Medienecho auf die Friedenspetition: Unmoralisch ist anders
Wagenknecht und Schwarzer mögen unsympathisch sein, die Kritik an ihrem Aufruf berechtigt. Doch der Meinungskorridor sollte nicht so eng werden.
A lice Schwarzer und Sahra Wagenknecht müssen etwas wirklich Schlimmes gemacht haben. Diesen Eindruck bekommt, wer sich das Medienecho auf ihren jüngsten Vorstoß anschaut. Der Spiegel kürte sie am Montag zu den Verliererinnen des Tages. Und auch die taz war nicht gerade zimperlich. In einem Kommentar wurde ihr Anliegen als „politobszön“ und „amoralisch“ bezeichnet. Die, die sich ihnen anschlössen, seien eh nicht mehr ganz bei Trost.
Schwarzer und Wagenknecht haben schon oft mit Äußerungen für Empörung gesorgt, oft zu Recht. In diesem Fall schießt der Furor aber über das Ziel hinaus. Sie haben lediglich eine Petition gestartet, die sich für Frieden in der Ukraine und für Verhandlungen ausspricht. Sie verschweigen nicht, von wem die Aggression ausging – von Russland. Sie fordern auch nicht wie behauptet einen sofortigen Lieferstopp von allen Waffen, sondern, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“. Nach den Panzern bitte nicht auch noch Kampfflugzeuge – diese Position dürfte bei vielen anschlussfähig sein.
Man kann die Petition naiv finden, weil unrealistisch. Man kann sie auch billig finden, weil sie vage gehalten ist und nicht erklärt, wie Putin zu Verhandlungen bewegt werden sollte. Man kann sie – wie ich – falsch finden, weil die Ukraine einen zu hohen Preis zahlen müsste. Aber obszön und amoralisch? Und wieso „Verliererinnen des Tages“, wenn innerhalb kürzester Zeit eine Viertelmillion unterzeichnet haben?
So unsympathisch einem Schwarzer und Wagenknecht sein mögen, sie drücken eine verbreitete Stimmung aus. Justizminister Buschmann, FDP, sieht in der Petition einen Beleg der Hufeisentheorie, in ihren Extremen würden sich rechte und linke Positionen immer ähnlicher, twitterte er. Der Wunsch nach Frieden und die Angst vor einer Eskalation des Krieges sind aber nicht extrem. Sie sind ziemlich normal.
Woher kommt der Drang, Menschen mit anderen Meinungen nicht nur zu kritisieren, sondern sie moralisch abzuwerten? Lasst uns den Meinungskorridor nicht so eng machen, das schadet nicht nur der Debatte, sondern am Ende auch den Medien selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut