Israelische Angriffe auf den Iran: Bomben stürzen keine Diktatur
Wer Israels Angriffe nun mit der Hoffnung auf einen Regime-Change von außen feiert, hat aus den vergangenen Jahrzehnten nichts gelernt.

M eine Mutter lebt seit 30 Jahren im Exil in Deutschland. Als sie die Nachricht las, dass die 24-jährige Lehrerin Parnia Abbasi nach dem israelischen Angriff auf die Islamische Republik ums Leben gekommen war, rief sie mich an. Mit zitternder Stimme sagte sie: „Wenigstens sind ein paar von den Terroristen des Regimes weg.“ Und dann: „Aber was, wenn das nächste zivile Opfer meine Nichte ist?“ So geht es Millionen Iraner*innen im In- und Ausland – zwischen Hoffnung und Horror, zwischen dem Wunsch nach dem Sturz des diktatorischen Mullahregimes und der Angst vor dem Krieg.
Israels Premierminister Netanjahu betonte zwar, die aus Expert*innensicht völkerrechtswidrigen Angriffe Israels gälten nicht der Zivilbevölkerung. Das sagte er aber auch über Gaza – die Realität ist allseits bekannt. Die Menschen in Iran sind vor den Bomben nicht geschützt – erst recht nicht durch das Regime. Dass ebenjenes Regime seit 46 Jahren antisemitische Vernichtungsfantasien gegenüber Israel vor sich herträgt, darf man auch nicht verschweigen. Es finanziert und unterstützt Terrorgruppen und nutzt sie zur Machtsicherung – jedoch nicht im Namen seines Volks.
Um die Funktionäre des Regimes, die bei den Angriffen getötet wurden, trauert unter den Oppositionellen niemand. Sie sind mitverantwortlich für Terror im Nahen Osten und in Iran. Gleichzeitig trifft jeder Luftschlag nicht nur militärische Ziele, sondern auch jene, die ohnehin wehrlos sind. Zum einen werden Zivilisten getötet werden, zum anderen reagiert das Regime auf außenpolitischen Druck mit noch mehr Gewalt nach innen. Nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 hat sich die Zahl der Hinrichtungen in Iran verdreifacht. Vor allem Kurden und Oppositionelle wurden ermordet, oft unter dem haltlosen Vorwurf, mit Israel zu kooperieren. So auch jetzt: Der Generalstaatsanwalt Irans drohte allen, die sich „falsch“ äußern. Nur wenig später wurden die ersten Social-Media-Nutzer verhaftet.
Nichts gelernt

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Wer diesen Krieg nun mit der Hoffnung auf einen Regime-Change von außen feiert, hat aus den vergangenen Jahrzehnten nichts gelernt. Kriege gewinnen keine Revolutionen, sie stabilisieren Diktaturen. Welches Land im Nahen Osten wurde durch militärische Interventionen von außen demokratisch? Richtig, kein einziges.
Einen Wandel von innen zu unterstützen, hat der Westen versäumt. Europa hätte die Revolutionsgarde auf die Terrorliste setzen, politischen und wirtschaftlichen Druck gezielt gegen die Eliten richten können. Stattdessen wurde verhandelt, hofiert, geschwiegen, während die Menschen protestierten, dafür festgenommen und hingerichtet wurden. Die Menschen, die seit 46 Jahren am konsequentesten gegen das Regime kämpfen, wurden und werden weiterhin ignoriert.
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