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Jung­wäh­le­r*in­nen für die LinkenUkraine nicht mehr im Fokus

Kommentar von Jonathan Gerbig

Vor drei Jahren solidarisierten sie sich mit der Ukraine, jetzt wählten 25 Prozent der unter 25-Jährigen die Linke. Ihre Prioritäten haben sich verschoben.

Der Fokus hat sich von „Stand with Ukraine“ zu „Wir sind die Brandmauer“ verschoben Foto: Valentina Petrova/ap

A nfang des Jahres musste die Linke noch um den Einzug in den Bundestag bangen, jetzt zählt sie mit fast neun Prozent der Stimmen beinahe so viel wie FDP und BSW zusammen. Besonders die Wäh­le­r*in­nen zwischen 18 und 24 trugen zu dem unerwartet guten Ergebnis bei. Die Ukrai­ne-Linie der Linken war für viele Jung­wäh­le­r*in­nen wenig ausschlaggebend. Dabei ist die Ukraine der Generation U25 nicht gleichgültig. Sie hat sie auch nicht vergessen, nur weil nicht mehr ganz Instagram blau-gelb tapeziert ist.

Aber der Fokus hat sich verschoben, von blau-gelben zu Regenbogen-Flaggen, von „Stand with Ukraine“ zu „Wir sind die Brandmauer“. Als der Krieg begann, hatte die CDU ihren menschenfeindlichen Antrag noch nicht mit Unterstützung der rechtsextremen AfD durchbringen lassen, es gab noch keinen „Wer kann mehr abschieben“-Wahlkampf, und die Grünen boten sich noch nicht als Steigbügelhalter eines für breite Teile der jüngeren Generation untragbaren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz an.

Grund für den „Heidi-Hype“ waren nicht Heidi Reichinneks coole Tattoos, auch nicht nur ihr TikTok-Auftritt, wie jüngst in der taz behauptet, sondern die kompromisslose Wut, mit der sie auf die merzsche Entgleisung reagierte, ohne sich ein paar Tage später für eine Koalition anzubiedern. Dazu kommt, dass mit der Wiederwahl Donald Trumps die bisherige US-Unterstützung für die Ukraine ausläuft. Damit wird Deutschland zum wichtigsten Rüstungslieferanten. CDU, SPD und Grüne stehen hinter den Waffenlieferungen – jetzt mehr denn je. Auf der anderen Seite werfen sich AfD und BSW vor den russischen Machthabern in den Staub.

Irgendwo dazwischen muss Platz bleiben für die Position, dass ein für die Ukraine positives Ende des Krieges tatsächlich mehr diplomatische Bemühungen braucht. Sicher stehen nicht alle Links-Wähler*innen unter 25 hinter dem Ende der Waffenlieferungen. Aber noch weniger stehen sie hinter den Parteien, die sie in ihrem Kampf um die Demokratie und für die Rechte queerer, geflüchteter, von Rassismus betroffener Menschen im Stich gelassen haben.

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4 Kommentare

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  • Eine sehr durchdachte Korrektur eines vor wenigen Tagen in der taz erschienenem Artikels zum gleichen Thema.

    Wahlentscheidungen sind komplex und in der Regel nicht auf ein einziges Feld herunterzubrechen.

    Ich persönlich hätte mir politisierte und wache 18-25jährige wie heute gewünscht, als ich in dem Alter war.

    Sehr wahrscheinlich wären dann viele Fehlentwicklungen vermieden worden.

  • Vielen jungen Wähler scheinen aber auch andere Themen wichtiger zu sein wie z.B. der Welthunger. Und in diesem Zusammenhang dürfte es für manche Wähler auch abschreckend gewesen sein, dass der Etat für Entwicklungshilfe von der Regierung verringert wurde, aber mehr Geld in Waffen für die Ukraine investiert wurde (richtigkeitshalber muss man noch sagen, dass die Regierung darauf verwies, dass bei der Kürzung der Entwicklungshilfe und der Budgeterhöhung für Waffen kein Zusammenhang bestand)



    www.bundestag.de/p...zmeldungen-1015388

    Die eigentliche interessante Frage müsste lauten warum viele Menschen in unserer Gesellschaft gleichgültig handeln gegenüber Menschen in Not, wenn sie nicht Ukrainer sind. Diese mangelnde Empathie überrascht mich auch hier in der Kommune immer wieder.

  • Ich glaube, von Anfang an wäre "Wir liefern Waffen, verhandeln aber gleichzeitig"



    a) Besser für die Ukraine gewesen.



    b) Es hätte eine breite Sammlung der Bevölkerung ermöglicht. Denn einerseits hätte man die Ukraine nicht im Stich gelassen. Andererseits hätte man nicht Träume von Regime Change oder "Russland ruinieren" gehabt, sondern ein realistisches Ziel, das Frieden heißt.



    Hinter dem Banner "Waffen liefern, UM zu Verhandeln" hätte sich eine breite Mitte sammeln können.



    Schade, dass dies weder die Grünen noch die SPD aufgenommen haben.

  • Für mich als Linke-Wähler ist die Ukraine weiterhin eines der wichtigsten Themen. Und ja, es ist fahrlässig, gegen weitere Waffenlieferungen zu sein - worüber soll man denn noch verhandeln, wenn die Ukraine ohne Waffen dasteht und Russland nur noch durchmaschieren muss?



    Aber gleichzeitig müssen wir unbedingt auf parlamentarischer und zivilbevölkerischer Ebene gegen den Rechtspopulismus kämpfen, sonst wird's hier ganz schlimm.