Israels Angriff auf Iran: Bomben für den Machterhalt
Israels Vorgehen im Iran hat viele Gründe. Allen voran: Netanjahu will seine internationale Isolation brechen und von der Lage in Gaza ablenken.
W as ist der israelische Angriff auf den Iran? Ein Akt der Selbstverteidigung oder ein Angriffskrieg? In den Medien und vor allem den sozialen Medien wird jetzt darüber gestritten werden. Wir leben heute in einer Welt, in der diese Begriffe, die auch eine Grundlage des internationalen Rechts darstellen, ihre Bedeutung verloren haben. In dieser Beliebigkeit ist es der Stärkere, der die Regeln macht.
Der israelische Angriff war von langer Hand geplant. Warum gerade jetzt zugeschlagen wird, darauf gibt es viele Antworten. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu argumentiert mit dem Stand des iranischen Atomprogramms. Es gibt auch innenpolitische Gründe in Israel: Ein Angriff auf den Iran dient Netanjahus Machterhalt, der immer wieder infrage gestellt wird. Aber einer der wichtigsten Gründe ist sicherlich die zunehmende internationale Isolation Israels, die Netanjahu damit zu brechen hofft. Statt über die Menschen, die in Gaza von Israel ausgehungert werden, sprechen wir jetzt wieder über den Antipathieträger Iran.
Wie es weitergeht, kann niemand sagen. Wir können uns Szenarien ausdenken. Entscheidend ist, ob der Iran militärisch nennenswert auf Israels Angriff reagiert. Ist das der Fall, dann werden wir einen großen Krieg erleben, in dem medial das israelische Selbstverteidigungnarrativ übernommen wird und in dem sich die USA und auch Europa wieder bedingungslos auf die Seite Israel stellen werden. Die katastrophale Lage im Gazastreifen und im Westjordanland wird in Windschatten dieses Konflikts verschwinden.

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Kann oder will der Iran nicht nennenswert militärisch antworten, stehen für Netanjahu alle Türen offen, im Iran militärisch weiterzumachen und ihn weiter als Regionalmacht zu schwächen. Der endgültigen militärischen Hegemonie Israels in der gesamten Region stünde dann nichts mehr im Weg.
US-israelische Überheblichkeit
Israel bombardiert derzeit Gaza, das Westjordanland, den Libanon, Syrien, den Jemen und jetzt auch den Iran. Netanjahus Überheblichkeit stützt sich auf die schier unbegrenzten militärischen Möglichkeiten Israels. Er und sein Zahlmeister Trump träumen davon, die Region militärisch in ihrem Riviera-Sinne neu zu ordnen. Überheblichkeit kommt von überheben. Überheben sich Netanjahu und Trump hier?
Offen ist, wie nachhaltig das Ganze ist und ob eine israelische Hegemonie der Region tatsächlich Sicherheit und Stabilität bringt. Aus den Erfahrungen im Irak und in Afghanistan haben wir gelernt, dass es den USA, trotz aller militärischen Überlegenheit, nicht gelungen ist, Kräfteverhältnisse in einem Land oder in einer Region in ihrem Sinne zu verändern. Das gilt auch im Falle einer militärischen Hegemonie Israels in der Region. Der größte Irrglaube ist, dass die Menschen in der Region eine solche hinnehmen würden. Insofern ist bei dem Versuch die Region von außen neu zu ordnen, der Widerstand dagegen immer schon automatisch mit eingebaut.
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