Reaktionen auf gekippten Mietendeckel: Jetzt ist der Ball beim Bund

Linkspartei, SPD und Grüne fordern bundesweite Regeln gegen Mietsteigerung. Union, FDP und AfD hingegen freuen sich mit der Immobilienlobby.

Demonstranten mit gemaltem Plakat Miethai

Protest in Berlin gegen steigende Mieten und Verdrängung Foto: Stefan Boness/IPON

BERLIN taz | Tiefe Enttäuschung auf der einen, großer Jubel auf der anderen Seite – das sind die Reaktionen im politischen Berlin auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Berliner Mietpreisbremse zu kippen.

Von einem „schwarzen Tag für die Berliner Mieterinnen und Mieter“ sprach der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Sören Bartol. „Wir müssen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestehendes Bundesrecht um einen verfassungsgemäßen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten ergänzen“, sagte er. Den erfolgreichen Klä­ge­r:in­nen aus den Reihen von Union und FDP warf er vor, ihnen seien die Sorgen von Mie­te­r:in­nen „vollkommen egal“. Sie seien vielmehr „die Anwälte der Immobilienlobby im Deutschen Bundestag“, sagte Bartol.

Ähnlich prägnant formulierte es der Linkspartei-Bundestagsagbeordnete Gregor Gysi: „Mit CDU und CSU sind immer Miethaie auf der Gewinnerseite, aber nicht die Mieterinnen und Mieter.“ Das Verfassungsgerichtsurteil sei ein Rückschlag.

„Viele Mieterinnen und Mieter müssen jetzt wieder darum bangen, dass sie aus ihrer Nachbarschaft verdrängt werden und dass sie ihre Mieten nicht zahlen können“, sagte die Linkspartei-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Ihre Partei werde sich „weiter mit aller Energie für eine soziale Mietenpolitik einsetzen“. Auch die Linkspartei fordert nun eine Regelung auf Bundesebene. Für mindestens sechs Jahre müssten „überall dort Mietendeckel eingeführt werden, wo der Wohnungsmarkt für Mieterinnen und Mieter zur Existenzbedrohung geworden ist“, sagte die Co-Vorsitzende Janine Wissler.

Die CSU lehnt „solche sozialistischen Experimente auf Bundesebene“ ab

„Der Berliner Mietendeckel war ein Notnagel“, sagte der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der grünen Bundestagsfraktion, Chris Kühn. „Das Bundesverfassungsgericht hat nun klargestellt, dass dieser Notnagel nicht trägt.“ Das Urteil nehme „den Bund in die Pflicht“. Die Bundesregierung sei nun „in der Verantwortung, jetzt zügig die Mietpreisbremse zu verbessern und die Mieterhöhungsmöglichkeiten bei bestehenden Mietverträgen wirksam zu begrenzen“.

Freude bei Union, FDP und AFD

Wie nicht anders zu erwarten, zeigten sich die Union, die FDP und auch die AfD äußerst zufrieden mit der Karlsruher Entscheidung. Er sei „erleichtert“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Denn es sei der Eindruck entstanden, „dass mit diesem Mietendeckel der Staat immer mehr und immer stärker in die privatwirtschaftliche Gestaltungsfreiheit eingreift“. Deswegen sei es „ganz wichtig“, dass er verworfen worden sei.

„Der Berliner Senat hat die Mieterinnen und Mieter wider besseres Wissen für ein ideologisches Experiment missbraucht“, sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst. „Man muss dem Bundesverfassungsgericht dankbar sein, dass es diesen Spuk jetzt beendet hat“, sekundierte der AfD-Bundestagsabgeordnete Udo Hemmelgarn.

Der Mietendeckel habe „für Unsicherheit auf den Wohnungsmärkten gesorgt, Investitionen ausgebremst und keine einzige neue Wohnung geschaffen“, sagte Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU). Daher sei es gut, dass er jetzt Geschichte sei. Volker Ullrich, der rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, verkündete, es sei „klar“, dass es mit seiner Partei „solche sozialistischen Experimente auf Bundesebene nicht geben“ werde.

„Das ist nicht nur ein sehr guter Tag für die Wohnungspolitik und private Vermieter, sondern auch ein sehr guter Tag für Mieter“, schwärmte der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland, Kai Warnecke. „Wir müssen zurückkehren zu den wohnungspolitischen Instrumenten, die funktionieren“, befand Warnecke. Dazu gehörte „in erster Linie, Wohnungsknappheit durch Wohnungsbau zu bekämpfen“.

Enttäuscht zeigte sich hingegen Frank Werneke, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Das Problem ständig steigender Mieten bleibt – deswegen ist jetzt die Bundesregierung am Zug“, sagte er. „Wir brauchen eine wirksamere Mietpreisregulierung.“

„Eine großartige Chance für viele Menschen in unserem Land ist heute vertan worden“, sagte Monika Schmid-Balzert von der bundesweiten Kampagne Mietenstopp. Aber immerhin herrsche jetzt Klarheit. „Wenn es die Länder nicht können, muss der Bund einen Mietenstopp mithilfe des Zivilrechts einführen.“

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