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Kulturelle Aneignung beim ESCEinmal Exotik zum Anziehen, bitte

Kulturelle Aneignung ist eine rassistische Praxis. Warum ist es dennoch so schwer, kritische Haltungen zum Thema zu entwickeln?

Mehr als Mode: Der Qipao ist Teil kultureller Identität – und die lässt sich nicht so einfach ablegen Foto: reuters

BERLIN taz | In meinem Kleiderschrank hängt ein seidener Qipao. Das traditionelle chinesische Kleidungsstück mit Schlitzen an den Seiten, dem schmalen Stehkragen und den runden Stoffknöpfen, die man mit etwas Geschick durch die Schlaufen auf der gegenüberliegenden Seite drücken muss. Mein Qipao ist schwer, er ist ein Erbstück. Eingenäht in der Nackenpartie verblasst das Markenschildchen einer Seidenfabrik aus Schanghai.

Netta Barzilai trägt während ihres Auftritts beim diesjährigen Eurovision Song Contest keinen Qipao, sondern ein Gewand, das einem japanischen Kimono ähnelt. Nach der Show gerät sie in die Kritik: Sie habe sich der kulturellen Aneignung schuldig gemacht, indem sie vor dem Hintergrund goldener Winkekatzen, mit stigmatisierendem Make-Up und ihrer exotisierenden Kleiderwahl performt habe.

Natürlich bleibt dieser Aufschrei nicht unwidersprochen. Netta ist die ideale Sympathieträgerin unserer Zeit. Ihr Song „Toy“ und ihre unangepasste Haltung haben eine feministische Botschaft. Vor dem ESC wurde die israelische Sängerin zudem selbst Opfer einer homophoben und antisemitischen Boykottkampagne, was ihren Sieg politisch und gesellschaftlich noch wichtiger macht.

Kritiker*innen von Barzilais Performance wird vorgeworfen, auf Biegen und Brechen etwas Faules an der glänzenden Gewinnerin zu suchen. Aber Showbusiness hin oder her, es ist berechtigt zu fragen: Warum musste Barzilais Auftritt in die Asia-Klischeebox getunkt werden? Und warum löst allein der Verweis auf kulturelle Aneignung solche Gegenwehr aus?

Eine Antwort auf die erste Frage lautet: Exotism sells. Im Falle der „asiatischen Exotisierung“ läuft dieser Slogan im gleichen Programm wie unser aller Faible für sexualisierende Inhalte. Das sexualisiernde Bild der asiatischen Frau wurde im Westen über Jahrhunderte hinweg gehegt und gepflegt. Giacomo Puccinis Oper Madame Butterfly ist ein prominentes Beispiel für die gleichzeitige Faszination und Verzerrung von „der Asiatin“ auf der Bühne. Auch asiatische Frauenfiguren in Hollywoodfilmen entsprechen meist entweder dem Klischee der unterwürfigen Liebhaberin, der schüchternen Streberin oder einer Tiger-Mom-Domina. Obwohl es im Fall von Barzilais ESC-Auftritt vermutlich nicht um die Reproduktion dieser Bilder ging, so taugte das Japan-Setting doch zumindest als andersartige Kulisse.

Der Unterschied zwischen Austausch und Ausbeutung

Mit der Frage nach der Abwehrhaltung ist es komplizierter, wie so oft, wenn der moralische Zeigefinger ins Spiel kommt. Gerade weil Menschen einordnen, zuordnen und vorverurteilen, ist es schwer, eine Haltung zum Thema der kulturellen Aneignung zu entwickeln.

Kulturellen Austausch und somit auch den Handel mit und die Weitergabe von kulturraumtypischen Objekten hat es schon immer gegeben. Das ist jedoch nie im luftleeren Raum geschehen, sondern im Kontext von Kolonialherrschaft, (Kultur-)Imperialismus und den impliziten ungleichen Machtverhältnissen – der „Austausch“ ist daher im Kern kein Austausch, sondern oft gewaltsame Ausbeutung. Die Mächtigen nehmen und entscheiden in der Regel einseitig darüber ob sie im Gegenzug etwas dafür geben wollen, und falls ja, was.

Kulturelle Aneignung bedeutet daher nicht, auf gleichberechtiger Ebene ein spezifisches Gut auszutauschen und gleichermaßen dessen Wert und Herkunft zu schätzen. Sie bedeutet: Wir nehmen etwas, das uns nicht gehört, verarbeiten es weiter, deuten es um. Dieses Privileg ist nicht allen vorbehalten.

Materielles und geistiges Eigentum darf entweder gar nicht oder nur unter gewissen Bedingungen vervielfältigt, verändert oder zu kommerziellen Zwecken genutzt werden. Auf Identitäten lässt sich diese Logik nicht übertragen, weil sie – glücklicherweise – immer fluider und vielfältiger werden. Meinen Qipao trage ich selten, was weniger der Tatsache geschuldet ist, dass er kaum alltagspraktikabel ist. Vielmehr widerstrebt es mir, mich in ein Stück Stoff zu kleiden, das mich als „irgendwie asiatisch“ markiert und damit einen Teil von mir extrem verzerrt und vereinfacht.

Kein bloßes Rede- und Verhaltensverbot

Im konkreten Fall von Netta Barzilai geht es indes nicht darum, dass sie als Weiße keinen Kimono tragen darf. Diese zu kurz gedachte Deutung hält sich in Antirassismusdebatten hartnäckig. In den USA wurden unter anderem Beyoncé, Rihanna und Selena Gomez dafür kritisiert, sich mit Auftritten in traditionellen Kleidungsstücken fremde Kulturgüter angeeignet und Stereotype reproduziert zu haben.

Natürlich tragen Asiat*innen auch Jeans und auch nicht-weiße Menschen können rassistisch handeln. Dennoch ist das nicht das gleiche, wie aus einer herrschenden Position heraus Minderheiten zu karikieren und sich über Objekte und Kleidung ungefragt Bestandteile ihrer kulturellen Identität anzueignen. Dieser Kontext ist entscheidend: Marginalisierte können sich in der Regel nicht aussuchen, welchen Teil ihrer Identität sie tragen wollen. Ein angeblich an der Hautfarbe erkennbarer Migrationshintergrund lässt sich nicht ablegen wie ein Kostüm.

Bezeichnend am Auftritt der ESC-Gewinnerin war letztlich nicht die Show an sich, sondern der Umgang mit den kritischen Reaktionen darauf. Warum erkennen wir es nicht an, wenn eingedampfte Asienreferenzen Betroffene wütend machen und verletzen? Wie enttarnen wir rassistische Strategien, die kritischen Stimmen unterstellen, sie würden persönliche Freiheiten durch Rede- und Verhaltensverbote beschneiden wollen? Die Frage lautet nicht, ob die Debatte über kulturelle Aneignung Sinn macht, sondern wie.

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114 Kommentare

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  • Stop Stigmatizing Cultural Appropriation



    areomagazine.com/2...ral-appropriation/

  • Na ja, "Feministin die Karikatur einer Karikatur und im besonderen die Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft als Hintergrund ihrer Aussage gewählt hat"? Ist das denn so eindeutig?

     

    Ich hab beim ersten Sehen des ganzen eher gedacht, dass da bei Björk abgeschaut worden ist (Kostüme, Frisur, Geräuschpassagen im Song). Und die Winkekatzen halt dazu mussten, weil sonst die Bühne so leer gewesen wäre und irgendein Bühnenbildner halt andere Assoziationen hatte.

    • @Helmut Fuchs:

      @Leserkommentarredaktion: P.S. Das vorstehende war als Antwort an Andreas Richert gedacht.

       

      Wenn man sich einmal bei der Anmeldung vertippt, verliert das Eingabefeld den Bezug zum Ausgangskommentar und steht dann ganz oben…

  • ich bin schwul aber ja jetzt kein Schlagerfreund und als ich beim zappen über die fette Weiße gestolpert bin die auf übelst schenkelklopferische Art und Weise Asiatinnen hab karikieren sehen dacht ich als erstes was für ein rassistischer Scheiß erinnert mich an Dschingis Khan und hab weiter gezappt.

     

    später hab ich dann gelesen dass das ein feministisches Statement sein soll, und wenn, wenn sie als Feministin die Karikatur einer Karikatur und im besonderen die Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft als Hintergrund ihrer Aussage gewählt hat ist doch alles in Ordnung, oder?

     

    aber da befind ich mir hier zwischen den verletzten Aufschreien der multikulurellen Männchen in schlechter Gesellschaft.

  • Würde es sich nicht um eine israelische, sondern um eine - sagen wir mal britische - Sängerin handeln, wäre so ein Beitrag nicht geschrieben worden.

    • @Neville Longbottom:

      jetzt ist schon die Verletzlichkeit einer Asiatin durch eine vielleicht falsch verstandene Karikatur antisemitisch - wollen Sie die (anti)semitische Kritik vollends der Lächerlichkeit preisgeben?

  • 9G
    99663 (Profil gelöscht)

    kulturelle aneignung? einverstanden, ich werde keine haiku mehr schreiben, aber nur, wenn meine ostwestfälischen nachbarn endlich damit aufhören, zu allen jahreszeiten lederhosen und dirndl zu tragen und oktoberfest zu feiern. welche sau wird als nächstes durchs dorf getrieben? natürlich gar keine, die pseudolinken tugendwächterInnen rollen stattdessen sicher lieber ein stück tofu durch den hippen kiez. im ernst - kulturelle zitate in kunst oder was sich dafür hält ist fester bestandteil der postmoderne. kunst nimmt sich immer etwas, das ihr nicht gehört, es ist ihre explizite aufgabe, dinge umzudeuten. sie darf dabei sogar verletzend sein, solange sie originalität über ideologie stellt.

    • @99663 (Profil gelöscht):

      Genau! Danke.

  • Zu endegedacht: kein kultureller Austausch = Rückfall zu rein nationaler Identität.

    Ziemlich rechte Vorstellung.

    Ich möcht gerne weiter die praktischen arabischen Zahlen benutzen und auch die praktische lateinischen Buchstaben.

    Runen find ich nicht so praktisch.

    • @Demokrat:

      Geht mir ähnlich ..

    • @Demokrat:

      Indische Zahlen...

  • Ist mit "Weitergabe von kulturraumtypischen Objekten" die Massenproduktion von Stoffen und Kleidungsstücken "made in XYZ" gemeint? Viele Länder haben heute keine Textilindustrie mehr. Man müsste dort heutzutage nakisch rumlaufen.

     

    Oder denkt man wirklich dass ein Kimono, der irgendwo in der Welt getragen wird, aus einem japanischen Museum gestohlen wurde? Das Kultür geraubt wurde?

     

    Der Austausch von "kulturraumtypischen" Mustern und Moden, Techniken usw. ist so alt wie die Menschheit.

     

    Räume kulturell festlegen zu wollen ist das Ding der Identitären.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Ich finde das Thema "Kulturelle Aneignung" bzw. das darauf herumreiten schon etwas zweifelhaft.

    Man ist um Haaresbreite an Leuten und Ideen, die doch "ganz woanders" stehen:

     

    Ethnopluralisten sagen, Leute sollten bitteschön in ihren angestammten Siedlungsgebieten bleiben. Und sich nicht durch Migration andere 'aneignen'.

    Hier nun heisst es: Leute sollten bitteschön bei ihrer angestammten Kultur bleiben. Und sich nicht aus anderen Kulturen Elemente 'aneignen'.

     

    Ein Satz wie: 'Eine deutsche Person soll keine Rastatlocken tragen, denn damit übernimmt sie/eignet sich etwas 'kulturfremdes' an."

    An welcher Randzones des politischen Spektrum würde man das finden, rechts oder links?

  • Zum Begriff der "kulturellen Aneignung" des bösen, weißen Mannes haben schon die Pythons ALLES gesagt:

    https://www.youtube.com/watch?v=CNg0UNTsOYY

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Jens Frisch:

      Wundervoll, einfach wundervoll.

  • Und was war mit dem Manga Outfit der deutschen Teilnehmerin Jamie Lee 2016? Nicht Kultur genug für Kulturelle Aneignung?

  • Auch interessant, dass 2018 Jüdinnen dafür kritisiert werden, sich der japanischen Kultur in kolonialer und ausbeuterischer Manier zu bemächtigen. Jenes Japan, welches mit dem Dritten Reich paktierte, sich die Welt zusammen untertan zu machen, und damit nicht nur indirekt am Holocaust beteiligt war. Aber solange man nur die Labels weiß/asiatisch/POC benutzt, lässt sich dieser Widerspruch perfekt ausblenden. Wunderbare Postmoderne!

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Jo_Berlin:

      ...woher wissen Sie, dass die Gewinnerin des sog. ESC jüdischen Glaubens ist?!

  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    Im Prinzip ist mir völlig gleichgültig ob die "Sängerin" einen Kimono trägt oder ein Baströckchen trägt, es ist der unterirdische Auftritt als solcher der mir missfällt. Ich vermute mal da ging es einfach nur darum durch gezielte Provokation Aufmerksamkeit zu bekommen, ähnlich wie das einem Thomas Neuwirth in seiner Rolle als Conchita Wurst vor einigen Jahren vorpraktiziert hat.

    Ein gackerndes Huhn hat beim ESC einfach nichts zu suchen, der sich ja immerhin als kulturelle Veranstaltung versteht.ö (ob berechtigt oder nicht lasse ich hier mal offen)

    Im Übrigen ist mir neu das Israel sich in Europa befindet, selbiges gilt für Australien.

  • An den US-Unis wird dieses Konzept tatsächlich gelehrt, aber soweit ich weiß, nur als (kleiner) Teil der Rassismusforschung. So wie jeder Ökonom eben auch die Marx'sche Theorie beigebracht bekommt. Aber leider haben einige Übereifrige die "critical whiteness/kulturelle Aneignungs"-Angänge als eigenständige Denkweisen herausgelöst. Und das damit einhergehende Weltbild ist, naja, wie zu sehen, historisch fragwürdig bis falsch, wahnsinnig elitär, fremdenfeindlich und paternalistisch, gepaart mit befremdlich christlichen Erlösungsfantasien und einer beeindruckend stumpfen Elfenbeinturmhaftigkeit. Was für ein grauenhaftes Menschen- und Weltbild.

    • @e-Surk:

      Die strukturellen Parallelen finden sich nicht in akademischen Millieus, sondern in den religiösen Massenhysterien der US-amerikanischen Erweckungsbewegungen, die die für Europäer fremdartige Verschränkung von konservativer Religiösität und Konsumkapitalismus begründet haben. Auch bei diesem Bekenntniskult handelt es sich letztlich um ein identitäres Erdungsangebot im Krisenkapitalismus.

      • @El-ahrairah:

        Schön formuliert!

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @El-ahrairah:

        Wenn's nur konservative Religiösität wäre, müsste das ja nicht weiter stören. Aber nach meiner Erfahrung und Kenntnis ist es weit mehr als das. Die Evangelikalen sind oft durch einem ausgeprägten Aberglauben gekennzeichnet. Sünden werden ja erst durch den Empfang des "Heilgen Geistes" getilgt, solange die Konversion noch nicht stattgefunden hat, verrichten leibhaftige Teufel im Innern der auf die Bekehrung Harrenden ihr Werk. Hat man den Geist erst einmal empfangen, geht damit ein ähnliches Gefühl einher wie jenes bei reichgewordnen Menschen: man bildet sich jetzt ein, etwas fundamental besseres zu sein. Das ist die Erfüllung des "amerikanischen Traums", ohne dass es dafür irgendwelchen Geldes bedarf, ein wundervolles Opium des abgehängten Volks.

         

        Zudem sind die Neophyten sich ja nach Empfang des "Heiligen Geistes" sicher, keine Not mehr leiden zu müssen. Beten reicht aus. Dass sie nützliche Idioten des Kapitalismus sind, dessen Antagonismen sie vernebeln, kommt ihnen nicht im geringsten in den Sinn. Vielmehr sehen sie jene, die ihren "Glauben" nicht annehmen oder anerkennen wollen, als minderwertig an.

         

        Interessant finde ich, dass Trump die jüdische und evangelikale Lobby offenbar gut miteinander verbinden kann. So hat Pastor Robert Jeffress, der bisher gern verkündete, dass Juden in der Hölle schmoren werden, das Eingangsgebet bei der Eröffnung der U.S.-Botschaft in Jerusalem gesprochen, während der evangelikale Prediger John Hagee, der sich schon mit der Ansicht beliebt gemacht, dass Gott den Holocaust erlaubt habe, damit sein Volk wieder nach Palästina zurückkommen könne, das Schlussgebet sprach.

         

        Bei einem Empfang, anlässlich dessen die Kushners um seinen Segen baten, sprach auch Rabbi Yitzhak Yosef. Dieser hatte unlängst schwarze Menschen mit Affen verglichen und gemeint, dass nur Menschen, die von einer weißen Mutter und einem weißen Vater abstammten, es verdient hätten, gesegnet zu werden.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Die Neokonservativen Vordenker (Irving Kristol) geben ja ganz offen zu, dass Religion ihren Wert als Herrschaftswerkzeug erhält, wenn die Massen vom Wohlstabdsversprechen enttäuscht sind.

      • @El-ahrairah:

        Vermutlich. Ich finde es auch interessant, dass ein Konzept, das als ein Ansatz unter den speziellen Bedingungen der USA ja seine Berechtigung haben mag, als eigene Theorie nach Europa geschwappt ist. "Unsere" Schwarzen hier etwa in D stammen fast nie von Sklaven ab, die haben eine ganz andere Geschichte, weswegen das Konzept der "Critical Whiteness" hier nur in Teilen greift. Nur so, als Beispiel

  • Es scheint Diskursstrategie mancher Linker zu sein, sich täglich neue verwerfliche *-ismen auszudenken und Ihre Gegner damit zu bewerfen. Alles richtig zu machen wird irgendwann unmöglich sein. Daß man so dauerhaft ernstgenommen wird, bezweifle ich.

    • @RRunkel:

      Es handelt sich um Formen von Neurose.

    • @RRunkel:

      Alles richtig zu machen ist schon jetzt unmöglich, die Frage ist nur ob man das Pech hat in das Visier der Tugendwächter zu geraten oder nicht.

  • ...dies Konzept "kulturelle Aneignung" ist großteils Quatsch...Natürlich, wenn jemand in abwertender Absicht irgendwelche Stereotype einsetzt, ist das zu kritisieren...Aber, dies war hier nicht der Fall...Außerdem, wo soll das hinführen? Kulturen befruchten sich gegenseitig und dies geschieht großteils durch die Übernahme und Veränderung bestimmter Erfindungen, Moden etc., die es irgendwo schon gibt...und daraus kann dann etwas ganz Neues entstehen...Oder glaubt die "linke" Autorin ernsthaft an vorgegebene, unveränderbare Kulturen, die außerdem auch ethnisch zugewiesen sind ? Das ist eine extrem rechte, nationalistische Einstellung ! Aber, wie wußte schon Sartre: "Die Extreme berühren sich." (Oder habe ich mir mit dem Zitieren jetzt französiche Kultur angeeignet, was ich als Deutscher nicht darf, weil Deutschland Frankreich im 2. Weltkrieg angegriffen, besetzt und ausgebeutet hat...???)

    • @kasus74:

      Die Linke arbeitet sich zur Zeit gerne neurotisch an eingebildeten Problematiken ab, was entscheidend zu ihrem Bedeutungsverlust beiträgt.

       

      Weiterhin macht sich die Autorin selbst der kulturellen Aneignung schuldig, da sie über den Kimono einfach berichtete, anstatt ihn persönlich zu interviewen.

  • Der Austausch unter Menschen existiert bis ins unsere Gene hinein. Wir haben Neandertaler-, Denissovamenschen-Gene, solche der ersten modernen Menschen auf unserem Kontinent und der ersten Bauern aus Mittleren Osten in uns. Ob dieser Austausch immer friedlich vor sich gegangen ist, darf bezweifelt werden. Wir sind das Resultat dieses Austausches und debattieren nun aus dem Elfenbeinturm heraus über kulturelle Aneignung. Ich kann das Wort nicht mehr hören. Es dreht sich um Kimonos, Cornrows, Äusserlichkeiten und Oberflächlichkeiten. Wie wollen wir mit dieser Debatte die offensichtlichen Missstände beseitigen? Zahlreiche afrikanische Länder müssen durch sog. Freihandels(knebel)verträge zusehen, wie ihre Bauern in den Ruin getrieben werden, weil ihnen die Verträge nicht erlauben ihre Landwirtschaft zu schützen. Die EU, mit einer geschützten Landwirtschaft, erlaubt sich hingegen hochsubventioniertes Gemüse und Fleisch in diese Länder zu exportieren, so dass deren Bauern mit den Preisen nicht mehr mithalten können und ihre Existenz verlieren. Wir erfrechen uns unsere Altkleider, natürlich aus Bangladesch, China, Vietnam, an "Hilfswerke" abzugeben, die dann in Afrika das grosse Geschäft machen, indem sie diese Kleider billig verkaufen. Das hat die traditionelle Textilindustrie und die kleineren Manufakturen schwer getroffen. Die Rohstoffförderung durch internationale Firmen, bringt nur Konflikte und verwüstete Landschaften. Zuallerletzt geben wir noch viel von unserem Elektroschrott in Afrika ab. Die können dann schauen, wie sie mit dem Gift zurecht kommen. Als wahre Herrenmenschen entscheiden wir auch noch darüber wann, welche Menschen, weshalb beleidigt sein müssen. Fragen wir doch einfach mal zuerst einen Jungen aus Ghana, der Elektroschrott sortiert, ob er sich beleidigt fühlt, wenn Kim Kardashian sich afrikanisch gibt oder ob er möglicherweise ein dringendes Problem hat, z. B. Schulbildung. Zudem: beleidigte Japaner können sich selber wehren.

    • @ecox lucius:

      Genau. Abgesehen von seiner insgesamt identitär geprägten Denke bevormundet der Artikel Kimonoträger*innen und weist ihnen eine Opferposition zu.

       

      Wenn das nicht vorauseilender ideologischer, dabei verblendeter, Gehorsam ist, weiß ich nicht.

  • Natürlich gibt es kulturelle Aneignungen der widerwärtigsten Art, z.B. die indianischen Traumfänger in Wohnungen und sogar an Autospiegeln neben dem Duftbäumchen, die afrikanischen Masken, pseudoasiatischer Esoterik-Mischmasch, die World-Music von Kommerztypen wie Sting & Co., der ganze neoliberale Tanz-Kult und nicht zuletzt die Begeisterung bürgerlicher Kids für den Ghetto-Kult aus US-Elendsvierteln.

     

    Es könnte auch darüber diskutiert werden, ob der Missbrauch des Elends in den armen Ländern der Südhalbkugel zur Anklage an unseren Lebensstil oder zur eigenen moralischen Überhöhung durch einen ganz bestimmten Menschenschlag bei uns nicht auch eine Art von kultureller Aneignung ist.

  • Wer die kulturelle Aneignung anklagt, müsste eigentlich viel früher anfangen, nämlich mindestens bei der Globalisierung, bei den "spannenden Märkten" unserer Wirtschaftsliberalen, oder bei Feuilletonhelden wie Roger Willemsen sel., der nach Burma jettete, um dort "an einem Fluss" meditierend zu sich selbst zu finden, von Ai Weiwei ganz zu schweigen…

     

    ESC ist nichts anderes als Kommerz und Schlagertrash und wenn sich ausgerechnet die Queer-Szene auf Schlagertrash stürzt um dort irgendwas zur Identitätsstiftung zu finden ist das einfach nur ein Armutszeugnis!

  • "Kulturelle Aneignung bedeutet daher nicht, auf gleichberechtiger Ebene ein spezifisches Gut auszutauschen und gleichermaßen dessen Wert und Herkunft zu schätzen. Sie bedeutet: Wir nehmen etwas, das uns nicht gehört, verarbeiten es weiter, deuten es um. Dieses Privileg ist nicht allen vorbehalten."

     

    Und jetzt möchte ich doch bitte endlich einmal wissen, inwiefern das auf Japan zutrifft. Bei China können wir noch darüber reden, bei Indien und bei afroamerikanischer Kultur schon eher.

     

    Aber bei Japan? Einzige außereuropäische Kolonialmacht, Achsenmacht und mit einem enormen kulturellen Sendungsbewusstsein ausgestattet fehlt mir hier das Verständnis für kulturelle Aneignung. Insbesondere als dass hier ja die sonst übliche Systematik fehlt: Europäer/Amerikaner finden was exotisches und machen es deshalb nach. Stattdessen ist es ja eher so, dass man in Japan merkte, dass es einen Markt gibt und man seitdem damit von dort zugeballert wird. Selbstbestimmter könnte das ganze nicht sein.

     

    Der Austausch erfolgt nunmal speziell im Falle Japans auf Augenhöhe. Ob damit eine besondere Wertschätzung und Respekt für die Herkunft verbunden ist? Keine Ahnung, wie genau sollte das denn aussehen? Liegen Respekt und Wertschätzung vor, wenn Deutsche sich Cowboy-Hüte aufsetzen und Squaredance machen?

  • Wir müssen jetzt sofort unbedingt eine kulturelle Debatte über die Aneignung griechischer Kultur durch das imperiale Deutschland führen.

     

    Goethe Schiller Hölderlin haben Literaturplantagen in elysischen Gefilden betrieben, um den homerischen Rohstoff des Landes auszubeuten.

     

    Welch faustischer Plan da im Pudels Kern wohl hintersteckte? Auch Kraniche sind dabei missbraucht worden.

     

    Wo ist die Gedankenpolizei, wenn man sie mal braucht? Sie zu binden die Gedanken statt sie freizulassen sei Dein Streben

    • @JBS_6623:

      Der Wurm steckt ja nocht tiefer: mein seliger Prof für alte Geschichte hat sich schon damals bitter beklagt, dass die Römer kulturell alles von den Griechen geklaut hätten und ob bei denen schon alles auf dem eigenen Mist gewachsen ist - ist auch mal so ne Frage für sich.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @JBS_6623:

      :-)

  • "Kulturellen Austausch...Handel...Weitergabe von kulturraumtypischen Objekten...im Kontext von Kolonialherrschaft, (Kultur-)Imperialismus"

    Da bin ich echt baff! Die Wikinger beim friedliebenden Handel im Mittelmeerraum als Kolonialherren? Oder als Imperialisten? Marx kam ja erst 1 Jt. später, daher vermutlich auch keine Versuche, auf kommunistischem Wege in korrekt gegenderter Form seine Waren an die Bedürftigsten einfach zu verschenken.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Irgendwie komme ich mit diesem Bild vom bemitleidenswerten und kolonialisierten Ostasiaten in Verbindung mit Japan(Achsenmächte, Hilter-Verbündete) oder auch China(Weltmacht) nicht ganz klar.

     

    Sicherlich spielte auch dort der Kolonialismus eine Rolle, aber wenn es irgendwer geschafft hat, sich von diesem Erbe zu befreien, dann wohl Japan(und China)

     

    Japan: Mit die höchste Lebenserwartung der Welt, Ex-Naziverbündete, wohlhabend, urban, aufgeklärt und alles westliche wird auf japanisch bis ins Unerträgliche verkitscht; und dann kommt eine ISRAELIN und trägt irgendwas traditionelles aus Japan und kann sich dann eine Predigt über "Kolonialsimus" anhören. Hallo, gehts noch?

     

    Ich will hier an dieser Stelle keine Debatte über einen Nahostkonflikt auslösen, aber was bitte hat eine Jüdin aus Israel mit der europäischen Kolonialgeschichte zu tun?

     

    Wenn hier jemand irgendwas geschichtlich in den falschen Kontext setzt, dann wohl die Japan-Freunde und ihre Geschichtsvergessenheit.

     

    An dieser Stelle auch gerne mal bei China melden.

     

    Manoman....

  • Heiliger Bimbam. Was ist das denn für ein Quark? Demnach dürften wir hier keinen Ouzo mehr trinken, weil unsere Regierung Griechenland vor kurzem wieder zur Kolonie gemacht hat. Die kaufen und fahren aber doch Panzer aus Deutschland, dürfen die sich unsere Kultur einfach so aneignen? Obwohl - ist ok, sie sind die Schwächeren.

     

    Mal abgesehen davon, dass ich den vorliegenden Quatsch auch mit Gewalt nicht in den Auftritt von Netta reininterpretiert bekomme, ahne ich vermutlich, woher das Unbehagen und die Motivation für den Artikel kommt.

     

    Es gibt genau *ein* handfestes Kriterium:

     

    Machtmissbrauch.

     

    Solange Machtmissbrauch nicht volle Aufmerksamkeit bekommt und in jedem Bereich angegangen wird, sind solche Verrenkungen müßig und lächerlich.

     

    Wir unterscheiden ständig. Aber jede Form von Diskriminierung (Geschlecht, Alter, Farbe, Einkommen, Herkunft, Bildung, Aussehen, ...) ist erst dann ein Problem, wenn mit der Unterscheidung eine Herabwürdigung, Ausnutzung oder Ausbeutung verbunden ist. Eben Machtmissbrauch. Das meint auch #metoo und Netta. Nur: Solange Machtmissbrauch isoliert in einem Bereich betrachtet wird und nicht als das zugrundeliegende Problem wahrgenommen wird, wird sich nichts ändern, weil wir dann das Prinzip nicht in Frage stellen.

     

    Unsere Fabrikschiffe fischen Afrikas Küsten leer. Für unsere Smartphoneakkus holen im Kongo Kinder das Kobalt aus der Erde. Das ist Machtmissbrauch. Und? Kräht ein Hahn danach? Läuft doch gut für uns.

    • @uvw:

      Klasse Kommentar. Ich sehe es auch so, dass manche Linke inzwischen Einzelphänomänen hinterherjagen und den Zusammenhang völlig verloren haben.

       

      Es geht immer um die Machtverhältnisse.

       

      Sich über einen Kimono bei dieser ohnehin nichtssagenden Veranstaltung aufzuregen, bei der Authentizität ja gerade keine Rolle spielt, zeugt von einem identitären Tunnelblick.

    • @uvw:

      Ja @UVW ! ..sehe ich auch so ! ..es gab ja in der "Postmodernen Debatte" der 80er und 90er die schöne Vision einer kosmopolitischen , friedlichen Weltkultur der Ästhetischen Moderné:

      ..ermöglicht durch die Informationstechnologie, das "alle Geschehnisse " in der Welt überall in Nullzeit bekannt waren. Der `Mix´der Stilarten in der Architektur, in der Bekleidung , in der Literatur... als Mix der globalen Kulturvielfalt ! Leider führt Machtmissbrauch , oftmals im Namen antiker Religiosität, oder im Namen politischer/ökonomischer Angst.. zu einer bekloppten , rationalen Reprovinzialisierung der Lebensstile und der Wertehaltungen...

      Mehr erneutes Ästhetisches Denken ? Im Sinne des SCHÖNEN-WAHREN-GUTEN ?

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      Ihr letzter Absatz beschreibt das Thema, auf das wir uns wirklich konzentrieren müssten. Wir externalisieren tagtäglich Gewalt durch unseren Konsum und dann gehen wir hin und mockieren uns über eine junge Frau in einem japanischen Kostüm, die wir eben noch als Freiheitsheldin gefeiert haben.

       

      Ihre unangepasste Haltung habe eine feministische Botschaft! Lächerlich, zumal wenn die "unangepasste Kleidung diese konterkariert! Die ach-so-freie Welt der Hedonisten wähnt sich umso freier, je unangepasster sie sich stilisieren kann. Dabei ist gerade das Wegschauen die wichtigen Dinge betreffend und die Selbstfeierei an Spießigkeit und Angepasstheit nicht zu überbieten.

       

      Das selbstverliebte Schmoren in der eigenen libertinären Filterblase ist offenbar schon derart zur Selbstverständlichkeit verkommen, dass man sich lieber um solch ungeheuer wichtige Dinge kümmert wie ein angeblich sexistisches Gedicht an der Wand einer Berliner Hochschule, Gendersternchen und die Zensur alter Kinderbücher, weil da "Neger" drinsteht, als um die handfeste lokale und globale Ungerechtigkeit, an der wir durch unseren Lebensstil mitschuldig werden.

       

      [Es ist irgendwie wie mit den Schoßtieren. Für die häkelt man Westen, damit sie nicht frieren, vermeinschlicht sie und stellt ihre Bedürfnisse auf dieselbe Ebene wie die eigenen. Zugleich verleibt man sich das Fleisch anderer ebenso empfindsamer Tiere ein, wie das Schoßtier eines ist.]

       

      Wenn dann noch ein missionarisches Sendungsbewusstsein hinzukommt, wird das ganze vollends zur Farce. Dabei ist das Thema ist an sich durchaus bedenkenswert.

  • Nun, bevor die Autorin uns fragt, warum wir nicht anerkennen, wenn Betroffene wütend und verletzt sind, sollte sie doch erst einmal nachweisen, welche Japaner sich wütend und verletzt über die Show der israelischen Künstlerin gezeigt haben. Es ist eine ziemlich herablassende paternalistische Einstellung sich stellvertrend für die wirklich Betroffenen zu äussern, die dadurch entmündigt werden.

  • "Warum ist es dennoch so schwer, kritische Haltungen zum Thema zu entwickeln?"

     

    Meine vorläufige Antwort, nachdem ich mehrere Artikel in der TAZ dazu gelesen habe: Weil das ganze Thema gequirlter, konservativer BS ist.

     

    Beim Lesen von Texten über kulturelle Aneignung stellt sich bei mir immer ein Gefühl der Hilflosigkeit ein: Es fühlt sich regelmäßig so an wie wenn mir jemand ein zu einem Block gepresstes Auto aus der Schrottpresse vor die Tür setzt und mir dann sagt, dass ich verstehen müsse, dass das ein legitimes Fahrrad sei.

     

    Anhänger*in Kulturelle Aneignung: "Hier ist ein gutes, legitimes Fahrrad. Damit musst Du Dich in Zukunft fortbewegen."

     

    Ich: "Das ist ein gepresstes Auto."

     

    AKA: "Sag mir bitte mal wo hier im Detail kein Fahrrad ist?!"

     

    Ich: "Äh, überall? Das ist ein gepresstes Auto."

     

    AKA: "Sorry, Du kannst hier nicht mitreden. Indem Du sagst, dass das kein Fahrrad ist, zeigst Du dass Du privilegiert bist. Als privilegierte*r kannst Du nichts dazu sagen."

     

    Ich: "Aha."

     

    AKA: "Das Fahrrad funktioniert. Wenn Du es nicht benutzen willst, bist Du moralisch ein Autofahrer."

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Hanno Homie:

      Ihr Beispiel ist tatsächlich ähnlich skurril wie die Diskussion um diesen Auftritt.

  • Der Autorin sei dafür gedankt, dass ihre Ausführungen klar machen, wie absurd das ganze fragwürdige Konzept der kulturellen Aneignung ist. Japan war nie eine Kolonie, sondern selber Kolonialmacht, während Juden immer wieder verfolgt wurden. Trotzdem wird die israelische Künstlerin wegen ihrer angeblich weißen Hautfarbe zu einer Angehörigen einer herrschenden Rasse erklärt, die sich der kulturellen Aneignung schuldig macht, wenn sie sich Symbole der vermeintlich unterdrückten japanischen Rasse aneignet. Die Autorin entlarvt ungewollt, wie zutiefst rassistisch diese Kritik der kulturellen Aneignung in Wirklichkeit ist und wie sehr es eine äußerst beschränkte, rein westliche Perspektive darstellt.

    • @vulkansturm:

      Danke, sehr überlegte Kommentare hier.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @vulkansturm:

      Danke, meine Rede!

  • "Wie enttarnen wir rassistische Strategien, die kritischen Stimmen unterstellen, sie würden persönliche Freiheiten durch Rede- und Verhaltensverbote beschneiden wollen?" Manche (nicht alle natürlich!) kritischen Stimmen möchten das aber sehr wohl und kämpfen mit dem Argument der Cultural Appropriation/ etwa dafür, dass bestimmte Gemälde weißer KünstlerInnen, die Schwarze darstellen aus Museen/Galerien verschwinden und nicht mehr verkauft werden oder möchten ihnen generell das Recht absprechen, Menschen anderer Hautfarben darzustellen https://mobile.nytimes.com/2017/07/27/arts/design/dana-schutz-emmett-till-painting-protests.html https://m.tagesspiegel.de/kultur/kontroverse-um-open-casket-von-dana-schutz-im-leid-geteilt/20281076.html

    Das geht dann auch durchaus über eine gewöhnliche diskursive Auseinandersetzung hinaus. Klar ist es legitim, Unmut über und Kritik an dem Auftritt zu äußern. Ebenso legitim ist es dann aber auch, auf der anderen Seite zu sagen, dass man diese Kritik für unbegründet bzw. zu weitgehend hält. Das heißt auch nicht automatisch, dass man/ frau RassistIn ist, sondern möglicherweise nur, dass man den speziellen Punkt in dem Zusammenhang anders bewertet.

     

    Was Madame Butterfly angeht: ja, die Protagonistin wird sehr stereotyp, schwach und ergeben dargestellt. Man könnte/sollte dabei jedoch auch beachten, dass in der romanischen Oper generell und gerade bei Verdi und Puccini fast alle Frauencharaktere sehr stereotyp sind - stark nach dem Prinzip selbständig-starke, dabei aber durchtrieben "böse" Frau einerseits gegen liebende, schwach-naiv ergebene "gute" Frau andererseits, die sich ganz und gar für ihren Mann (auf)opfert. Zum Schluss sind oft Protagonisten, vor allem mindestens eine der Frauen, tot (vgl. z.B. La Traviata, La Boheme) . Das ist nicht unbedingt ethnisch gebunden, mag aber da noch verstärkt werden/ wirken. Wie gesagt, die Thematik ist komplex und umfassend.

  • Für die sofortige Rückgabe der Kulturtechnik Kartoffelanbau an die angestammte Bewohner*inennschaft der Andenregion und Porzellangeschirr muss endlich auch exklusiv Personen mit nachgewiesen chinesischer Abstammung vorbehalten bleiben, dann können die Weißen ganz nach kultureigener Sitte bei Getreidebrei aus dem Holznapf über ihre Privilegien reflektieren.

     

    Aber ernsthaft, muss man nicht annehmen durch die exklusive Reservierung bestimmter kultureller Symbole und Praktiken für Angehörige der entsprechenden Nationalität (iSv: Zugehörigkeit per Geburt) der Entstehung von Exotisierung, Rassifizierung, Othering und letztlich Diskrimminierung und Abwertung nicht gerade noch Vorschub geleistet wird? Im Grunde müsste doch schon ein Blick auf die "Kopftuchdebatte" reichen um zu verstehen wie sehr kulturelle Exklusivität (in den de-facto vorhandenen rassistischen Strukturen) auch zu Ab- und Ausgrenzung führen kann.

     

    Black and White, unite! Unite!

    White and Black, die Schranken weg!

  • Ich hab‘s woanders schon mal geschrieben:

     

    Erstens, der inhaltliche Fehler:

     

    Veränderungen von Kultur und von kultureller Identifikation sowie kultureller Transfer und Austausch sind unvermeidlich und finden seit jeher überall unablässig statt. Kulturelle Unterschiedlichkeit beginnt bei den kleinsten Denkroutinen und Praktiken. Es lässt sich schlechterdings keine sinnvolle Trennlinie zum Nichtkulturellen ziehen. Schon aufgrund dieser universalen Differenz bleibt jeder Versuch einer präzisen Abgrenzung von kulturellem Austausch zu kultureller Aneignung sinnlos. Ganz egal, von welchen Machtverhältnissen der jeweilige Transfer in welchem Ausmaß strukturiert wird.

    Eine An- oder Zueigenbarkeit des Kulturellen würde aber nicht nur eine, aufgrund seines fluiden Charakters unmögliche, Fixierung der kulturellen Phänomene selbst voraussetzen, sondern auch eine Fixierung und damit (zumeist ethnische) Essentialisierung der Gruppen seiner Träger.

    Sprich: Als gruppenbezogenes, normatives Konzept ist kulturelle Aneignung ohne Essentialismen unmöglich. Andernfalls wäre es auf die Realität nicht anwendbar.

     

    Zweitens, der politische Fehler:

     

    Die Idee fügt sich passgenau ein in den die globale Neoliberalisierung begleitenden Trend zum reaktionären Rückzug auf das Ethnisch-Kulturelle, Nationale, Religiöse. Indem sie mittels ethnisch-kultureller Zuschreibungen konstruierten Gruppen Besitzrechte zuweist oder abspricht, trägt sie nicht dazu bei, Macht- und Besitzasymmetrien aufzudecken, sondern verschleiert sie vielmehr. Denn diese Asymmetrien verlaufen in aller Regel nicht entlang ethnisch-kultureller Grenzen, sondern quer durch fast alle (wie auch immer gearteten) Volksgruppen und Nationen. Ausbeuter und Ausgebeutete, Unterdrücker und Unterdrückte gibt es überall.

    Es ist daher genauso unerheblich, mit welchen vermeintlichen ethnisch-kulturellen Besitzrechten ein Milliardär aus Gütern und Ideen Profit schlägt, wie es legitim ist, wenn ein armer Schlucker das ohne solche Rechte versucht.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Ruhig Blut:

      .

      Das Profane und das Heilige.

      Als einem, für den persönlich das Heilige eine nicht-existierende Qualität darstellt, würde ich dennoch größte Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen, sobald der kleinste Verdacht besteht, dass heilige Räume oder Gegenstände anderer touchiert oder betreten werden.

      Ich vermute Sie würden das aus demselben Respekt heraus eine ähnliche Haltung einnehmen.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Ja, selbstverständlich. Und je fremder und v. a. verletzlicher der Kontext und je stärker man selbst als fremd wahrgenommen wird, desto mehr.

        Aber immer aus Respekt Menschen gegenüber und nicht gegenüber dem Gedöns selbst.

  • "Bezeichnend am Auftritt der ESC-Gewinnerin war letztlich nicht die Show an sich, sondern der Umgang mit den kritischen Reaktionen darauf."

     

    Bezeichnend ist nur, dass die Diskussion erst aufkam, nachdem sie gewonnen hatte. Das Video war seit Monaten auf youtube...

  • "Warum erkennen wir es nicht an, wenn eingedampfte Asienreferenzen Betroffene wütend machen und verletzen."

    Grundsätzlich erkenne ich das an. Aber ob man bei Winkekätzchen von "eingedampft" sprechen kann wage ich z.B. zu bezweifeln, da sie auch aktuell in sämtlichen Asia-Läden von AsiatInnen an AsiatInnen ebenso wie Menschen anderer Herkünfte/Ethnien verkauft wird. Sie sind also nicht bloß Klischee sondern gelebte (und kommerziell ausgerichtete) Realität. Diese dann auch in kommerziellem Interesse künstlerisch einzubinden kann ich persönlich nicht per se verwerflich finden.

    "Dennoch ist das nicht das gleiche, wie aus einer herrschenden Position heraus Minderheiten zu karikieren und sich über Objekte und Kleidung ungefragt Bestandteile ihrer kulturellen Identität anzueignen."

    Ob eine jüdische Djane in Bezug auf den Rest der Welt tatsächlich mehr die herrschende Position als die marginalisierte Minderheit repräsentiert und weniger marginalisiert/diskriminiert wird als Menschen asiatischer Herkunft vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Aber das tut vermutlich auch wenig zur Sache, denn man kann natürlich nicht selbst erlebten gegen selbst ausgeübten Rassismus aufwiegen. Dennoch, ich kann mit diesem Konzept der kulturellen Aneignung nicht so recht warm werden. Ob die Dinge wirklich gewaltsam angeeignet wurden oder nicht z.T. auch von den Ursprungskulturen (z.B. Nahrung, Winkekatzen, traditionell inspirierte Kleidungsstücke) aktiv exportiert, finde ich ebenfalls nicht immer eindeutig abgrenzbar. Die Sache ist komplex und schwierig.

  • Ich möchte gern Frau Hierse meine Hochachtung für diesen differenzierten und sachlichen Artikel aussprechen.

     

    Es ist mit das Beste, was ich je zum Thema gelesen habe.

    • @rero:

      Das ist nicht schwer. Immerhin geht es um ein erfundenes Thema. Da gibt es nicht viele Artikel :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie haben recht, es ist ein Nischenthema - und das ist wohl auch gut so. :-)

         

        Den Artikel finde ich gut, weil er unideologisch versucht, den Leser mitzunehmen. Das schaffen nicht viele Autoren zu diesem Thema. Es muss total schwer sein.:-)

        • @rero:

          Das ist kein Nischenthema. Das ist überhaupt kein Thema.

  • “Warum erkennen wir es nicht an, wenn eingedampfte Asienreferenzen Betroffene wütend machen und verletzen?”

     

    Das erkenne ich gerne an und ich rate jeder betroffenen Person dringen sich in therapeutische Behandlung zu begeben.

     

    “Die Frage lautet nicht, ob die Debatte über kulturelle Aneignung Sinn macht, sondern wie.”

     

    Ich würde es mal mit einem Comedy-Format versuchen, denn auf mich wirkt diese Debatte auch jetzt schon wie ein Monty Python Sketch.

  • jeder mensch muss sich eine kultur nach der geburt aneignen und hat die grundsätzliche freiheit dabei zu wählen.

    • @Rudolf Fissner:

      Nicht wenn es nach den Jüngern der Critical Whiteness oder der Alt Right geht.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Januß:

        Alt Right und Control Left ergänzen sich ja auch recht gut!

      • @Januß:

        Hat er Jehova gesagt? Nein, schlimmer noch, Hufeisen!

      • @Januß:

        Richard Spencer, Chef der Alt Right in den USA, brauchte für ein Gerichtsverfahren 20000$. Die Kohle wollte er sich von seinen Fans über eine Crowdfundingkampagne holen. Nach Ablauf der Frist hatte er sage und schreibe 230$ eingenommen. Dies zeigt wie unglaublich schwach die Alt Right ist und sie wäre sicherlich schon längst erledigt wenn sie nicht von (linken) Medien ständig und künstlich zur ultimativen Gefahr aufgebläht werden würde....

        • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

          Bitte nennen Sie die Internetseite zu dieser trostreichen Nachricht über das Crowdfunding - Resultat. Danke

        • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

          Ja das zum einen, zum anderen hat man auch große Probleme Alt Right und Alt Right auseinanderzuhalten. Die Alt Right um Richard Spencer ist eine relativ kleine Gruppe, die tatsächlich aus Weißen Nationalisten besteht, die einen Ethnostaat errichten wollen.

          Auf der anderen Seite gibt es einen Haufen Trolle, die sich zur Zeit der Wahl um Milo Yiannopoulos herum gesammelt haben. Diese haben das Label "Alt Right" gekapert und haben Stimmung für Trump gemacht. Diese Bewegung ist deutlich größer gewesen, hat damit aber auch den Zorn der Alt Right um Spencer auf sich gezogen. Diese Leute haben konservative Positionen offensiv beworben und sich gegenüber ihren politischen Feinden respektlos verhalten. Aber so radikal wie Spencer und Co sind sie bei weitem nicht gewesen.

          In Deutschland ist sich dieses Unterschiedes kaum jemand bewusst.

  • „Kulturelle Aneignung“ ist doch selbst nur ein Konzept zur Akkumulation von Sozialkapital zwecks Distinktionsgewinn.

  • das gerede davon, dass "kulturelle aneignung" rassistisch sei, ist doch an den dreadlocks herbeigezogen. viel schlimmer sogar: diese ganze denke scheint mir höchst rassistisch. da wird von irgendwelchen leuten festgelegt, die einen (Rasse X) dürfen sich nicht mit symbolen von anderen (Rasse Y) schmücken. Warum? das erschließt sich mir nicht. hauptsache, Rasse X und Rasse Y bleiben möglichst getrennt und die jeweilige kultur möglichst "rein" und unverwischt/-mischt. um bei den dreads zu bleiben: ich hatte bisher nicht den eindruck, dass die größten rassisten unter den dreadlock-träger*innen zu finden sind. sondern eher unter denjenigen, die lieber klar abgetrennte "rassen" haben. ist die AfD eigentlich auf den zug des "cultural appropriation bashing" schon aufgesprungen?

    • @Lupo:

      Sehr gut auf den Punkt gebracht.

      Wo bleibt der Austausch, wenn alles auf Kolonialismus und Ausbeutung runtergebrochen wird? Neben Krieg gab es doch immer auch friedlichen globalen Handel.

  • Puh. Hinter dem Text steckt bestimmt gute Absicht, aber nach solchen Sätzen fällt es mir schwer, das als Diskussionsbeitrag ernst zu nehmen:

     

    "Kulturelle Aneignung ist eine rassistische Praxis. " – Die hier im Anreißer vorgenommene Gleichsetzung von Kultur und "Rasse" könnte direkt aus einem Wörterbuch der Identitären kommen.

     

    "Das ist jedoch nie im luftleeren Raum geschehen, sondern im Kontext von Kolonialherrschaft, (Kultur-)Imperialismus und den impliziten ungleichen Machtverhältnissen – der „Austausch“ ist daher im Kern kein Austausch, sondern oft gewaltsame Ausbeutung." – Echt jetzt? Wirklich nie? Gibt es Belege für die so breit ins Allgemeine ausgedehnte These?

     

    Es gibt sehr wahrscheinlich viele wirklich kritik- und diskussionswürdige Aspekte kultureller Aneignung.

     

    Bei mir entsteht aber mehr und mehr der Eindruck, dass die vokalsten Kritiker "kultureller Aneignung" die Eigenschaft eifernder Jünger haben: Halb verstandenes und schlecht analysiertes wird zur verbindlichen Wahrheit erklärt. Mit nur einem Hammer im Werkzeugkasten sieht eben alles aus wie ein Nagel.

     

    (Gilt übrigens auch für Queer Theories – da gibt es von Jüngern und Hassern allerlei Unfug zu hören. Und beide Gruppen haben scheinbar nicht alles so ganz verstanden, aber es gemeinsam geschafft, dem vernünftigen Kern einen schlechten Namen zu geben.)

  • "Das ist jedoch nie im luftleeren Raum geschehen, sondern im Kontext von Kolonialherrschaft, (Kultur-)Imperialismus und den impliziten ungleichen Machtverhältnissen – der „Austausch“ ist daher im Kern kein Austausch, sondern oft gewaltsame Ausbeutung. Die Mächtigen nehmen und entscheiden in der Regel einseitig darüber ob sie im Gegenzug etwas dafür geben wollen, und falls ja, was."

     

    Diese Aussage ist historisch falsch. Wer sich mit der Geschichte des Kolonialismus wissenschaftlich auseinandersetzt, findet unzählige Beispiel für die von Europäern ungewollte (weil Grenzen infragestellende), aber nicht zu verhinderne Übernahme, Umdeutung, kreative Weiterverabeitung und subversive Überhöhung kultureller Artefakte europäischer Herkunft.

     

    "...und sich über Objekte und Kleidung ungefragt Bestandteile ihrer kulturellen Identität anzueignen."

     

    Wen genau sollte man denn fragen? Kultur ist keine Substanz, die durch Diebstahl weniger wird und die eineN Besitzer_in hat.

     

    [Kulturelle Aneignung heißt]: "Wir nehmen etwas (machen alle), das uns nicht gehört (es gehört niemandem - die Diskussion geht schließlich nicht um Raubkunst, sonderm um Massenartikel), verarbeiten es weiter, deuten es um (Normalität auch und gerade in kolonialen Verhältnissen)."

     

    Schließlich die Rede vom Privileg: stimmt, für den postmodernen, spätkapitalistischen, weißen Menschen sind Aneignungen keine Kämpfe, sondern ästhetische und lebensstilrelevante Entscheidungen; für die (Ex-)Kolonialisierten sind sie hingegen Ausweise des Angekommenseins oder wenigstens sichtbare Zeugnisse ihrer persönlichen und politischen Ambitionen. Wo liegt das Problem?

  • "Und warum löst allein der Verweis auf kulturelle Aneignung solche Gegenwehr aus?"

     

    Weil es an den Haaren herbei gezogen ist? Gibt es nicht genug Probleme auf dieser Welt? Oder warum muss man welcher erfinden?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich würde ergänzend sagen:"Vor allem weil es ein Generalvorwurf ist."

  • 9G
    99960 (Profil gelöscht)

    Man kann sich nicht von den Dingen befreien, sondern nur inmitten der Dinge!

  • Nach der Argumentation machen sich alle nichtwestlichen Popstars, die in westlichen Outfits auftreten, auch schuldig. Die einen nennen es kulturelle Aneignung, die anderen Austausch. Ausgerechnet Japan exportiert nun wirklich seine Kultur sehr offensiv global mit hohem wirtschaftlichen Erfolg - und jetzt sollen sie arme Opfer sein, dass ihre Kultur von denen benutzt wird, an die sie verkauft wird?

  • Nicht nachvollziehbare Argumentation. Japan war nie kolonialisiert, sondern selbst Kolonialmacht. Das Argument, man würde sich mit einem Kimono die japanische Kultur aneignen, würde dann auch bedeuten, dass ein Japaner, der Lederhosen trägt, nicht korrekt handelt, weil er sich die bayerische Kultur aneignet.

     

    Man könnte das statt "Aneignung" auch einfach "Austausch" nennen. Solange man Bräuche und Kleidung anderer Kulturen respektvoll übernimmt und nicht, um diese Kulturen herabzuwürdigen, ist dagegen meines Erachtens nichts zu sagen.

     

    Ich bezweifle im Übrigen, dass die "Betroffenen" (also Japaner) wütend waren, wie im letzten Absatz suggeriert wird. Das ist wohl eher ein westliches Phänomen.

  • Welche Meinung vertritt die Autorin denn nun?Im drittletzten Absatz schreibt sie "Im konkreten Fall von Netta Barzilai geht es indes nicht darum, dass sie als Weiße keinen Kimono tragen darf." Also hat sie nichts dagegen, dass Netta Barzilai als "Weiße" einen Kinono trägt!?

     

    Aber im letzten Absatz heißt es Bezeichnend am Auftritt der ESC-Gewinnerin war letztlich nicht die Show an sich, sondern der Umgang mit den kritischen Reaktionen darauf. Warum erkennen wir es nicht an, wenn eingedampfte Asienreferenzen Betroffene wütend machen und verletzt?" Also hält die Autorin die Kritik an Netta Barzilai doch für berechtigt!?

     

    Und außerdem steht da was von "Kolonialherrschaft", "Mächtigen" und "Marginalisierten". Was hat das mit Netta Barzilai und ihrem Auftritt zu tun? Ist Japan neuerdings das Opfer der Kolonialherrschaft israelischer Jüdinnen? Sind jüdische Israelis "mächtiger" als Japaner? Und: Werden Japaner in vielen Ländern verfolgt oder Juden? Stehen in Deutschland jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz oder japanische? Werden Juden als solche angegriffen oder Japaner? Die Autorin stellt die Verhältnisse auf den Kopf.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Budzylein:

      Danke schön. Bin ich wohl nicht der einzige, dem die ganze Chose etwas voluntaristisch vorkommt.

  • Die Reproduktion in der Wahl der Stilmittel. Darum geht es doch! Inwiefern zeigen sich marginalisierte Gruppen oder Ethnien in ihrer Ausbeutung vulnerabler? Oder weshalb gibt es hier einen Herrschaftsdiskurs? Ich bezweifle nicht das es hier mehr um die rassistische Haltung einer ganzen Audience geht (Konsument) und weniger um die Haltung einer einzelnen Person(Künstler). Doch meine Einschätzung in diesem Fall bleibt die gleiche. Das Explizite Kostüm der Künstlerin ist in ihrer kritischen Botschaft und im Kontext zu sehen. Eine Geisha ist kein emanzipiertes Wesen, allein ihrer Haltung nach. Deshalb ist allein ist ihre Interpretation und Kritik in diesem Stück Musik formschlüssig umd daher Wahr. Not your toy.

  • Die "eingedampften Asien-Referenzen" machen Betroffene wütend? Dafür hätte ich gern einen Beleg. Mir kommt es vor, als würde es eher ein paar Wohlstands-Kids im Elfenbeinturm erregen.

  • Glücklicherweise ist das nächste Halloween noch weit entfernt. Hab also genug Zeit mir zu überlegen welches Köstum die "kulturelle Aneignungsfraktion" am meisten aufregen wird.... :-)

  • Ich kann kulturelle Aneignung als rassistisches Problem bei den lächerlichen "Indianer"-Kostümen erkennen, oder auch, wenn sich eine privilegierte Kultur bei Minderheiten bedient, und deren Kultur zu Geld macht- sei es Musik, Mode oder was auch immer.

     

    Aber bei Netta kann ich das nicht erkennen. Zum einen sehe ich ihren Auftritt als Mash-up aus K-Pop, J-Pop und Manga/Cosplay. Ein Popkultur, die sehr stark auf Verehrung und Würdigung durch Nachahmung setzt. Da kann ich überhaupt kein Lächerlich machen erkennen. Japan ist für mich zum anderen auch keine unterdrückte Kultur und keine Nation, die durch Kolonialisierung der Europäer kulturell ausgebeutet wurde. Finde also: Nettas Auftritt wird aus meiner Sicht hier falsch verstanden. Wenn wir jedes kulturelle Zitat rassistisch deuten, haben wir ein Problem. Dann ist interkultureller Austausch kaum noch möglich und unsere Kulturen stagnieren alleine vor sich hin.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe das Konzept einfach nicht.

     

    Sind Asiatinnen mariginalisert?

     

    Ist der gesamte nicht afroamerikanische Hiphop nur ein kultureller Diebstahl?

     

    Wo verläuft denn die frontline in dieser Auseinandersetzung?

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Soweit ich es verstanden habe:

       

      Die Frontlinie verläuft zwischen Weiß und Nichtweiß. Das Ganze definiert sich aber nicht wirklich über die Hautfarbe.

       

      Es geht nämlich um strukturelle Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft. Diese Hierarchisierung ist die Säule des Ganzen.

       

      Um es zu verstehen, nehmen Sie am besten die Gesellschaft der USA. Übertragen auf andere Gesellschaften, wird die Theorie schnell inkohärent.

       

      Sie brauchen außerdem ein völkisches Verständnis von Kultur. Sobald Sie moderne Konzepte, z. B. Transkulturalität, nehmen, funktioniert es nicht.

       

      Weiß ist die Norm. Wer nicht Weiß ist, wird in der Gesellschaft marginalisiert, so die Grundannahme. Man ist als Nichtweißer strukturell machtlos.

       

      Das heißt im Prinzip, dass der schwarze Filmstar auf der Metaebene marginalisiert ist, während der Weiße Obdachlose privilegiert ist. Denn entscheidend ist die Metaebene.

       

      Rasse und Rassismus ist ein soziales Konstrukt der Weißen Oberschicht. (Wir befinden uns gedanklich in den USA!) Auf Grund der Gesellschaftlichen Verhältnisse gehören Nichtweiße nicht zur Elite und können deshalb per definitionem nicht rassistisch sein.

       

      Nicht-afroamerikanischer Hiphop ist deshalb überwiegend kulturelle Aneignung. Rassismus funktioniert so ähnlich wie eine weiße Erbsünde. Sie können bereuen und Läuterung suchen. "Name it, blame it, shame it!" lautet ja die Devise. Wenn Sie bereuen und der afroamerikanischen Kultur Rerspekt erweisen, dann dürften Sie eventuell Hiphop machen. Wichtig ist dabei aber, dass die Kultur nicht verändert wird oder verloren geht.

       

      Umgekehrt könnte eine südamerikanische Künstlerin beispielsweise keine kulturelle Aneignung betreiben, weil sie nicht zur herrschenden Elite der Weißen gehört.

       

      Asiatinnen sind grundsätzlich marginalisiert, weil sie nicht der weißen Norm entsprechen. Werden sie exotisierend bewundert, bedeutet das eine Reduktion auf ihr Asiatischsein und stellt eine versteckte Marginalisierung dar.

      • @rero:

        Zitat: Sie brauchen außerdem ein völkisches Verständnis von Kultur.

         

        Das macht es halt so seltsam, dass angeblich linke völkisch argumentieren.

         

        Sie haben das ja gut erklärt, das macht es ja noch viel unverständlicher.

      • @rero:

        Teil II:

        Werden die Asiatinnen abfällig betrachtet, sind sie sowieso marginalisiert.

         

        Das Konzept bezog sich ursprünglich auf weiße Amerikaner und Afroamerikaner. Die Schwarzen hatten dann wohl ein argumentatives Problem, einem Juden, der möglicherweise im KZ war und jedem Tag Antisemitismus begegnet, zu erklären, er sei privilegiert, während Schwarze marginalisiert werden. Das Problem wurde gelöst, in dem Juden als People of Colour gelten. Bei Muslimen ist es das Gleiche.

         

        Hautfarbe hat nun null Relevanz. Wenn Sie den Namen googlen, werden Sie auf Bildern sehen, dass Frau Yaghoobifarahs Haut weiß wie Schnee ist. Trotzdem gilt sie als Woman of Colour. Für Netta Barzilai müsste eigentlich das Gleiche gelten.

         

        Dass in einigen muslimischen Herkunftsländern die Sklaverei viel länger bestand als in den USA und in arabischen Gesellschaften die Sklavenhaltung eine lange Tradition hat, ist genauso unerheblich wie japanischer Kolonialismus und Chauvinismus, der vielen Chinesen und Koreanern das Leben gekostet hat.

         

        Denn die Critical Whiteness Theory (CRT) betrachtet nur Gesellschaften mit weißer Elite. Deshalb können nur Weiße Rassisten sein. Japanische Chauvinisten sind außerhalb des Systems.

         

        Wenn jemand ergänzen oder korrigieren möchte, ist er herzlich dazu eingeladen. Für Fewhler in der Darstellung entschuldige ich mich im Voraus. Sie waren nicht beabsichtigt.

         

        Ob in dem Konzept eine gewisse Unschärfe mit Hang zur Beliebigkeit drinsteckt?

         

        Ich persönlich fühle mich jedenfalls verar..., wenn Personen mit Eltern aus Gesellschaften, die auf eine Weltmachtposition und eine viele Jahrhunderte lange Sklavenhaltertradition zurückblicken können, sich als Woman oder Man of Colour generieren wollen.

        Rachel Dolezal scheint in der Antirassismus-Bewegung zu wenig aufgearbeitet worden zu sein.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @rero:

          Schließe mich dem Dank an!

           

          Wenn man, wie Sie schreiben, das "Problem" löst, indem man Juden oder Muslime als POCs definiert und nur "weiße Menschen" (also alle, die man nicht in die Kategorie POC aufnimmt) des Rassismus für fahig hält, dann liegt doch dieser Klassifizierung bereits der Fehler zugrunde, der das Problem eben gerade nicht löst, sondern nur den Rahmen dafür absteckt, wo man Rassismus verorten darf und vor allem, wo nicht.

           

          Abgesehen von der willkürlichen Setzung einer solchen Klassifizierung, wird der Diskurs über den Rassismus in vorgesteckte Bahnen gelenkt, also seiner Freiheit beraubt. Das ist m.E. auch das Ziel des gesamten Control-Left-Projekts, das sich m.E. nur an der Oberfläche von der Gegenseite unterscheidet.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Danke.

             

            Es ist inzwischen der Irrsinn eingetreten, dass Leute, die sich für links halten und gegen Diskriminierung vorzugehen meinen, die Denkstrukturen eines Björn Höcke übernehmen.

             

            Unfassbar.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @rero:

          Wow, vielen Dank.

           

          Sie haben sich ja intensiv damit auseinandergesetzt.

           

          Die Sache an sich ist aber ganz schön überkandidelt. Und wird wahrscheinlich bereits, zumindest in den USA, an den Unis gelehrt.

      • @rero:

        Na endlich kapiers selbst ich, Ihr Beitrag sollte der Artikel sein.

      • @rero:

        Dankeschön für die erhellende Ausführung.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Eben. Es wird einer israelischen Popsängerin vorgeworfen, sich an der sehr populären japanischen Popkultur zu orientieren. Gibt es eigentlich die Diskussion auch, wenn sich südamerikanische Künstler wie US-BürgerInnen benehmen?

    • @88181 (Profil gelöscht):

      "Ich verstehe das Konzept einfach nicht."

       

      Glauben sie mir: damit stehen sie weißgott nicht alleine....

  • Oh, rechte und linke Identitäre auf dem Vormarsch.

     

    Wenn Kulturen voneinander lernen, sich austauschen und vermischen oder sich in praktischen Dingen und der Mode inspirieren oder sich gegenseitig Referenzen erweisen finde ich das OK.

     

    Die/der moderne Japaner/in trägt ja auch schon mal Jeans mit T-Shirt und auf dem Oktoberfest Seppelhosen und Dirndel.

    • @Waage69:

      Interessant, dass dann doch immer wir Bayern mit Lederhosen und Seppelhut für angeeignete Kultur als Gegenbeispiel herhalten sollen...das zieht sich durch mehrere Kommentare.

      • @Grmpf:

        Ja nun, ist nun mal auch nicht an den Haaren herbeigezogen und gar nicht mal zwingend bös gemeit.

         

        Im Westfälischen ist es im Bürgertum inzwischen auch üblich vollverkleidet Oktoberfest zu feiern. Ist auch so eine Art Statement. Selbst People of Colour brezeln sich inzwischen für diesen Anlass auf.

         

        Ist mir aber egal, so lange ich da nicht selber hin muss.

        • @Waage69:

          Er hat 'Brezel' gesagt...

        • @Waage69:

          Wundert mich schon seit Jahren..."zu meiner Zeit" galt das als uncool. Heute rennen sie alle in Trachten und Lederhosen (bei uns der Plärrer) zum Volksfest.

  • Sorry, aber diese Belehrungen über exotische Rassismen gehen mir ziemlich auf den Zeiger. Zumal sie alle Leute diskriminieren, die zwar zur projizierten Opfergruppe gehören, das Spiel mit Klischees etc. aber entweder nicht schlimm oder sogar schön oder lustig finden. Nach meiner profunden Erfahrung ist das eher die Majorität innerhalb der hier assozierten Minderheiten. Wer über kulturelle Vielfalt und - Selbstbestimmung referiert, sollte diese auch dahingehend ernst nehmen, dass es mehr Wahrnehmungen und Meinungen dazu gibt als die seine / ihre.

  • Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich für meinen Teil sehe kein Problem an der angeblichen "kulturellen Aneignung" und der Artikel setzt sich gut damit auseinander. Ich bin auf die Diskussion unter dem Artikel gespannt.

     

    Durch die Verwendung von Winkekatze und kimonoartigem Gewand bei dem Auftritt wird meines Erachtens niemand, auch kein Asiate, in der eigenen Nutzung beschränkt oder eingegrenzt. Japaner und Chinesen sind meines Erachtens auch keine marginalisierte Gruppe. Der Auftritt ist daher irgendwie kein passendes Beispiel.

     

    Die Nationalsozialisten haben nordische Runen verwendet. Sicherlich ein gutes Beispiel für ein sogenannte kulturelle Aneignung, den die Nutzung erfolgte in einem vollkommen neuen abartigen Kontext. Stellt diese Nutzung ein Problem dar. Aus meiner Sicht nicht, den die Skandinavier wurden dadurch nicht beschnitten, ebend jene Runen in ihrem alten Kontext weiter zu nutzen und zu gebrauchen. Gleiches gilt auch für das Swastika.

     

    Selbstverständlich anders liegt der Fall, wenn das kulturelle Klischee genutzt wird, um eine Gruppe oder Gruppenzugehörige herabzusetzen. Dann liegen jedoch Rassismus und/oder Beleidigung vor. Dafür braucht es keinen Vorwurf der "kulturellen Aneignung".

  • Holger, der Krampf geht weiter!

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    • @Hampelstielz:

      Der Artikel ist schwachsinnig, da er versucht auf Gedeih und Verderb ein Thema aufzumachen, welches keinen Sinn ergibt. Nichts an der Show der ESC-Gewinnerin ist rassistisch. Der Vorwurf der kulturellen Aneignung setzt voraus, dass es kulturelle Reinheit gibt und könnte glatt die Idee eines Spinners der Identitären Bewegung sein.

      Danke für die Schulmeisterei.

      • @Hampelstielz:

        Sehe ich genauso.

         

        Die Herangehensweise der Autorin basiert auf einer essentialistischen Auffassung von Kultur.

         

        Dieser Artikel hat AfD- Qualitäten.

  • Ich kapiers nicht. Wo ist das Problem, wenn ich einen Kimono tragen will, weil er hübsch ist, ich habe auch nichts dagegen, wenn Japaner Lederhosen tragen.

    Dass es eine Aneignung von Gesetzen, Vorstellungen, Dingen gab und gibt ist offensichtlich, es ist gar ein allgemeines Kulturgesetz (vgl. Rudolf v. Jherings Ausführungen gegen die von Syvigny begründete historische Schule).

    Zudem wo ist die Grenze zu ziehen, darf ein Asiate dann nicht Wagner oder eine Geige spielen, muss ich Die Kunst des Krieges aus meinem Regal werfen. Mir erscheint es verdammt illiberal es zu verbieten, sich bei fremden Kulturen zu bedienen. Zudem ist es sehr einseitig auch in der Darstellung des Artikels, warum die Jeans tragende Asiatin ok ist, wird nicht erläutert.

  • Ok. Anders gewendet - mal so ~>

     

    "Die Frage lautet nicht, ob die Debatte über kulturelle Aneignung Sinn macht, sondern wie."

    vs

    "Die Frage könnte statt dessen lauten, ob die Debatte über kulturelle Aneignung einen Sinn hat - & - wenn ja - welchen?

     

    unterm----------->

    Ja wie? - daß - "...Sinn machen..." eine kulturelle Aneignung via Sprache ist - erheitert dabei zusätzlich!;)

  • Mit Verlaub: der ganze Multikulturalismus ist doch schlicht das Konsumversprechen auf sinnliche Exotik und postmoderne Identitätsbausteine für selbstentfremdete Westler. Wenn die Jungjakobiner von der Critical-Whiteness-Fraktion das jetzt auch noch verbieten wollen, dann bleibt ja nicht mehr viel vom Globalisierungsprojekt außer marktradikaler Ethnopluralismus. Klingt nicht sehr spaßig. Weiß nicht, ob die Kinder der Toskana-Fraktion dafür zu begeistern sind.

    • @El-ahrairah:

      Genau, klasse Kommentar.

       

      Diese Diskussion ist bizarr und geht an den Problemen der Globalisierung und den Folgen von Kolonialismus auf infantile Weise vorbei.

       

      Björk muss ganz schnell ihr asiatisch anmutendes Albumcover einstampfen lassen.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @El-ahrairah:

      Prima Kommentar!

      • @849 (Profil gelöscht):

        Merci :-*