dessen lag was Marktwitschaftlich als Gleichhewicht zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt entsteht würde, wenn ein Gleichgewicht, der Kräfte besteht.

      Ich denke gerade am unteren Ende der Einkommen wissen die Menschen einfach nicht, was Ihere Arbeitskraft tatsächlich wert ist. Weil man austauschbar ist kann der AG leicht weniger bieten als er könnte.

    • @Endgegner:

      "Eine Anhebung um ein paar Cent auf ein Level weit unter dem Durchschnitt ist eben eine andere Sache als eine Anhebung des Durchschnitts selbst."

      Wenn ich die Löhne auf dem unteren Ende der Skala erhöhe steigt doch der Durchschnitt oder?

      Und es ist nur das Beschäftigungsniveau im Niedriglohnsektor betrachtet worden. 16% Lohnsteigerung aber die Anzahl der Beschäftigten blieb stabil.

      Aber klar 16% mehr Lohn ist ja nur fast nichts.

      • @Obscuritas:

        Klar, der Durchschnitt steigt mathematisch gesehen ein bisschen. Ich meinte hier eine wirklich starke Anhebung des Durchschnitts, im Gegensatz zu dem, was in dem besprochenen Paper durchgeführt wurde.

  • Und damit wären wir sofort bei der Frage, wie bekommen wir wieder ein säkulares Gemeinwesen? Ohne die Religion Neoliberalismus. Denn dass der wie eigentlich alle Religionen nur für die Wenigen auch auf Erden super funktioniert, ist mittlerweile an allen Ecken und Enden offensichtlich, wenn man sich nicht permanent selbst belügt.

    Und selbst die wenigen, sozial schwachen Nutznießer des Neoliberalismus merken allmählich, dass ihr Irrglaube dazu führt, dasss der gesamte Planet demoliert wird, weil sie eben nie genug kriegen, und nun ihre schöne Ausbeutungsmasche in Gefahr gerät. Von dem menschlichen Leid, das der Neoliberalismus seit langem verursacht, gar nicht zu reden.

    Wie wäre es stattdessen mit einer Gemeinwohl-Ökonomie?

    • @uvw:

      Dann schauen wir uns doch mal den Segen des Sozialismus an - der hat den Planten nicht demoliert? Der ganze Ostblock war ein ökologisches Hiroshima - dagegen war der kapitalistische Westen ein grünes Paradies.

      • @Wombat:

        Es gäbe ja noch die Möglichkeit, aus der Geschichte zu lernen.



        Was lief falsch? Welches Handeln hatte welche Folgen? Wie kann man das besser machen? Was wäre eine gute Kombination aus bisherigen Systemen?



        Dazu muss man aber willens sein, wirklich etwas zu ändern.

  • Ah, Ulrike Herrmanns alljährliche Quixottiade gegen den schwedischen Reichsbank-Preis! Immer wieder eine kleine Freude... und diesmal etwas erschütternd, kommt doch ziemlich nah am Anfang die Feststellung, "neoliberal" sei Laienterminologie.

  • Frau Herrmann ist immer recht lustig, was sich schon daran zeigt, dass sie es mühelos besser weiss als die besten Ökonomen. Glückwunsch zur ewigen Weisheit!

  • Liebe Frau Herrmann, vielen Dank! Mir wie so oft aus der Seele gesprochen.



    Als Naturwissenschaftler ist es ohnehin jedes Jahr unerträglich, dass von einem "Nobelpreis" in Wirtschaftstralala geredet wird.

  • Neoliberalismus ist inzwischen leider eine quasi unausrottbare Religion.



    Glauben statt Denken.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Nansen:

      die Ausführungen von Herrmann sind aber auch nicht gerade überzeugend.

      • @86548 (Profil gelöscht):

        Mag sein. Aber es ist nur ein Kommentar.



        Zur Stützung der neoliberalen Theorie wird in unserer Gesellschaft hingegen hoher Aufwand betrieben. Und egal wie blöd die neoliberalen Auswüchse auch sind, die Schäfchen trotten hinterher.



        Meine Favoriten:



        - trickle down (so abstrus wie Wunderheilung)



        - Sale an lease back (würde kein Schwein privat machen)



        - der Markt regelt alles (zentrales Mantra)

        • @Nansen:

          "Sale an lease back (würde kein Schwein privat machen)"

          natürlich würden sie das auch privat machen, wenn sie dadurch Steuern sparen würden ...

          • @Gastnutzer 42:

            Nee, ich wäre lieber der, der dem Trottel seine Immobilie abgekauft und wiedervermietet hätte. (Die nötigen finanziellen Mittel vorausgesetzt)😁



            Es mag Situationen geben, wo Sale and lease back sinnvoll ist. Beispielsweise um einer drohenden Firmeninsolvenz begegnen. Aber speziell dem Gemeinwesen wurde mit dieser Form der Privatisierung Schaden zugefügt.



            Ich kann mich noch an eine Veranstaltung in etwa 2007/8 erinnern, als mir so ein wichtiger Vogel ne Viertelstunde ein Ohr abkaute, wie toll Sale and lease back für Staat und Gemeinden wäre. Dabei wollte er nur dran verdienen.



            Klar das Staat und Gemeinden da dann nicht dran verdienen... dachte ich mir. Aber ich hab ja keine Ahnung 🙃

  • Wir haben gerade im niedrig qualifizierten Bereich in weiten Teilen der Republik Vollbeschäftigung, Arbeitslos zu sein ist zum Beispiel in Süddeutschland eigentlich nicht möglich.



    Trotzdem gibt es Arbeitslose. Ok, das meiste sind Übergangsarbeitslose die weniger als 4 Monate Arbeitslos sind und oft auch schon einen festen Job-Antrittstermin haben.



    Bei sehr vielen anderen spielen sicherlich Erkrankungen eine Rolle bzw das was im Artikel beschrieben ist - Arbeiten ist schlicht unattraktiv im Gegensatz zu Hartz IV.



    Nicht als Single, denn hier arbeitet eh niemand für 10€ die Stunde, aber mit Familie kann es durchaus unattraktiv sein zu arbeiten, vor allem wenn der Partner z.B. aus traditionell-religiösen Gründen ohnehin nicht auch dazu verdienen kann.

    • @Wombat:

      Ist das von Ihnen auch irgendwie zu belegen oder wollten Sie nur mal kurz gegen Arbeitslose, die sich in der sozialen Hängematte ausruhen, und Muslime u.a. hetzen? Wo steht im Artikel, es sei unattraktiv zu arbeiten im Gegensatz zu HartzIV?

      Dauer der Arbeitslosigkeit: 36,1 Wochen



      de.statista.com/st...-arbeitslosigkeit/

      Tatsächliche Arbeitslosigkeit 2020:



      www.o-ton-arbeitsm...nschen_ohne_arbeit

      Aber die wombat-Welt sieht offenbar ganz anders aus.

  • Die clevere Ausnutzung eines solchen «natürlichen» Experiments – eine Methode, die seither viele Nachahmer gefunden hat – mag einen Nobelpreis verdient haben. Aber man sollte dies nicht mit einer Adelung der Mindestlöhne gleichsetzen. Die Ergebnisse von Card und Krueger blieben nämlich nicht ohne Widerspruch. Andere Forscher stützten sich auf Daten aus der Lohnbuchhaltung der Fast-Food-Ketten, und siehe da, das klassische Ergebnis war wieder hergestellt: Bei einer Erhöhung des Mindestlohnes um 10 Prozent ging die Beschäftigung um 2 Prozent zurück. Card und Krueger hatten sich dagegen auf Interviews mit Managern verlassen.



    Sie selbst fanden bei einer neuerlichen Überprüfung kein statistisch signifikantes Ergebnis mehr. Dem Nobelpreiskomitee wäre kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn es am Montag bei der Präsentation wenigstens kurz auf die beträchtlichen Mängel der ursprünglichen Studie hingewiesen hätte, die doch so zentral für die Preisvergabe war.



    Von daher sollte auch Frau Herrmann -- so sehr ich sie schätze! - mit Wertungen zurückhaltend sein.