Holocaust-Aussage von Mahmud Abbas: Ungeschickt und kontraproduktiv

Palästinenserpräsident Abbas hat seinem Volk mit dem Holocaust-Vergleich keinen Gefallen getan. Seine Wut über die Lage im Nahen Osten ist indes berechtigt.

Portrait am Rednerpult

Fungiert seit 17 Jahren als Palästinenserpräsident: Mahmoud Abbas Foto: Lisi Niesner/reuters

Ist Mahmud Abbas noch zurechnungsfähig? Mit seiner absurden Behauptung zu den „50 Holocausts“, die Israel an den PalästinenserInnen begangen haben soll, weckt der Palästinenserpräsident, der flott auf die 90 zugeht, den Verdacht, dass das nicht der Fall ist. Hätte er doch wissen müssen, dass eine solche Gleichsetzung in Deutschland nicht gut ankommt. Immerhin hat er seinen Fehler rasch eingesehen und die eigene Aussage relativiert.

Ob Demenz eine Rolle spielte oder nicht – sicher ist, dass Abbas sehr wütend gewesen sein muss, als er sich zu dem Holocaust-Spruch hinreißen ließ. Klar, dass er ungern auf das Attentat bei der Münchner Olympiade 1972 angesprochen wird. Abbas, der zum fraglichen Zeitpunkt Finanzminister der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) war, wird nachgesagt, er habe das Attentat finanziert. Wenn das so ist, hätte er vor Gericht gestellt und verurteilt werden müssen.

Stattdessen fungiert er seit 17 Jahren als Palästinenserpräsident, hat dem Terror viele Male offiziell abgeschworen und schickt die palästinensischen Sicherheitsdienste in den Antiterrorkampf, wo sie Hand in Hand mit der israelischen Armee zusammenarbeiten. Dass die Zahl der Anschläge in Israel massiv zurückgegangen ist, ist in erster Linie dieser Kooperation zu verdanken.

Die Wut des Präsidenten ist verständlich. Er schießt keine Raketen auf Israel, wie es die Islamisten im Gaza­streifen regelmäßig tun. Und er hält die PalästinenserInnen im Westjor­danland mit strenger Hand in Schach, obschon selbst in den Reihen der eigenen Fatah-Partei der Ruf nach einer Rückkehr zum bewaffneten Widerstand lauter wird. Was bleibt ihm übrig, als die Reise nach Berlin dazu zu nutzen, um auf internationaler Bühne Solidarität einzufordern?

Die Holocaust-Provokation war ungeschickt und vermutlich kontraproduktiv für die palästinensische Sache. Mit weiteren Einladungen auf Staats­ebene muss Abbas sobald nicht rechnen. Konkrete Nachteile entstehen vor allem den PalästinenserInnen. Ansonsten ist der Schaden überschaubar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.