Grundrenten-Diskussion in der Regierung: Für wen der Rubel rollt
Bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Grundrente dreht die Große Koalition jeden Cent um. Prämien für E-Autos vergibt sie dagegen sehr großzügig.
D as Beispiel der Zahnarztgattin wird im großkoalitionären Streit über die Grundrente gerade gern bemüht. Braucht die eine Grundrente, wo doch ihr Mann arbeitet? Hat sie es überhaupt verdient, Geld zu bekommen, das andere BeitragszahlerInnen fleißig erarbeitet und eingezahlt haben in die solidargemeinschaftliche Rentenkasse? Obwohl sie doch einfach nur die Frau vom Zahnarzt-Mann ist?
Man muss den VerfechterInnen der Bedürftigkeitsprüfung fast dankbar sein, dass ihnen zum Thema Grundrente kein intelligenteres Beispiel einfällt als die Frau, die scheinbar zweckbefreit Teil dieser Gesellschaft ist und dennoch Geld erhalten soll. Die Realität ist bekanntlich eine andere – und sie orientiert sich sicher nicht an Problemen eines Narrativs, das seinen Ursprung in der westdeutschen Versorgerehe des 20. Jahrhunderts hat.
Bei der Grundrente handelt es sich um einen Zuschlag von maximal 10 Prozent auf die Grundsicherung im Alter. Es geht um Menschen, die trotz mindestens 35 Jahren Berufstätigkeit eine Rente unterhalb der Grundsicherung erhalten würden. Für Alleinstehende liegt diese aktuell bei 424 Euro pro Monat, plus Mietkosten.
Schlimm genug, dass so etwas wie die Grundrente überhaupt nötig ist. Die ganze Neiddebatte über die Gattin mit Perlenkette und Golf-Cabrio aber beschämt jene, die nach einem langen Arbeitsleben auf Unterstützung angewiesen sind. Es geht hier um Geld für die neue Brille, eine Waschmaschine oder Weihnachtsgeschenke für die Enkel – um nicht mehr als insgesamt 2 Milliarden Euro im Jahr.
Für eine andere Gruppe hingegen, für die AutofahrerInnen, entscheidet die Große Koalition gerade schnell und unbürokratisch. Über einen Zeitraum von sechs Jahren sollen die Kaufprämien für Elektroautos kräftig erhöht werden: Statt 4.000 Euro wie bisher gibt es nun 6.000 Euro vom Staat für ein neues E-Auto; 4.500 für Plug-in-Hybride. Selbst für Autos, die teurer als 40.000 Euro sind, wird die Prämie erhöht: von 4.000 auf 5.000 Euro. Da rollt der Rubel.
Mag sein, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden: dauerhafte Maßnahmen mit mittelfristigen, industrie- mit sozialpolitischen. Aber es fällt schon unangenehm auf, wie leicht eine politische Entscheidung von der Hand geht, die von einer starken Autolobby vorangetrieben wurde. Und wie verbissen dagegen den RentnerInnen die Groschen in die Hand gezählt werden, die hart rechnen müssen für ein Bahnticket. Von einem eigenen Auto ganz zu schweigen. Die Frage nach der Zahnarztgattin, die ihren Golf-Cabrio gegen einen subventionierten VW ID.3 eintauschen könnte, wird hier gar nicht erst gestellt.
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