Inhaftierte Aktivist*in in Ungarn: „Herr Wadephul muss Maja T. zurück nach Hause holen“
Bei der in Ungarn inhaftierten Maja T. macht die SPD Druck auf Außenminister Wadephul. T. droht die Einsetzung eines Herzschrittmachers.

Maja T. sitzt seit gut einem Jahr in ungarischer Isolationshaft, wegen vorgeworfener Angriffe auf Rechtsextreme in Budapest am Rande des europaweiten Szeneaufmarschs „Tag der Ehre“ im Februar 2023. Die Auslieferung nach Ungarn erfolgte rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Seit Februar steht Maja T. in Budapest vor Gericht, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. T. äußerte sich dort bisher nicht zu den Vorwürfen, erklärte aber, diese seien „reine Hypothesen“. Seit fünf Wochen befindet sich T. im Hungerstreik, um bessere Haftbedingungen und eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen.
Zuletzt hatte sich der Gesundheitszustand von Maja T. deutlich verschlechtert. Die 24-jährige Person wurde deshalb in ein Haftkrankenhaus an die ungarisch-rumänische Grenze verlegt. Laut der Familie verlor T. inzwischen 14 Kilogramm Körpergewicht, wiegt nur noch 66 Kilogramm. Die Körperfettreserven seien aufgebraucht, Leber und Niere seien angeschlagen, es gebe Wassereinlagerungen im Fuß, die Blutwerte seien kritisch. Es drohten inzwischen dauerhafte Organschäden.
Laut Familie hatten ungarische Ärzte zuletzt eine Zwangsernährung von Maja T. angekündigt – auch wenn T. dies in einer Patientenverfügung ablehnt. Die Ärzte würden zudem die Implantation eines Herzschrittmachers erwägen. Denn die Herzfrequenz von T. sei zeitweise auf 30 Schläge pro Minute gesunken. Es drohten Ohnmachtsanfälle bis hin zum Herzstillstand. Alternativ könnte Maja T. in ein ziviles Krankenhaus verlegt werden, wo eine durchgehende EKG-Überwachung möglich wäre. Laut Familie wäre T. dort aber rund um die Uhr an ein Bett gefesselt, um den ungarischen Sicherheitsmaßnahmen gerecht zu werden.
„Eine solche Maßnahme wäre grausam“
Der Vater von Maja T., Wolfram Jarosch, lehnt beide Schritte ab. „Gegen Majas Willen darf in keinem Fall ein Herzschrittmacher eingesetzt werden“, erklärte er. Auch dürfe Maja nicht an ein Bett gefesselt werden. „Eine solche Maßnahme wäre grausam und medizinisch nicht erforderlich.“ Das Auswärtige Amt müsse „dringend ein Ende der Isolationshaft und eine Rückführung Majas nach Deutschland erreichen“. Erst am Montag hatte Jarosch dem Auswärtigen Amt in Berlin eine Petition mit gut 100.000 Unterschriften überreicht, die verlangt, Maja T. nach Deutschland zurückzuholen.
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Droßmann fordert, dass das Auswärtige Amt sich einschaltet. Der Hamburger hatte Maja T. vor anderthalb Wochen besucht, als die Thüringer*in noch in Budapest in Haft saß. Droßmann kritisiert die Isolationshaft von Maja T. in Ungarn. Dass T. in einen Hungerstreik getreten sei, unterstreiche die Dramatik der Lage, so der Sozialdemokrat.
„Die Haftbedingungen in Ungarn und die Frage eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens werfen erhebliche Zweifel auf“, sagte Droßmann der taz. Als EU-Mitgliedsstaat dürfe sich Ungarn nicht über grundlegende europäische Werte und Menschenrechte hinwegsetzen. „Wir fordern ein faires Verfahren für Maja T. – das ist ihr gutes Recht als deutsche Staatsangehörige.“ Dass die Auslieferung nach Ungarn vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt wurde, sei ein schwerwiegender Vorgang. „Wir stehen solidarisch an der Seite von Maja T. und setzen uns auf allen politischen Ebenen dafür ein, dass Maja T.s Grundrechte geachtet werden. Wir unterstützen jede diplomatische und juristische Initiative, die zu einer Rückkehr nach Deutschland führt.“
SPD-Mann lehnt Vorverurteilung ab
Für Droßmann ist entscheidend, dass unabhängige Gerichte in einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren klären, ob Maja T. strafrechtlich schuldig sei. „Eine Vorverurteilung oder politische Instrumentalisierung lehnen wir ab. Die aktuellen Berichte über die Situation in Ungarn lassen aber erhebliche Zweifel aufkommen, ob dort ein solches Verfahren gewährleistet ist.“
Droßmann sieht das Auswärtige Amt von Johann Wadephul (CDU) in der Verantwortung, zu handeln. „Es ist die Pflicht des Auswärtigen Amtes, sich um unrechtmäßig inhaftierte Deutsche zu kümmern – eigentlich auch ohne gesonderte Weisung des Bundesverfassungsgerichts. Herr Wadephul muss Maja T. zurück nach Hause holen.“
Anschließend, so Droßmann, müsse der Vorgang „umfassend juristisch und politisch aufgearbeitet“ werden. „Wenn ein*e deutsche*r Staatsbürger*in trotz eines laufenden Eilverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeliefert wird – und sich diese Auslieferung im Nachhinein als rechtswidrig erweist – stellt dies das Vertrauen in rechtsstaatliche Verfahren und den Schutz individueller Grundrechte massiv infrage.“
Das Auswärtige Amt hatte zuletzt erklärt, sich „hochrangig“ für Maja T. einzusetzen. T. werde in Ungarn konsularisch betreut, es habe mehrere Haftbesuche gegeben, der Prozess in Budapest werde beobachtet. Man setze sich für bessere Haftbedingungen und eine angemessene medizinische Versorgung ein. Über eine Rücküberstellung von Maja T. nach Deutschland müssten aber ungarische Gerichte entscheiden. Der Prozess gegen T. befindet sich derzeit allerdings in einer Sommerpause bis September. Zumindest dort wird also vorerst keine Entscheidung fallen.
Konsulat will Maja T. im Haftkrankenhaus besuchen
Nach taz-Informationen plante das deutsche Konsulat in Ungarn, Maja T. am Donnerstag im Haftkrankenhaus zu besuchen. Gleichzeitig soll in den nächsten Tagen auch ein Vertreter aus dem Auswärtigen Amt nach Ungarn reisen, um dort den Fall Maja T. anzusprechen. Auch Linke und Grüne hatten zuletzt eine Rücküberführung von Maja T. nach Deutschland gefordert.
In Deutschland hatte die Bundesanwaltschaft jüngst wiederum vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen sechs Linke erhoben, die zwei Jahre abgetaucht waren und denen ebenso die Angriffe auf Rechtsextreme in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen werden. Weitere Linke müssen sich demnächst in einem anderen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden ebenfalls wegen dieser und weiterer Attacken verantworten. Gegen eine weitere Beschuldigte, Hanna S., läuft bereits seit Februar in München ein Prozess.
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