Entscheid zum Mietendeckel: Einseitig und unfair
Das Nein aus Karlsruhe ist problematisch. Inhaltlich hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht positioniert – es hat damit eine Chance vertan.
D er Richterspruch aus Karlsruhe kam nicht überraschend. Von Beginn an war es zweifelhaft, ob das Land Berlin die galoppierenden Mieten im Alleingang deckeln und sogar absenken darf. Auf die Idee mit dem Landesgesetz kam der Senat auch erst, nachdem mehrere Anläufe für ein Bundesgesetz gescheitert waren.
Es war der ehrenwerte Versuch einer Notlösung. Aber wie manche Notlösung erwies auch diese sich als nicht tragfähig. Das Bundesverfassungsgericht hat nun, wie weithin vermutet, den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt, da ein Bundesgesetz nötig gewesen wäre.
Mit viel mehr Spannung wurde erwartet, ob das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel auch inhaltlich beanstanden würde. Die Vermieter sahen ja ihr Grundrecht auf Eigentum verletzt. Doch dazu nahm Karlsruhe nun keine Stellung, obwohl das möglich und angesichts der zahlreichen Klagen auch sinnvoll gewesen wäre.
Wahrscheinlich hätte Karlsruhe den Berliner Mietendeckel grundrechtlich nicht als unverhältnismäßig beanstandet. Denn er betraf keine Neubauten, war zeitlich befristet und sah eine Härtefallregelung für existenzbedrohte Vermieter:innen vor. Im Vergleich zu zinslosen Sparbüchern und riskanten Aktien sind Immobilien – auch in Berlin! – noch eine gute Anlage.
Indem das Verfassungsgericht trotz zahlreicher einschlägiger Klagen auf diese Klarstellung verzichtete, nahm es mittelbar Einfluss auf den kommenden Bundestagswahlkampf. Denn dort wird es nun natürlich auch um die Einführung eines Mietendeckels auf Bundesebene gehen. SPD, Linke und Grüne müssen nun mit dem Makel kämpfen, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Instruments immer noch ungeklärt ist.
Der Karlsruher Verzicht ist besonders problematisch, weil mit dem Negativurteil zum Berliner Landesgesetz natürlich im Wahlkampf auch Stimmung gegen einen bundesweiten Mietendeckel gemacht wird. Wenn das Gericht in einer hochpolitischen Frage nur negativ urteilt, obwohl eine ausgewogene Entscheidung möglich war, handelt es einseitig und damit unfair.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier