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Identitätspolitik an Unis in UKWeiße Arbeiterkinder unerwünscht

Essay von Uwe Schütte

Was ist in Großbritannien an den Universitäten los? Zwischen Wokeness und der Sicherung alter Pfründen. Notizen aus Academia.

Prinz William und Herzogin Kate lernten sich an der Elite-Uni St. Andrews kennen Foto: Roland Marske/imago

E in unerquickliches, kompliziertes Thema, diese wokeness. Ben Hutchinson, Professor für Europäische Literatur an der University of Kent, befragt zu einem Artikel in der Times, der unlängst in Großbritannien für Diskussionen sorgte, kommentiert in Abwandlung eines bekannten Zitats von Karl Kraus lapidar: „Zur Zensur fällt mir nichts ein.“ Andere britische senior academics schweigen lieber – die Sache löst, wie auch anders, Misstrauen, Frustration oder Resignation aus. Und Angst, durch eine anstößige Wortmeldung die Karriere zu riskieren.

Doch worum geht es? In einer großangelegten Aktion hatten Journalisten des rechten Murdoch-Blattes Times britische Universitäten mit einer Welle von „Freedom of Information“-Anfragen überschüttet. Man wollte herausfinden, inwieweit die an US-Universitäten erbittert ausgefochtenen wokeness wars im Vereinigten Königreich angekommen sind.

Wie zu erwarten, förderte die Kampagne, die darauf gerichtet war, eine „linke Diskursdiktatur“ zu entlarven, das gewünschte Ergebnis zutage: Mehr als zehn Universitäten, darunter drei der Topliga, hatten Bücher aus den Leselisten verbannt sowie mehr als tausend Werke mit trigger warnings versehen.

Der Autor

Uwe Schütte hat in England studiert und von 1999 bis zum Brexit an einer britischen Universität gelehrt

Zensierte Literaturtitel

Unter den vorsorglich zensierten Literaturtiteln befanden sich etwa Colson Whiteheads Erfolgsroman „The Underground Railroad“ (wegen der Darstellung der Grausamkeiten gegen Sklaven) oder Strindbergs Drama „Miss Julie“ (aufgrund der Suizidthematik). Die Liste von Werken, deren Lektüre die Studierenden vermeiden sollten, da sie „emotional herausfordernde“ Stellen enthalten, reichte von mittelalterlichen Pilgergeschichten des Geoffrey Chaucer bis zu Thomas Meineckes Theorieroman „Tomboy“.

An US-Verhältnisse reicht dergleichen kaum heran, lieferte der prospektiven konservativen Premierministerin Liz Truss aber dennoch die Steilvorlage. „Bildung gelingt nur in einer Atmosphäre von gegenseitigem Respekt und Redefreiheit,“ so Truss, „linker Gruppenzwang schadet dem nur. Unser Alltag wird durch Warnhinweise doch nicht erleichtert, wir können Studierende darum auch nicht vor kompliziertem Gedankengut schützen und sollten das unterlassen.“

Die Krux an solchen kalkulierten Sätzen aus der Rhetorik des Rechtspopulismus ist freilich, dass an ihnen leider auch etwas dran ist. Mehr noch: Was eine eminent anti-intellektuelle Politikerin wie Truss hier ausdrückt, betrifft den Kern des Akademischen, zumal in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften.

Es betrifft den Kern des Akademischen

Kritisches Denken erfordert die Hinterfragung verfestigter Ansichten, selbstkritische Überprüfung des eigenen Denkens und nicht zuletzt die Bereitschaft, eigenen Überzeugungen zuwiderlaufende Sichtweisen anzuhören und zu prüfen. Denn nur durch einen offenen Diskurs kann überhaupt so etwas wie die (ohnehin nur in Näherungswerten erreichbare) „Wahrheit“ etabliert werden.

Keine Ambiguitätstoleranz

Dass die unter dem Vorzeichen der Identitätspolitik derzeit erfolgende Revision der universitären Kultur den Kern des Akademischen auf lange Sicht aushöhlt, kann kaum bezweifelt werden. Was eines der zentralen Ziele jedes Studiums sein sollte, – das Erlernen von Ambiguitätstoleranz –, wird zum erklärten Feindbild.

Nichts darf sich der Eindeutigkeit entziehen. Alles muss Farbe bekennen. Schwarz oder weiß; keine Graustufen erlaubt. Denn an die Stelle des Zweifels am eigenen Standpunkt tritt die Gewissheit des Rechthabens. Diese Apodiktik haben Wokeness-Jünger*innen durchaus mit den rechten Kulturkämpfern gemeinsam.

Es ist jedenfalls sinnig, dass der neue Überlegenheitsdiskurs im Hochschulwesen des Vereinigten Königreichs insbesondere an den Eliteuniversitäten von Oxford, Cambridge und London effektiv Fuß fassen konnte. Der moralische Besserwissergestus der woken verlängert passgenau den früheren intellektuellen Herrschaftsanspruch der alteingesessenen Männerbrigade.

Ist die politische Korrektheit in Deutschland eher eine der Strategien der Selbstgerechten aus dem linksliberalen akademischen Milieu, um ihre sozialen Privilegien vor der Unterschicht zu schützen, so ist im britischen System auffällig, dass insbesondere Privatschulzöglinge und Oberschichttöchter sich als vehemente Streiter für sexuelle und ethnische Minderheiten erweisen.

Wokeness dient mithin zur politischen Neutralisierung wie moralischen Befestigung eigener sozialer Privilegien. Ihre emanzipative Stoßrichtung wird damit ins Gegenteil pervertiert.

„Weiße“ Arbeiterkinder need not apply!

Exemplarisch ablesen lässt sich dies an der Jobanzeige, mit der man in Oxford im Frühjahr 2021 die Leuchtturm-Position in der britischen Germanistik, nämlich die Schwarz-Taylor-Professur für Deutsche Sprache und Deutsche Literatur, zu besetzen suchte: „Applications are particularly welcome from women and black and minority ethnic candidates, who are under-represented in academic posts in Oxford.“ Was deutlich genug sagt: „weiße“ Arbeiterkinder need not apply!

Ein anderer Aspekt der Wokeness-Problematik an britischen Universitäten ist die im Vergleich zu Deutschland grundlegend andere Universitätskultur. Die britischen Hochschulen agieren als Dienstleister, die ihre horrende Studiengebühren zahlenden Studierenden als Kunden betrachten, die – einer Marketingweisheit zufolge – als Könige zu behandeln sind.

Zu welchem Absturz akademischer Qualität dies geführt hat, habe ich mehr als zwei Jahrzehnte lang an meiner Birminghamer Institution beobachten können. Dort wurden die intellektuellen Anforderungen beständig heruntergeschraubt, damit Noten, und also die student satisfaction, nach oben geht.

Wer bei einer Klausur oder gleich im ganzen Studienjahr durchfällt, darf alles dreimal oder mehr wiederholen, weil die Abbrecherquote um keinen Preis steigen darf. Offenkundige Plagiate, die sich aber nicht wasserdicht nachweisen lassen, werden toleriert. Und so weiter.

Verfall der intellektuellen Qualität

Dies alles unter dem Diktat der league tables, bestimmt doch Auf- oder Abstieg auf den diversen Ranglisten das Schicksal jeder Fakultät. Vor dem Hintergrund solch akademischer nanny culture ist der Verfall der intellektuellen Qualität des Studiums zu verstehen. Was ich als universitärer Lehrer auf Seiten der Studierenden zu vermeiden hatte, waren Erfahrungen der Überforderung, des Nichtverstehens, der Verunsicherung.

Die Kunst der Wiener Aktionisten beispielsweise triggerte 2012 im Unterricht noch Irritationen, die interessante Diskussionen auslöste, was „Kunst“ alles sein kann (oder nicht). Die letzten paar Jahre hingegen führten Schwarzkogler, Brus, Nitsch et al. nur noch zu reaktionären Urteilen bzw. kategorischer Ablehnung als Abjektes, mit dem man lieber nicht konfrontiert werden möchte.

Durch die Neoliberalisierung der higher education verfielen nicht nur intellektuelle Neugier oder kritisches Denken, sondern etablierte sich seitens des academic managements zunehmend ein Regime, das dem Kunden, in der Furcht vor potentiellen Beschwerden, vor allem Inkommensurablen zu bewahren trachtet. Die Selbstzensur der Lektürelisten und die Proliferation von trigger warnings sind wesentlich vor diesem Hintergrund zu verstehen, selbst wenn sie in vielen Fällen durchaus berechtigte Anlässe haben können.

Stressfreier Weg zu besseren Noten

Von einer „linken Meinungsdiktatur“, wie sie die Konservativen und rechte Gesinnungsgenossen als Schreckgespenst an die Wand malen, kann allein schon deshalb keine Rede sein, weil die allermeisten Dozierenden längst schon ihre akademische Freiheit zu selbstbestimmter Lehre weitgehend verloren haben in dem aufgenötigten Endzweck, den Studierenden einen glatten, möglichst stressfreien Weg zu einem Abschluss mit besserer Note als eigentlich verdient zu bahnen, sprich: dem Kunden value for money zu bieten.

Der intellektuelle Niedergang des britischen Hochschulwesens ist folglich nur ganz zu verstehen, wenn man begreift, wie das bestehende neoliberale Regime aus student experience management und Profitmaximierung eine passgenaue Allianz mit der wokeness eingeht, die sich im spezifischen Milieu der Universität so erst recht zunehmend als Herrschaftsdiskurs installiert.

Bildung wird zu einem (teuer erkauften) Service, Dozenten zu willfährigen Dienstleistern, die Spaltung zwischen Exzellenzunis und dem traurigen Rest verstärkt sowie soziale Privilegien gegenüber den Ausgeschlossenen gesichert.

Der verbliebene Rest an widerständigem Denken, an zeitgeistresistentem Nonkonformismus, academic eccentricity – all das, was zumal britische Universitäten einst auszeichnete – wird nun mit der gesinnungspolizeilichen Keule der wokeness ausgetrieben. Die Hochschule, nicht nur in Großbritannien, so befürchte ich, wird bald schon kein Ort der Emanzipation mehr sein, sondern der ideologischen Konformität.

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55 Kommentare

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    Die Moderation

  • Mich und viele Andere haben sie in der DDR damals nicht studieren lassen weil wir genau keine Arbeiterkinder waren. Ironie des Schicksals nehme ich an. Wenn heutige Studenten wie wir damals zuerst eine Schreinerlehre machen müssten, würde das die intellektuelle Qualität an den Unis aber sicher deutlich erhöhen.

  • Ja, ich glaube ein Motiv für überzogene Wokeness ist es eigene Privilegien möglichst nicht angetastet zu sehen: etwa wenn Großunternehmen ganz woke werden. Manches ist einfach mit dem Zeitgeist gehen, was Menschen per Definition des Zeitgeists immer tun - da macht man eben im Moment so. Ein anderes Motiv ist es ganz, wirklich sehr unbedingt die Welt besser machen zu wollen: wenn man da im Moment Zustimmung haben will, geht das ohne allzuviel Aufwand eben nur so. Ein anderes Motiv ist es die Welt realtiv einfach zu sehen Progressiv-gegen-Rechts oder so, weil oft alles andere als ganz klare Sichtweisen ängstigen.

    Was ein wenig gefährlich daran ist, denke ich und über den Verlust akademischer Qualität hinaus, ist dass die Gesellschaft zu wenig über wirkliche gesellschaftliche Probleme nachdenkt, die ja durch sich verändernde Sitten, Europa, Migration und andere mit "Woke" zusammenhängende Themen tatsächlich nicht wenig anstehen. Es gibt da kein "Richtig", keine festen Vorgaben, aber gerade deswegen viel zum Nachdenken.

  • Ich hatte das Vergnügen, an akademischen Institutionen in Großbritannien und in Deutschland zu studieren und muss dem Autor schon allein aufgrund der Darstellung der englischen Universitätskultur vehement widersprechen.

    Es ist nicht verwerflich, wenn sich eine Universität als Dienstleister gegenüber ihren Studenten begreift. Es ist nur richtig, wenn ein Student erwarten kann, ein begonnenes Studium auch erfolgreich und regelgerecht abzuschließen. Zu oft vergeuden in Deutschland junge Menschen Jahre ihres Lebens, weil die akademische Institution z.B. unzureichende Unterstützung bei psychischen Problemen anbietet. Dies hat auch gesamtgesellschaftlich keinen Vorteil.

    Ich habe in England zudem nie die völlig willkürliche Behandlung beobachten können, mit denen mancher Professor in Deutschland seine Studenten herabwürdigt - Beleidigungen oder Anzüglichkeiten oft inklusive. Auf diese Form von "academic eccentricity" kann ich gern verzichten.

    Dann doch lieber "student satisfaction“ mit pädagogisch ausgereifter Lehre, einer reibungslosen Studienorganisation, zahlreichen Hilfsangeboten und zeitgemäßer Ausstattung. Auch für Arbeiterkinder.

  • Zitat: "eine eminent anti-intellektuelle Politikerin wie Truss"

    Wie kommt der Autor drauf?

    Truss kämpft eben mit den anti-intellektuelle Linken. Und der Autor wirft ihr vor, wogegen sie kämpft.

    Kann mir das jemand erklären?

    • @Martin2:

      Wenn man sie insgesamt kennt, dann wird das schnell klar...

  • Da gibt es wohl zwei Seiten.

    Erstens ist das woke Bewusstsein nichts per se schlechtes , sondern durchaus in der Lage gewisse Missstände zu benennen.



    Gleichzeitig klammert die Woke-Bewegung die Klassenfrage bzw den Kapitalismus als kleinen Nebenwiderspruch aus ihren Diskursen über Diskriminierungen bewusst oder unterbewusst aus.

    Mit den Schmuddelkindern und ihrer unfeinen Sprache spielt man halt immernoch ziemlich ungern.



    Mit Zuständen in Großbritannien hat das natürlich wenig zu tun. Ist hierzulande genauso.



    Gleichzeitig ist es wohl ein kleiner Fortschritt wenn die neue Upper class-Konformität ohne Rassismus und Homophobie auskommt.

    Trotzdem lässt sich die ganze Diskussion ziemlich gut auf deutsche Linke übertragen.



    Bei Murat und Esra gehen Homophobie und politisch unkorrekte Beleidigungen vielleicht noch als berechtigter Frust und kulturell bedingtes Defizit durch und werden so hingenommen. Kevin und Sandy aus der Ost-Platte bekommen für das gleiche Verhalten Hausverbot auf Lebenszeit.



    Das Verhalten soll m hiermit nicht entschuldigt werden, aber es stellt sich doch die Frage, ob es überhaupt nur im Ansatz ein Verständnis oder ein Empathiegefühl für weiße Arbeiterkinder und deren Lebensqualität gibt?

    • @Alfonso Albertus:

      Kommt die Upper Class denn tatsächlich Rassismus aus? Wie viele schwarze oder mixed Peers sitzen denn im House of Lords?

      Mir schwant, dass Wokeness - so verstehe ich auch Ihren Kommentar - zu einem neuen Distinktionsmerkmal wird. Das drückt ja schon der Begriff selbst aus. Wir sind die Erwachten. Ihr da unten seid eben umnachtet.

  • Geht vlt. ein bisschn durcheinander im Essay und in der Diskussion: Ist es jetzt die Stellenausschreibbung oder sind es die Triggerwarnungen? Dabei geht unter, wie schön eigtl. die Folgen des Dienstleistungsgedanken in der Bildung herausgearbeitet werden. Aber zur Stellenanzeige: Wär denn wirklich nicht denkbar, dass der Leser da denkt "Ah, meine Chancen sind klar schlechter, wenn ich ich nicht PoC und/oder Frau bin"? Diese Art der passiv-aggressiven Formulierungen könnte man vermeiden, wenn wir das alles konsequent zu Ende denken und jedem/r/s/* seine/ihre intersektionale Benachteiligungs- bzw. "Privilegien"-Identität in den Pass schrieben (wobei man dann natürlich erstmal die Gesamtbevölkerung durchschubladisieren müsste) und dann ein knallhartes Quotensystem einführten. Dann kommen halt in Dtl. 0,2 % LGBT-Professuren raus. Zweitens zu den Triggerwarnungen etc: Dass wer Diskriminierung erfährt vlt. nicht auch noch drüber lesen will, OK, aber kann derdiedas nicht selbst entscheiden? Wer bei "Huckleberry Finn" etc. anfängt zu weinen muss ja nicht weiterlesen. Und die Alten Weißen Mäner wie ich, die aus Sicht mancher qua Geburt rassistisch etc. sind - woher sollen die denn das wissen können, wenn Unis, Institutionen, Verlage jetzt alles reinwaschen wollen von jeglichen bösen Gefühlen und Darstellungen? Wollen wir z.B. in der Schule nicht mehr über die Shoah unterrichten, weil das harter Tobak ist? Wie stellt Ihr Euch das praktisch vor, wenn z.B. in einer Klasse vlt. ein jüdisches Kind ist und die Lehrperson sagt: Also, das könnte für dich jetzt krass hart sein, willst Du lieber ne Freistunde? Leute! Das ist doch eine totale Vereinnahmung von Menschen, die vlt. selber entscheiden wollen, ob sie als arme Opfer "geschützt" werden wollen! Wo bleibt der Glaube an die Resilienz? Ans Individuum? Im Übrigen: Thomas Bauer, Die Vereindeutigung der Welt: Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    "Der moralische Besserwissergestus der woken verlängert passgenau den früheren intellektuellen Herrschaftsanspruch der alteingesessenen Männerbrigade." - diesen Satz möchte ich mir einrahmen. Wokeness als neues Elitenprojekt bzw. neuester Distinktionsgewinn.

    Und das mit dem "weiße Arbeiterkinder need not apply" wird in Deutschland einfach abgekürzt zu "Abgehängte", insbesondere die "männlichen abgehängten".

    Während Nocun und Lamberty schon 2020 schlossen, dass sich die männlichen, unterdurchschnittlich gebildeten eben nicht aus Dummheit aufgeschlossen gegenüber Verschwörungserzählungen zeigen, sondern eben aus einem diffusen Gefühl des Abgehängtseins, taucht diese Gruppe im aktuellen Diskurs vorwiegend als Tate-Anhänger auf, die sich zum gewalttätigen, maskulinistischen Widerstand formieren. Nicht also als die unterprivilegierte Gruppe, die sie eigentlich sind, und denen die Linke eigentlich ein "Angebot" machen müsste, sondern allein als Bedrohung.

  • Und ich dachte, die Eltern seien die Kunden, die für ihre Kinder gute Bildung kaufen.



    Da wäre noch mehr Zumutung möglich.



    Aber das selbstfinanzierte Studium hat offenbar auch erhebliche Nachteile...



    Ließe sich gar eine Parallele zur Qualität von Wirtschaftsprüfern und Ratingagenturen ziehen, die auch von den Kunden selbst bezahlt werden???

    • @mensch meier:

      Die Frage ist nicht ob die Kinder oder die Eltern Kunden sind, sondern was verkauft wird.



      Und da Bildung so schlecht erkennbar ist, gerade wenn man selbst nicht darüber verfügt, ist das Produkt eben die Abschlussnote.



      Die Teendenz sich als Eltern beim Lehrer über die schlechte Note zu beschweren, ist auch hierzulande zu erkennen.

  • Ich bin immer hin- und hergerissen; auf der einen Seite ärgern mich einige Auswüchse des gegenwärtigen woke-Gehabes (und der Autor hat natürlich recht: das bedroht das Wesen geisteswissenschaftlicher Forschung); allerdings stelle ich mir zwei Fragen:



    -Wird das Ausmaß dieser Debatte nicht enorm übertrieben? Ich jedenfalls bin noch nie von meinen eigenen Studenten mit solchem Gehabe konfrontiert worden, sondern lese immer nur in der Zeitung davon.



    -Ist die Kritik nicht unehrlich? Es ist ja nicht so, dass der Konformitätsdrang von ein paar identitätspolitischen Aktivisten erfunden wurde - das konnte das konservative Establishment schon immer sehr gut (darauf, was ich sage, achte ich nicht erst, seit der Feuilleton über cancel culture streitet, und nicht, weil ich Angst vor den Linken habe...).



    Vielleicht sollte man darüber nachdenken, ob hier nicht mediale Scheingefechte führt werden, die Kritik und Kontroverse simulieren, aber nicht wirklich an sozialen Hierarchien rütteln. Denn hier bin ich wieder bei dem Autor: Um die Arbeiterkinder - egal ob weiß oder nicht - kümmert sich niemand.

  • Wie das mit solchen Textchen so ist, stimmt bei genauerem Hinsehen eigentlich nichts.

    Schon die Behauptung, der Wunsch, Kandidaten von unterrepräsentierten Gruppen bevorzugt einzustellen, schließe explizit weiße Arbeiterkinder aus, ist mit hanebüchen nur ungenügend umschrieben.

    Und zu den "verbotenen" Büchern. Hieran stimmt schlicht nichts. Dem Autor steht ja seine Meinung frei, aber zumindest ein Mindestmaß an journalistischem Handwerk sollte man auch hier erwarten, liebe taz:

    brokenbottleboy.su...om/p/off-the-books

    • @Taz Leser:

      Nun ja, korrekt wäre gewesen, zu schreiben, männliche weiße Arbeiterkinder werden nicht eingestellt.

  • "Weiße Arbeiterkinder unerwünscht" ist aber in die Stellenanzeige, die im Artikel zitiert wird, schon sehr kräftig hineininterpretiert. Das steht da überhaupt nicht und kann ganz anders gelesen werden. Vielleicht hätten in der Anzeige noch bislang unterrepräsentierte soziale Hintergründe erwähnt werden können, und schon könnte man sich nicht mehr so überschriftenträchtig aufregen.



    Generell stellt sich die Frage, warum es vielen Menschen, und darunter etlichen (ausgerechnet) aus dem Fachgebiet der Linguistik, so schwer fällt, sensibler mit Sprache umzugehen. Dass der bei allen manchmal wundersamen Auswüchsen Wunsch danach so sehr als Schreckgespenst inszeniert wird, überrascht seit Monaten täglich neu.

  • Wer schon bei der Literatur Triggerwarnungen benötigt,ist grundsätzlich in der falschen Welt geboren worden. Denn das Leben an sich ist nicht immer angenehm,letztlich immer unzureichend , von Krankheit und körperlich -geistiger Degeneration durchs Alter bedroht.Und endet immer mit dem Tod.Auch wenn man alle anderen Unannehmlichkeiten irgendwie "wegtriggern" kann,der Letzten kann man nicht entkommen.

    • @Mustardmaster:

      Entmündigen hieß das früher.

      Ein beliebtes Mittel der Herrschaft - meist religiös begründet - oder von Revolutinären die an die Herrschaft kommen wollen.

    • @Mustardmaster:

      Viele Menschen mit Diskriminierungserfahrungen haben unzählige Erfahrungen mit der Rauheit des Lebens gemacht, etliche auch traumatische. Und diese Erlebnisse kommen zu den üblichen Zumutungen des Lebens noch hinzu. Die Triggerwarnungen ermöglichen es, die Lektüre zuverschieben oder zu entscheiden sie ganz zu unterlassen.



      Streichungen von Leselisten aus Gründen der Schonung sehe ich dagegen sehr kritisch.

    • @Mustardmaster:

      Das klingt sehr nach einer 'Stell-dich-nicht-so-an-Haltung'. Nicht der beste Weg, um mit den Grausamkeiten der Welt umgehen zu lernen. Über Völkermord, Vergewaltigung und Menschenhandel zu lesen IST schwierig. Vielleicht würde es helfen, wenn junge Menschen nicht entweder überbehütet oder vernachlässigt aufwachsen würden. Das würde bei der Bewältigung schwieriger Themen helfen, glaub ich.

    • @Mustardmaster:

      Was spricht dagegen als Nicht-Betroffene*r solche Triggerwarnungen halt ebenso zu ignorieren wie Allergiehinweise auf Nahrungsmitteln wenn man das Glück hat nicht von Alergien geplagt zu sein? Immerhin geht es nicht, wie sie unterstellen um "Unannehmlichkeiten", sondern darum Menschen die schwere und schwerste Traumata erlitten haben ein klein wenig zusätzliche Sicherheit zu ermöglichen.

      • @Ingo Bernable:

        So schlimm die Erfahrung rassistischer Gewalt ist, so ist sie doch wohl kaum dasselbe wie die Erfahrungen versklavter Menschen in den USA des 19. Jahrhunderts. Über sie zu lesen - noch dazu in einem Buch eines schwarzen Autors wie Whitehead - mag eventuell für einige Menschen tatsächlich eine Art Traumatisierung bewirken. Aber erstens: wie viele Menschen? Gibt es dazu belegte Zahlen? Zweitens: wie schlimm ist der Effekt? Gibt es dazu belegte Zahlen? Drittens: wer entscheidet über die Triggerwarnungen? Tatsächlich Betroffene? Viertens: wäre es nicht besser, die Uni böte spezielle Kurse oder noch besser Therapien für Betroffene an? Fünftens: wenn man nicht einmal ein Buch über ein bestimmtes Thema lesen kann, ohne ein Trauma zu erleiden, sollte man dann nicht besser ein anderes Fach studieren? Mal ehrlich: wie kann man zB deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts studieren, aber partout keine Darstellungen der Verbrechen der Shoah lesen wollen/können? Das geht schlicht nicht.

      • @Ingo Bernable:

        Ich würde es eher mit der Warnung "Vorsicht, Kaffee ist heiß" auf Kaffeebechern vergleichen.



        Bücher haben zur Not einen Klappentext, wenn man gar keinen anderen Weg hat, den Inhalt vorher zu wissen.

        Das ist Stellvertreterpolitik, die dem Stellvertreter nutzt, der toll dasteht. Genau wie bei den Allergiehinweisen, die den Unternehmen Profit sichern.

  • Was auch immer man davon halten mag, dass dieser Artikel (und ausgerechnet in der taz) "woke" zum Schreckgespenst macht - letztlich beschreibt er nur Symptome und analysiert die Ursache nicht.

    Das tieferliegende Problem liegt darin, dass Studienanfänger in Großbritannien und den meisten europäischen Ländern mittlerweile nur 18, manchmal sogar nur 17 Jahre alt sind, und das Regelstudium zum drei- bis vierjährigen Bachelor verkürzt wurde. Dadurch ist das Universitätsstudium faktisch zu einer erweiterten gymnasialen Oberstufe geworden, mit Studienabsolventen, die kaum älter sind als Abiturienten vor der Bologna-Reform. Und genau deswegen gleichen sich die Universitätscurricula früheren Schul-Lehrplänen an und richten sich an



    der mentalen Kapazität und psychischen Belastbarkeit von Teenagern aus, statt von Erwachsenen.

    Keine dieser Klagen wäre neu, wenn sie vor 20 oder 30 Jahren von einem Studienrat geschrieben worden wäre und sich auf ein Internat oder eine Oberstufe bezogen hätte. Was für Universitätsdozenten tatsächlich neu ist, aber von ihnen - wie es scheint - noch nicht ganz begriffen wird, ist ihre faktische Degradierung zu Oberstufenlehrern, weil die neoliberale Politik der 90er Jahre - auf Biegen und Brechen - jüngere Studienabsolventen wollte.

    • @fcr:

      Entschuldigung, aber nein…das ist mir doch etwas zu einfach: Von irgendwelchem pornografischen Vollschrott aus dem Giftschrank für indizierte Sachen mal abgesehen konnte und kann sonst jegliche Literatur auch in der gymnasialen Oberstufe bei ca. sechzehnjährigen Schüler*innen verwendet werden, wir reden hier schließlich von jungen Menschen die bereits bei vielen Landtagswahlen wählen und mit einem Achtelliter Hubraum durch die Gegend düsen dürfen…

    • @fcr:

      Feindbilder pflegen mag angenehme sein, aber die Verjüngung der Absolventen und die Verkürzung des Studiums ist ein Phänomen, dass sich noch mehr im Außereuropäischen Bildungssektor zeigt. So bewerben sich in Deutschland ausländische Absolventen der Medizin, die kaum 22 Jahre alt, für Deutsche undenkbar. Aber, der Grund ist (auch) folgender: diese Menschen wollen und müssen früh mit der Ausbildung fertig werden, weil sie Geld verdienen wollen/müssen. Etwas was für deutsche Hochschüler nur bedingt gilt.

  • Hmm, dachte im ersten Moment der Artikel beschreibt die Situation in Deutschland - und wunderte mich schon, dass so unverblümt ausgesprochen wird, was schon viele Jahre kaum noch zu verbergen ist.

    So kann man sich irren ...

    Aber hierzulande gibt es ja in jedem Studiengang wenigstens eine Handvoll AAKS (AlibiArbeiterkinderStudenten)

    Besonders natürlich in den "weniger attraktiven".

    • @Bolzkopf:

      Ich nenne mich selbst gerne den 'Quoten-Assi'. XD



      Je weiter ich im Studium komme, desto mehr fühlt es sich wirklich so an. Na ja, aber wenn wir ehrlich sind: Das Sieben nach Herkunft beginnt ja sogar schon im Kindergarten, also können Hochschulen und Unis nur ihr Angebot mehr gegenüber der Lebensrealität von Studis 'auf dem zweiten Bildungsweg' und 'Studis, die arbeiten MÜSSEN' öffnen. In meiner Uni scheint das aber zum Beispiel nicht auf dem Schirm zu sein. Und/oder nicht gewollt.

      • @Tuff:

        Warten sie mal, wie es erst während der Promo abgeht :-)

        Nicht, dass man ihnen als AAKS Steine in den Weg legt. Aber sicher müssen sie Drittmittel einwerben und da muss der Stallgeruch schon stimmen.

        Also wenn sie keine reichen und optimalerweise akademisch dekorierten Eltern haben, sollten sie sich auf jeden Fall der "richtigen" Burschenschaft anschließen ... aber fragen sie ihren Prof nicht danach - sie werden irgendwo sehen, ob und welche Farben er trägt.

    • @Bolzkopf:

      Es gibt keine "AlibiArbeiterkinderStudenten". Die haben schlicht mit ihrem Schulabschluss die Berechtigung zu einem Studium.

      • @Rudolf Fissner:

        Wenn sie diesen Schulabschluss mit dem notwenigen NC "geschafft" haben.



        Bzw. wenn die Eltern dies mit Baschisch und Fördervereinsspenden ermöglicht haben.

        Man bedenke, dass das Abitur (bzw. die Abiturnote) nur deswegen noch als Zugangskriterium herangezogen werden darf weil die Unis selber noch eine eigene Zugangsregelung (Aufnahmetest) bereithalten.

        www.bundesverfassu...19_1bvl000314.html

        www.lto.de/recht/h...ung-bverfg-urteil/

        • @Bolzkopf:

          Rofl. Arbeitereeltern bestechen korrupte Lehrer. Sicher dch.

  • Viele "woke" Kommentatoren hier haben sich dem Duktus von '39 angeschlossen, verlangen von anderen die Unterlassung von Kommentaren von deutschen Bürgern zu kritischen Themen wie Kolonialismus usw., nur weil es sich um Deutsche handelt, deren Vorväter ggf. Verbrechen begangen haben.

    Diese Personen möchten kritischen Diskurs unter den den Teppich kehren.

  • "vorsorglich zensier[t]", "Wokeness-Jünger*innen ", "moralische Besserwissergestus der woken "

    Derselbe abgedroschene Schmonzes wie in der WELT.

    Würde Herr Schütte ein Werk, in dem nie von "Deutschen" die Rede ist, sondern - vom Kleinkind zum Greis - durchweg von "Hiteristen", positiv rezipieren?

    Er müsste es eigentlich - denn wenn schon Traumatisierung und Publikumsbeleidigung im Akademischen legitim ist, dann bitte auch in alle Richtungen.

    Und die Beschwerde, dass die privatwirtschaftliche Kaderschmiede Oxford in einer Ausschreibung keine "weißen Arbeiterkinder" möchte, ist ja nun ziemlich lächerlich. Wollten die noch nie. Wer nicht 10.000 Pfund auf der Tasche hat, kommt dort bestenfalls überschuldet aus dem Studium raus, aber in der Regel gar nicht rein.

    Also wieder das typische Arschlochverhalten der Reaktionären im linker Verkleidung: statt das System "gebührenfinanzierte Privatuniversität" anzugreifen, wird auf Frauen und Minderheiten herumgehackt.

    (Speziell die Uni Oxford war historisch mit Rassisten eng verbandelt. Und während der Frauenanteil am Lehrpersonal von öffentlich finanzierten Schulen und Hochschulen im UK bei roundabout 50% liegt, ist er an der Uni Oxford 19%.



    Gegen Diskriminierung vorzugehen ist laut dem gutverdienenden Oberschichtler Schütte also "selbstgerecht"; "si tacuisses".)

    • @Ajuga:

      Es wird nicht auf Frauen und Minderheiten rumgehackt.



      Es wird angeprangert, dass angeblich soziale Ungerechtigkeiten bekämpft und besiegt werden (indem man Frauen und Minderheiten willkommen heißt), während es immernoch darum geht, soziale Ungerechtigkeiten zu reproduzieren.



      Frauen und Minderheiten willkommen (solange sie nicht zur Unterschicht gehören) damit die Plätze alle schon belegt sind, bevor jemand aus der Unterschicht rein darf. Das ist eben keine wirkliche Gerechtigkeit!

    • @Ajuga:

      Nicht nur die WELT und die TAZ, auch die ZEIT, die NZZ und sehr viele Regionalzeitungen.

      Scheint ja was dran zu sein ...

  • Vielleicht sollte man etwas entspannter und mit mehr Distanz auf all das blicken. Gerade dieser Artikel ist doch eigentlich ein schöner Indikator dafür, dass jenes theoretische Instrumentarium, dass zu jenen Analysen genutzt wurde deren Eregebnisse - zunehmend verunglimpfend - als 'Identitätspolitik' und 'Wokeness' geschmäht werden, ebenso geeignet ist Fehlentwicklungen und exzessive Überinterpretation zu analysieren und kritisieren. Die Tendenz zum Übermaß gabe es ja auch schon bei früheren akademischen Großtheorien, etwa dem Positivismus oder Behaviourisms. Während der akademische Diskurs fraglos über die Mittel und Erfahrungen zur Selbstkorrektur verfügt, gibt der von rechts ausgerufene und mit zunehemendem Furor betriebene 'Kulturkampf' der immer weiter in den gesellschaftlichen Diskurs, bis weit hinein in bürgliche und liberale Millieus, einsickert wirklich ernsthaften Anlass zur Sorge.

    • @Ingo Bernable:

      Ihre Argumentation lässt sich - vice versa - auch auf Ihren Standpunkt anwenden: wenn jegliche Kritik an "Fehlentwicklungen und exzessiven Überinterpretationen" bestimmter Formen der sogenannten linken Identitätspolitik diskreditiert wird, indem sie zum Teil eines "von rechts ausgerufene(n) und mit zunehemendem Furor betriebene(n) 'Kulturkampf'" erklärt wird (oder ein solcher Zusammenhang insinuiert wird), läuft das letztlich auch auf eine Verunglimpfung dieser Kritik hinaus. Eine solche, jegliche Kritik von vorneherein delegitimierende Argumentation führt im letzter Konsequenz in ein hermetisches, sakrosanktes, immer schon richtiges, apodiktisches Weltbild, aus dem heraus eine echte Diskursteilnahme prinzipiell ausgeschlossen ist. Der an anderer Stelle im Forum bereits gemachte Verweis auf den in seiner Gewissheit eingekapselten Geisterfahrer, der die Entgegenkommenden für die Geisterfahrer, also die Irrenden, hält, ohne sich durch deren Vielzahl irritieren zu lassen, passt hier gut.

    • @Ingo Bernable:

      Der Haken ist, dass das Reden über Identität mehr Identität schafft, als vorher da war.

      Wer ein Gemeinschaftsgefühl fördern will, muss das Gemeinsame betonen. (Politikwissenschaftliche Binsenweisheit)

      Kollektive Identitäten funktionieren dabei oft als kommunizierende Röhren und fördern Gegenidentitäten.

      So lange die gesellschaftliche Elite, insbesondere die jüngeren Akademiker, nicht erreicht werden, mache ich mir über den „rechten Kulturkampf“ allein weniger Sorgen.

      Womöglich sind aber beides Teile eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses um gesellschaftlichen Status und (Definitions-)macht?

      Spannend ist, dass Sie „Identitätspolitik“ und „Wokeness“ als Schmähbegriffe verstehen.

      Sie sind wohl Begriffe aus der afroamerikanischen Bewegung.

      • @rero:

        "Spannend ist, dass Sie „Identitätspolitik“ und „Wokeness“ als Schmähbegriffe verstehen."



        Ich verstehe sie ganz und gar nicht so, bin aber auch mit deren soziologischer Genese einigermaßen gut vertraut. Wenn sie aber den Blick darauf verwenden wie diese Termini inzwischen im öffentlichen Diskurs verwendet werden, muss man eben feststellen, dass sie dort keinesfalls mehr neutrale Beschreibungen sind, sondern Kampfbegriffe die fast nur noch negativ gebraucht werden und zwar erschreckenderweise von Leuten die idR niemals Primärquellen rezipiert haben.

    • @Ingo Bernable:

      ".... gibt der von rechts ausgerufene und mit zunehemendem Furor betriebene 'Kulturkampf' der immer weiter in den gesellschaftlichen Diskurs, bis weit hinein in bürgliche und liberale Millieus, einsickert wirklich ernsthaften Anlass zur Sorge."

      Das diese Kritik von rechts "ausgerufen" wurde, würde ich in Frage stellen. Die Rechte ist allenfalls als Trittbrettfahrer mit aufgesprungen.

      Die restlichen Genannten, "bis weit hinein in bürgliche und liberale Millieu" erinnern mich eher am Witz vom Fahrer auf der Autobahn, der sich darüber wundert, warum es dort so viele Geisterfahrer gibt.

  • Karl Kraus schrieb zwar:

    "Zu Hitler fällt mir nichts ein."

    Auf diesen Satz folgte dann aber ein 300 Seiten langer Essay, indem er auf die ihm eigene polemische Art die Herrschaft Hitlers seziert.

    Der wurde allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg als "Die Dritte Walpurgisnacht" veröffentlicht.

    Jedenfalls, Kraus ist einiges zu Hitler eingefallen.

    • @Jim Hawkins:

      Karl Kraus schrieb zwar:



      "Zu Hitler fällt mir nichts ein."



      Natürlich... Im Text steht ja ein auch "in Abwandlung eines bekannten Zitats"...

    • @Jim Hawkins:

      Genaues Lesen bewahrt vor Irrtum... 😉

      • @Helder:

        Habe ich schon wieder Mist geschrieben?

        • @Jim Hawkins:

          ich meine nicht.

  • Ich finde den Essay sehr interessant. Ich frage mich, ob es berechtigt ist zu schreiben:"Strategien der Selbstgerechten aus dem akademischen Milieu, um ihre sozialen Privilegien vor der Unterschicht zu schützen" (bezieht sich auf Deutschland).



    Das genannte Beispiel (aus England) der Jobanzeige weist jedenfalls darauf hin, dass Uwe Schütte nicht präzise ist, denn weiße Arbeiterkinder, die Frauen sind, sind ja ausdrücklich angesprochen. Leider wird genau das dann im Titel aufgegriffen.

    • @Luise58:

      Wo haben sie das gesehen?

      Lesen Sie den Satz doch mal genau.

      Dort geht es ausdrücklich nur um PoC und ethnische Minderheiten, die...



      Weiße Personen sind da sogar sehr explizit NICHT eingeladen.



      Bewerben können sie sich natürlich trotzdem.

      • @Sonntagssegler:

        Bitte lesen Sie präzise, in der Jobanzeige werden Frauen (women) erwähnt und dass weiße Arbeiterkinder sich nicht bewerben sollen steht als Folgerung im Essay.

      • @Sonntagssegler:

        Steht wortwörtlich im Text. „Applications are particularly welcome from WOMEN AND black and minority ethnic candidates, who..."

        Interessante Abwehrstrategie, das Explizite zu überlesen und dann anderen zu unterstellen nicht genau gelesen zu haben.

      • @Sonntagssegler:

        „Applications are particularly welcome from women and black and minority ethnic candidates, who are under-represented in academic posts in Oxford.“

        "... particularly welcome from women" -> Fragen ausdrücklich angesprochen. Von anderen sind Bewerbungen ja übrigens auch willkommen, aber eben nicht ganz so particularly wie von diesen Gruppen, da man sie gerne verstärkter repräsentiert sehe. Von "... need not apply" steht da aber absolut gar nichts und wäre auch in der Tat skandalös, eventuell sogar rechtlich relevant. Künstlich echauffiert, das da reinzuinterpretieren.

  • Rechts oder Links? In England zählt nur Oxford oder Cambridge.

    • @WernerS:

      Grossbritanniern ist eine Klassengesellschaft und die von Ihnen erwähnte Frage stellt sich nur innerhalb der Elite.

      • @Sonntagssegler:

        Gibt es denn noch andere Menschen..?



        -Ich denke, dass sind Butler...!?