Klimawandel und Wirtschaftswachstum: Verzicht auf Wachstum?
Alle wollen Klimaschutz – trotzdem setzen Politik und Zentralbank auf Wachstum. Wie kann der Ausstieg aus dieser Spirale gelingen?
Es ist Zufall, aber trotzdem symbolisch: In Frankfurt bündeln sich derzeit die Dilemmata unserer Zeit. Am Donnerstag beschloss die Europäische Zentralbank, dass sie demnächst wieder Anleihen aufkaufen will – um das Wachstum anzukurbeln. Zeitgleich schlenderte Kanzlerin Merkel über die Automobilmesse und sagte nichts Konkretes zum Thema Klimaschutz – um das Wachstum der Branche nicht zu gefährden. Derweil entrollte Greenpeace beim VW-Stand ein Transparent mit der Aufschrift „Klimakiller“.
Für Samstag und Sonntag sind in Frankfurt weitere große Protestaktionen gegen die Automesse geplant. Denn klar ist: Die Klimaziele werden garantiert nicht erreicht, wenn weiterhin SUVs umherfahren.
Es ist zwar neu, dass auf der Automesse protestiert wird. Aber die Fronten sind altbekannt: Ökonomie steht gegen Ökologie – und im Zweifel siegt der Wunsch nach Wachstum. Viele Deutsche sind zwar schockiert, dass nun schon der zweite Dürresommer zu Ende geht und die Wälder vertrocknen. Auch der Streik der Schüler hat beeindruckt. Doch substanziell ändert sich nichts.
Derzeit verbraucht die westdeutsche Wirtschaft so viele Ressourcen, als ob sie drei Planeten zur Verfügung hätte – es gibt aber nur die eine Erde. Warum wird nicht umgesteuert?
Der Verzicht auf Wachstum ist nicht so einfach, wie viele Klimaaktivisten glauben. Sie meinen häufig, dass es reichen würde, das Volkseinkommen ein bisschen umzuverteilen. Sehr plastisch hat es Tina Velo auf den Punkt gebracht, die die Protestaktion „Sand im Getriebe“ an diesem Sonntag in Frankfurt organisiert. Sie schlägt vor, die heutigen Mitarbeiter der Automobilkonzerne umzuschulen. „Wir werden Busfahrerinnen und Busfahrer brauchen, Pflegerinnen und Pfleger, Erzieherinnen“.
Keine Frage: Deutschland könnte deutlich mehr Personal in Altersheimen und Kitas gebrauchen. Trotzdem geht Velos Aussage am eigentlichen Problem vorbei, weil sie statisch denkt und den Prozess des Umbaus ignoriert. Bei ihr gibt es nur ein Vorher und ein Nachher: Jetzt arbeiten Hunderttausende in der Automobilindustrie – und dereinst sind viele von ihnen in Sozialberufen tätig.
Kapitalismus benötigt Wachstum
Das Problem taucht jedoch beim Übergang auf, und damit ist nicht gemeint, dass sich vermutlich viele Autobauer schwer damit tun dürften, plötzlich in einen Sozialberuf zu wechseln. Die Schwierigkeiten sind fundamentaler. Der Kapitalismus benötigt Wachstum, um stabil zu bleiben. Zwar gibt es immer wieder Krisen – aber sie werden nur überwunden, solange es Aussicht auf neues Wachstum gibt.
Alle sind sich einig, dass wirksamer Klimaschutz verlangt, dass weniger Autos gebaut werden. Doch damit würde eine Spirale nach unten einsetzen. Etwas vereinfacht: Weniger Umsatz bedeutet, dass die Autofirmen Mitarbeiter entlassen müssten, die dann auch weniger konsumieren könnten. Kneipen und Läden würden Kunden verlieren. Ganze Regionen würden verarmen und zugleich die gezahlten Steuern und Sozialbeiträge schrumpfen. Es wäre gar kein Geld mehr da, um die einstigen Autobauer in Kindergärten zu beschäftigen.
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Für eine Wirtschaft ohne Wachstum gibt es kein Modell. Zwar wird das Ende der Steinkohle gern als Beispiel zitiert, wie ein Branchenwandel gelingen könnte. Doch dabei wird oft übersehen, dass die Ruhrkumpel nur neue Jobs finden konnten, weil die deutsche Wirtschaft ansonsten wuchs.
Bisher hat niemand systematisch erforscht, wie der Übergang in eine Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte, die Krisen vermeidet und ein Einkommen für alle garantiert. Es wäre eine Aufgabe für die Volkswirte, die das Thema jedoch bisher ignorieren.
Die Proteste der Klimaaktivisten sind sehr wichtig. Man kann nicht drei Planeten verbrauchen, wenn man nur einen hat. Aber eine ökonomische Lösung fehlt noch, wie der Ausstieg aus dem Wachstum gelingen könnte – und muss dringend erforscht werden.
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