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Hoffnungsträger WasserstoffWünsch-dir-was reicht lange nicht

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Ohne grünen Wasserstoff klappt die Energiewende nicht. Doch es ist noch völlig unklar, wo und wie die immensen Mengen herkommen sollen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begutachtet im September die Produktionsanlagen von grünem Wasserstoff im Chemiepark Herne Foto: Uta Wagner/imago

G rüner Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für den klimagerechten Umbau der Industrie – aus guten Gründen. Denn mithilfe erneuerbarer Energien hergestellter Wasserstoff ermöglicht die Produktion klimaneutraler Grundstoffe und Waren. Bislang ist das aber vor allem ein Wunsch, denn in der Wirklichkeit kommt – noch – wenig von den großen Visionen an.

Das liegt in der Natur der Sache, denn es handelt sich um neue Technologien, die ganz am Anfang stehen und deren großes Potenzial sich erst in Jahren entfalten wird. CDU-Chef Friedrich Merz fehlt offenbar die Fantasie, sich eine klimaneutrale Industrie auf Basis von grünem Wasserstoff vorzustellen. Das ist keine Kleinigkeit. Denn wenn die Folge dieser mangelnden Vorstellungskraft ist, dass eine von ihm geführte Bundesregierung kein Geld mehr in den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur steckt, wird der Schaden immens sein. Ob die deutsche Industrie eine Zukunft hat, hängt davon ab, ob sie in der Lage sein wird, klima­neutral zu produzieren. Und ohne grünen Wasserstoff wird das kaum möglich sein.

Allerdings: Wünsch-dir-was allein hilft natürlich nicht. Dass es hinsichtlich der Beschaffung von Wasserstoff mehr offene Fragen als Antworten gibt, liegt auf der Hand. Es ist völlig offen, wo und wie die immensen Mengen hergestellt werden könnten, die allein in Deutschland benötigt werden. Noch wird weltweit weitaus weniger produziert als vorgesehen, zeigt eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Denn es ist weder wirtschaftlich attraktiv, noch gibt es genug zahlungswillige Abnehmer.

Die Konsequenz daraus darf aber nicht sein, Wasserstoffpläne ad acta zu legen. Vielmehr müssen die Anstrengungen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft größer werden, gerade auch die der kommenden Bundesregierung. Und auch über Alternativen zu Wasserstoff muss angesichts der bestehenden Knappheit nachgedacht werden. Aber das ungebrochene Festhalten an fossilen Brennstoffen, wie es Merz offenbar im Sinn hat, ist keine Alternative. Das ist eine Sackgasse.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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8 Kommentare

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  • Was soll man sage? Während bei uns noch laviert wird, schafft China Fakten und investiert in die Wasserstoffherstellung und -infrastruktur. Das Ziel ist 2030 eine Million Tonnen grünen Wasserstoff herzustellen. Zur Abwechslung kommt die Technologie diesmal nicht aus Deutschland wie bei PV. Solche Innovationen können wir scheinbar nicht mehr.

  • Ob Merz ungebrochen an fossilen Brennstoffen möchte, weiß ich nicht, glaube ich auch nicht unbedingt, aber das gehört offenbar zur üblichen Folklore. Bloß nicht irgendwie in Verdacht geraten, Merz könnte recht haben.



    Denn in der Sache liegt Anja Krüger ja mit ihm völlig d'accord. Dass man nämlich gerade in der Energiepolitik mal die Welt des Wünschens & Wollens verlässt und sich am Machbaren orientiert. Sowohl pro Kopf als auch absolut liegen die CO"-Emissionen in Deutschland klar über denen Frankreichs mit seiner bösen Atomenergie. Dito Strompreise.



    Aber gleichzeitig eine Rhetorik pflegen, wonach der Weltuntergang im Prinzip vom Tun und (Unter-)Lassen Deutschlands abhängt, sich andererseits aber einem rationalen Diskurs zu verweigern, funktioniert nicht.



    Schließlich bedarf die Energiewende, was ihre besonders sendungsbewussten Verfechter ja gerne verdrängen, zumindest in einer Demokratie einer Mehrheit. Bevor nun das nächste offenkundig überambitionierte Projekt vom Stapel gelassen wird, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass es bei einer ähnlich ungünstigen Kosten/Nutzen-Bilanz und zugleich drohendem Verlust von Arbeitsplätzen um deren Akzeptanz einfach schlecht bestellt ist.

  • Die Klimakrise bedroht die Menschheit und zahllose andere Spezies. Alle Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, ob sie dieser immensen Gefahr gerecht werden. Die Hauptursache der Katastrophe ist die kapitalistisch motivierte Industriegesellschaft. Die Hauptleidtragenden der Katastrophe sind die Armen auf der ganzen Welt. Noch. Wenn wir weiter exzessiv produzieren und konsumieren, wird sich niemand mehr freikaufen können. Egal, welchen Energieträger die Industrie verwendet, Überproduktion an sich ist das Problem. Der H2-Umbau der Industrie, weit entfernt von "grün", wird das verbleibende CO2-Budget der Menschheit um ein Vielfaches übersteigen, und eine Wasserstoffwirtschaft ist nur marginal weniger utopisch als eine fusionsbasierte. Aber, weil wir im Kapitalismus leben, ist eine wettbewerbsfähige Industrie DAS Argument. Der Wettbewerb der Nationen um Rohstoffe endet oft im Krieg, und Wasserstoff ist das neue Erdöl. Er reicht nicht für alle und ist keine Lösung. Die Industrie aufs Notwendige reduzieren, weltweite Kooperation, haltbare Produkte machen und Landwirtschaft ökologisieren, Energie sparen, das sind die Lösungen.



    Oder Krieg aller gehen alle, geht auch.

  • Na klar dauert der Ausbau und bis dahin wird noch einiges CO2 emittiert werden, aber irgendwann muß man halt anfangen. Wieder eine Blockade wie bei der E-Mobilität, bei Solar bei Wind, die bekannten Folgen würden sich wiederholen. Sollte die dt Industrie wieder den Anschluß verlieren, weil sie in ihrer Veränderungsunwilligkeit protegiert wurde, wird es wirklich eng.



    Die Diskussion, was die beste Technik wäre, die Politik dürfe in keinem Fall einzelne Techniken fördern ist eine typische Diskussion, die vor allem von der Verhindererseite gefüttert wird. E-Mobilität hat sich auch nicht durchgesetzt, weil es so haushoch anderen Technologien überlegen wäre, sondern weil die Marktmacht irgendwann groß genug war, dass es keine wirtschaftlich lohnenden Alternativen gab. Und das vor allem durch die Festlegung Chinas auf das E-Auto. Das kann Europa auch.



    Durch das hohe Angebot von Windstrom werden die Phasen mehr werden, in denen Strom mit negativen Preisen gehandelt wird, spätestens wenn die gesetzliche Vergütung irgendwann ausläuft, brauchen Windmüller Lösungen. Es besteht ein Interesse an dieser Technik. Die Politik entscheidet nun, ab wir Mitläufer werden oder an der Spitze dabei sind.

    • @nutzer:

      Im Grunde stimme ich zu. Doch letztlich bestimmt das Geld, welche Technologie sich durchsetzt. 2022 bis 2023 bekam die E-Mobilität einen enormen Schub. Der Gründe waren einfach: Diesel kosten zeitweilig €2,20. Es gab plötzliche brauchbare Autos und dazu noch staatliche Forderung. Acht Monate und mehr Lieferzeit waren keine Seltenheit.



      Bei Wasserstoff ist das nicht anders. Die Produktion des heutigen Industriebedarfes aus Erdgas ist "grün" kaum zu schlagen. Grüner Wasserstoff wird absehbar viel zu teuer bleiben. Selbst dann, wenn die Erzeuger für die Stromabnahme auch noch Geld bekommen.



      Geld steuert so ziemlich alles. Gerade jetzt gibt es eine Art Torschlusspanik beim Kauf von Wärmepumpen. Denn wenn erst mal der Merz regiert, ist wohl Schluss mit Förderung.



      Alle diese Förderungen auf der "sauberen" Seite werden enorm teuer. Es wäre langsam besser, auf der "schmutzigen" Seite die Hand auf zu halten. Im Verkehrssektor ist das ganz einfach: Anmeldegebühren wie in Norwegen, Dienstwagen mit Verbrenner höher besteuern - auch bei Wartung und Verbrauch. Und Wasserstoff fördern? Keine Ahnung.

  • "Aber das ungebrochene Festhalten an fossilen Brennstoffen, wie es Merz offenbar im Sinn hat, ist keine Alternative. Das ist eine Sackgasse."

    Und warum sollte das so sein? Die weltweiten Stahlproduktiin wird sich ganz unabhängig vom Standort Deutschland entwickeln. Außer im Pipi-Langstrumpf-Land wird dies mittelfristig mit Kohle geschehen.

    Was soll das also mit der Sackgasse?

  • Grüner Wasserstoff? Vielleicht in 20 Jahren.



    Danke für diesen Bericht. Als ich geschrieben habe, dass die Pläne von Habeck Zukunftsmusik sind, wurde ich kritisiert. Wasserstoff ist eine Möglichkeit des Energiewandels, doch selbst mit großen Anstrengungen nicht unter 20 Jahren umsetzbar. So hat man es aber in die Kalkulation für 2035 einfach eingerechnet und dies ist zu tiefst unseriös.



    Bei uns werden auch 2035 noch Gas- und Kohlekraftwerke laufen, so viel Ehrlichkeit ums einfach sein, auch wenn ich dies unerträglich finde.

    • @Hans Dampf:

      20 Jahre sind "Deutschlandtempo". Mit "Chinatempo" ginge das in weniger als 10 Jahren. So haben wir das in der Autoindustrie gesehen.



      Leider braucht man für "Chinatempo" eine Regierung, die sich gnadenlos über die Interessen einzelner hinwegsetzten kann. Die will ich dann doch lieber nicht.