Grüne Leoparden-Witze: Lauter kleine Raubkätzchen

Sie tragen Leopardenpulli im Bundestag oder posten Raubkatzen-Bildchen: Woher kommt die Tendenz bei Teilen der Grünen, Kampfpanzer zu verniedlichen?

Annalena Baerbock trägt eine bunte Narrenkappe

Kam dann doch nicht im Leopardenkostüm: Annalena Baerbock beim Aachener Karnevalsverein Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die Grünen haben Spaß am Leopard. Als sich Olaf Scholz im Januar zur Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine durchrang, jubelten einige ihrer Abgeordneten auf Twitter mit Raubkatzen-Emojis. Die Verteidigungspolitikerin Sara Nanni setzte sich in einem Pulli mit Leoparden-Muster in den Bundestag. Und als Außenministerin Annalena Baerbock jetzt in Aachen einen Karnevalsorden erhalten hat, scherzte sie in ihrer Büttenrede, dass sie gerne im Leo-Kostüm gekommen wäre – dann aber Probleme mit dem Kanzleramt bekommen hätte. Die Aufzeichnung lief am Montagabend in der ARD.

Woher kommt dieser Trend in Teilen der Partei, den Kampfpanzer zur Gag-Maschine zu machen? Wohlwollend betrachtet: Die Grünen sind der ukrainischen Bevölkerung so zugewandt wie keine andere deutsche Partei. In den sozialen Netzwerken haben sie gesehen, wie Ukrai­ne­r*in­nen dem Krieg von Beginn an mit den Mitteln der Netzkultur begegnet sind, wie sie ihn als Vorlage für Clips und Bildchen verwendet haben – zum Beispiel, indem sie Aufnahmen explodierender russischer Panzer mit lustiger Musik hinterlegt haben.

Dass direkt Betroffene auf diese Weise mit dem Krieg umgehen, ist verständlich: Erstens dient Humor als Ventil. Er kann helfen, das Unerträgliche halbwegs auszuhalten. Zweitens kann von Angegriffenen nicht die Empathie verlangt werden, in einem sterbenden Angreifer neben allem anderen auch noch einen sterbenden Menschen zu sehen – dessen Tod bei aller militärischen Notwendigkeit und ethischen Legitimität eine Tragödie ist.

Die Deutschen dagegen sind nicht im Krieg, auch wenn es die Außenministerin kürzlich im Europarat versehentlich so formulierte. Zwar waren die vergangenen Monate auch für viele Deutsche belastend. Wer uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine empfindet und dorthin viele Kontakte pflegt, konnte das lange Zögern des Kanzlers bei Panzerlieferungen schwer ertragen.

Trotzdem kann von Deutschen anders als von Ukrai­ne­r*in­nen die Ambivalenz erwartet werden, die anlässlich der Leopard-Lieferung ein anderer Grüner formulierte: Die Entscheidung sei richtig, aber kein Grund zum Jubeln, sagte Robert Habeck im taz-Interview. Jede Leichtigkeit sei fehl am Platz.

Dabei geht es nicht ums Moralisieren oder um Geschmacksfragen. Das Sprechen über den Krieg prägt das Denken über den Krieg und damit auch zukünftige politische Entscheidungen. Lange beteuerten die Grünen, die beispiellosen deutschen Waffenlieferungen fielen ihnen nicht leicht, seien im konkreten Fall aber als notwendiges Übel unausweichlich. Das stimmt.

Aber werden Kriegswaffen in der öffentlichen Debatte nicht mehr als Kriegswaffen benannt, sondern zu Raubkätzchen verniedlicht, verschiebt sich etwas. Militärische Schritte werden so womöglich vom letzten Mittel zur ersten Wahl. Selbst wenn das von Baerbock und Co. nicht beabsichtigt ist: Es wäre fatal.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Textes stand, die Aufzeichnung aus Aachen sei am Montag zur Hauptsendezeit in der ARD gelaufen. Tatsächlich war die Sendung zwar für 20:15 Uhr geplant. Wegen der Berichterstattung über das Erdbeben in der Türkei wurde sie aber kurzfristig auf den späten Abend verschoben.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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