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Geleaktes Verfassungschutz-GutachtenLächerlich, wer das lächerlich findet

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes wurde offenbar an rechte Medien durchgestochen. Dort prahlt die Partei damit, wie breit sie zitiert wird.

Abgehängt: AfD-Wahlkampfplakate, am 23. Februar in Krefeld Foto: Oliver Kaelke/DeFodi images/ddp

E s ist eine riskante Strategie und erneut ein Beleg dafür, wie weit sich der öffentliche Diskurs nach rechts verschoben hat: Die AfD hat das Verfassungsschutz-Gutachten zur Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ wohl an Rechtsaußen-Medien durchgestochen.

Nun fluten ihre Abgeordneten die sozialen Medien mit Postings, wie lächerlich die Einstufung doch sei. AfD-Politiker wiederholen ihre rassistischen Aussagen, prahlen damit, wie breit sie zitiert werden, bezeichnen den Verfassungsschutz als Stasi. Selbst der Hauptaccount der AfD ist sich nicht zu schade, an verbotene SA-Parolen angelehnte Wahlkampfslogans erneut wiederzukäuen. Die AfD hofft wohl darauf, dass das in ihrer Anhängerschaft verfängt.

Es bleibt jedoch riskant: Wer sich über das rechte Getöse in den sozialen Medien hinaus die über 1.108 Seiten voller Belege durchliest, bekommt ein recht eindeutiges Bild einer zutiefst rassistischen und rechtsextremen Partei, die insbesondere mit ihrem ethnischen Volksverständnis und der Islamfeindlichkeit den Verfassungsbogen verlassen hat. Der Rechtsstaat sieht das ähnlich, wie auch das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Gerichtsurteil ausführlich festhielt. Schon damals sprach viel für eine Hochstufung und immer mehr für ein Verbotsverfahren. Die AfD hat sich dennoch weiter radikalisiert.

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Im Wahlkampf übernahm sie rechtsextreme Kampfbegriffe, umarmte Autokraten, hetzte mit widerwärtigsten rassistischen KI-Bildern gegen Minderheiten. Damit greift die Partei auf allen Ebenen schon den ersten Artikel des Grundgesetzes an und tritt die darin verbriefte Menschenwürde mit Füßen. Ihre Radikalisierung vollzog sich in den vergangenen zehn Jahren offen – weswegen der Verfassungsschutz (VS) sich hauptsächlich auf öffentliche Quellen stützt.

Die Partei ist stolz auf ihre Radikalität, wie sie nun breit zur Schau stellt. Sie beweist damit einmal mehr einen Befund aus dem VS-Gutachten: Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Partei sich deradikalisiert. Wer die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ trotzdem lächerlich findet, verrät vor allem viel über den eigenen Standpunkt.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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2 Kommentare

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  • ".. den Verfassungsbogen verlassen hat. Der Rechtsstaat sieht das ähnlich."

    Ein oft zitiertes Missverständnis. In dem Urteil des OVG Münster ging es um das Verfassungsschutzrecht. Das Urteil bestätigt hinsichtlich der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der AfD lediglich, dass die nachrichtendienstlichen Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz eine Hochstufung rechtfertigen. Daraus lässt sich aber keine verfassungsrechtliche Einordnung des Gerichts hinsichtlich der AfD herleiten.

    Gilt im übrigen auch für die Aussagen im aktuellen Gutachten. Es sind Belege für eine Verfassungsfeindlichkeit, aber sie bedürfen auch erst noch einer verfassungsrechtlichen Einordnung.

    Die Justizare der AfD werden diese Einordnung derweil auf Grundlage des Gutachtens bereits vorgenommen haben und zum Ergebnis gekommen sein, dass das im taz Artikel geschilderte Gebahren der AfDler als Reaktion auf das Gutachten kein Risiko in sich birgt, weil der Inhalt des Gutachtens nur wenig Potential bietet, um einen Verbotsantrag in die Wege zu leiten.

    Es sieht daher eher nach einem ein geplanten Vorgehen aus, um die Verachtung gegenüber dem Rechtsstaat und seiner Institutionen zum Ausdruck zu bringen

  • Big Tech muss weg!



    Die Monopolisierung des Internets durch die Portale der Tech-Oligarchen und der gleichzeitige Schulterschluss zwischen Autokraten, Überreiche und faschistische Parteien und Bewegungen in Europa und anderswo bedrohen die Demokratien.

    Die monopolisierten (noch sehr jungen) sozialen Massen-Medien in den Händen von autokratischen Alternativen in Deutschland und anderswo sind wie damals das junge Massenmedium Radio in den Händen von Hitler, Stalin und Mussolini. Mit ihrer Propaganda haben sie Menschen dazu gebracht Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie abzuwählen - weil... ja was wohl?.... Werbung und Propaganda tatsächlich funktioniert (wer hätte es gedacht?!.)

    Wir sollten so schnell wie möglich unser tolles Deutschland im tollen Europa sehr kraftvoll und entschieden vor Autokraten für Deutschland und Europa schützen.

    Wir dürfen und müssen unsere Demokratie verteidigen!

    Lesetips:



    "Big Tech muss Weg"



    bigtechmussweg.de/

    "Die Achse der Autokraten"



    www.penguin.de/bue...buch/9783827501769

    "Über Freiheit"



    www.chbeck.de/snyd...t/product/36957523