Holz als Alternative zum teuren Gas: Platte oder Pellet?
Energie ist so teuer, dass inzwischen sogar Möbelholz im Kraftwerk landet. Das Europaparlament will nun aus Klimagründen gegensteuern.
Umstritten ist, inwieweit Holzenergie tatsächlich zum Klimaschutz beiträgt. Umweltverbände oder der prominente Förster Peter Wohlleben rechnen vor, dass Holzöfen eine schlechtere Klimabilanz hätten als Ölheizungen. Dies ist zwar richtig, doch „es setzt als nachwachsender Rohstoff nun einmal nur das Kohlendioxid frei, das es zuvor während des Wachstums der Bäume gespeichert hat“, sagt Sebastian Rüter vom Institut für Holzwissenschaften am Thünen-Institut in Hamburg.
Fossile Rohstoffe wie Öl und Kohle geben bei der Verbrennung hingegen vor Jahrmillionen gespeichertes CO2 frei – eine der Hauptursachen der Erderhitzung. Solange immer nur so viel Holz genutzt wird, wie gleichzeitig nachwächst, ist die CO2-Bilanz annähernd ausgeglichen. Rüter hält den zugespitzten Vergleich „Holzofen – Ölheizung“ daher für populistisch. Der Trend zum Pelletkraftwerk, in dem Millionen Tonnen Holz künftig Kohle ersetzen sollen, sei trotzdem falsch. „Das lässt sich mit heimischem Holz nicht machen“, sagt Rüter, „außerdem muss es mittlerweile darum gehen, Emissionen zu verringern“.
Geht es nach dem Umweltausschuss des Parlaments, soll Holz in der neuen Richtlinie für erneuerbare Energien (im Jargon abgekürzt mit RED III) nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar würden künftig alle Energieträger gebraucht, auch Biomasse, sagt Markus Pieper (CDU), Berichterstatter für RED III im Parlament.
Möbelholz, Spanplatte, Kaminholz
Aber es mache „keinen Sinn, hochwertiges Rundholz zu verbrennen, wenn es in Holzhäusern nachhaltig verbaut werden kann“. Notwendig sei das Kaskadenprinzip, also eine gestaffelte Nutzung. Holz sollte zunächst als Bau- oder Möbelholz genutzt werden, dann als Papier oder Spanplatte und erst zuletzt als Pellets oder Kaminholz.
Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverbands Holzenergie, hält die Vorgaben für „verheerend für die Wärmewende“ und in der Praxis nicht umsetzbar. Für die energetische Holznutzung würden „alleine schon aus Kostengründen nur die Holzsortimente genutzt, für die sich keine andere Nutzungsmöglichkeit ergibt“, sagt er – und erntet Widerspruch.
„Wir befinden uns gerade in einer Extremsituation“, sagt Anemon Strohmeyer, Geschäftsführerin des Verbands der Deutschen Holzwerkstoffindustrie. Der russische Krieg in der Ukraine verstärke eine langfristige Entwicklung. „Bevölkerung und Industrie treffen derzeit Investitions- und Transformationsentscheidungen sehr schnell und zum Teil getrieben von Panik, kein Gas mehr zu bekommen“, sagt Strohmeyer.
Sie stellen auf erneuerbare Energieerzeugung um – und zwar vielfach auf Biomasse. „Die Nutzung in der Kaskade funktioniert nicht mehr“, sagt sie, und berichtet etwa von Herstellern von Spanplatten, denen langjährige Lieferanten die Verträge kündigen, weil die Pelletproduktion lukrativer ist. „RED III ist eine hervorragende Gelegenheit, zu entscheiden, wie wir Holz künftig nutzen wollen“, sagt Strohmeyer. Für alle sei nicht genug da.
Geschäftsmodell wie Erdölraffinerien
Gegenwind bekommt die Holzenergiebranche nicht nur von Möbelbauern. Im sachsen-anhaltischen Leuna baut das finnische Unternehmen UPM Biochemicals gerade eine Bioraffinerie, die verschiedene Chemikalien für Verpackungen, Textilien oder Kosmetik auf Basis von Laubholz produzieren und Ende 2023 in Betrieb gehen soll. Mit einer Gesamtkapazität von 220.000 Tonnen bildet sie das Geschäftsmodell von Erdölraffinerien ab – in ungleich kleinerem Maßstab.
„Die Anlagen sind erst in Planung und Aufbau“, sagt Klaus Richter, Holzwissenschaftler an der TU München und Mitglied des Bioökonomierats der Bundesregierung, „wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase“. Es sei wichtig, angesichts der derzeitigen Energiekrise keine falschen Pfadabhängigkeiten zu schaffen und große Kapazitäten etwa für Holzpelletkraftwerke aufzubauen.
Den Einsatz von bisher energetisch genutztem Waldholz in Bioraffinerien hält er für sinnvoll: „Die Molekülketten, die von der Natur geschaffen wurden, kann man dort hochwertig einsetzen.“ Zudem seien Bioraffinerien, in denen Holz in seine Bestandteile Lignin und Zellulose zerlegt und diese dann weiterverarbeitet werden, Abnehmer auch für Holzarten jenseits der Fichte. „Im Zuge des klimabedingten Waldumbaus wird es mehr Bäume geben, die sich nicht als klassisches Bauholz eignen“, sagt Richter, „deren hochwertige Verwendung in Bioraffinerien ist auch für Waldbesitzer interessant“.
Den Umweltverbänden wird bei all den Ansprüchen – Holz als Energielieferant, Baumaterial, Papier- und künftig auch noch als Chemierohstoff – angst und bange. „Der Wald ist in Klimazielen weltweit als CO2-Senke einberechnet“, sagt Kenneth Richter, Referent für Bioenergie beim Naturschutzbund Nabu. Aktuell wandele er sich durch Übernutzung und Klimaextreme in vielen Regionen zu einer CO2-Quelle.
Die Senkenfunktion sei nur durch weniger Einschlag und bodenschonende Bearbeitungsmethoden zu erreichen. Schon jetzt sei die Nachfrage durch Pelletkraftwerke und -heizungen so hoch, dass sich in Osteuropa oder den USA Kahlschläge auch für Feuerholz lohnten. Eine Energieform, die zu einer Nettozunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beiträgt, dürfe nicht als erneuerbare Energie gefördert werden, sagt Richter.
Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament über seine Position zu RED III ab, dann beginnen Verhandlungen mit dem Rat der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Eine Einigung wird gegen Jahresende erwartet.
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