EU-Agrarsubventionen: Über 2,6 Millionen für Bauernbosse
Die Bauernverbandschefs kassieren hohe EU-Subventionen – viel höhere als Durchschnittslandwirte. Verhindert der Verband deshalb eine Umverteilung?
Die etwa 20 Präsidiumsmitglieder des DBV oder ihre Unternehmen kassierten im Haushaltsjahr 2022/23 insgesamt mehr als 2,6 Millionen Euro EU-Subventionen. Das zeigt eine Recherche der taz in der Datenbank agrarzahlungen.de der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Subventionierte Lobbyisten
Spitzenbezieher war im Jahr bis Ende Oktober 2023 mit ungefähr 1 Million Euro die Universal-Agrar GmbH, bei der der Präsident des Thüringer Bauernverbands, Klaus Wagner, als Geschäftsführer und Gesellschafter fungiert. Auf Platz zwei liegt mit rund 470.000 Euro die AGW Agrarwirtschaftsgesellschaft Worin von Henrik Wendorff, dem Chef des Bauernverbands Brandenburg. DBV-Präsident Joachim Rukwied bekam knapp 100.000 Euro EU-Subventionen. Im Schnitt 145.000 Euro erhielt jedes der 18 Präsidiumsmitglieder, denen die taz Betriebe in der Datenbank zuordnen konnte. Das ist bedeutend mehr als die 22.000 Euro, die der durchschnittliche Empfänger in Deutschland bekam.
Der Bauernverband sieht die Zahlungen als Ausgleich für seiner Meinung nach generell höhere Umwelt-, Tier- und Sozialstandards als außerhalb der Europäischen Union. Die Organisation lobbyierte erfolgreich dafür, dass die EU nach den Bauernprotesten zentrale Umweltregeln strich oder aufweichte. Schon lange spricht sich der Verband dagegen aus, die Subventionen ab einer bestimmten Höhe zu deckeln oder zu reduzieren.
Die Zahlungen sind der zweitgrößte Posten im EU-Haushalt. Der überwiegende Teil fließt in die „Erste Säule“ der EU-Agrarpolitik, vor allem die pro Hektar berechneten Direktzahlungen.
Bei Rukwied liefert die „Erste Säule“ fast 97 Prozent des Gesamtbetrags. Bei Wagners Betrieb in Thüringen sind es 66 Prozent. Auch bei Wendorffs Firma in Brandenburg ist der Anteil der Ersten Säule mit 52 Prozent hoch, aber wegen der umfangreichen Subventionen für den Ökolandbau des Betriebs niedriger als bei Rukwied und Wagner.
„Der DBV ist in weiten Teilen im Grunde ein Ackerbauern-Industrieverband. Also ein Verband großer Ackerbaubetriebe, die die Industrie und die Exportmärkte bedienen“, sagte Naturschutzbund-Präsident Jörg-Andreas Krüger auf Anfrage. „Die taz-Recherche unterstreicht das: Profitable Ackerbaubetriebe, die ihre Subventionen um jeden Preis verteidigen, sind auch in der Spitze des DBV vertreten. Die haben auch aus rein persönlich-wirtschaftlichem Interesse keine Lust, ihre Margen zu verkleinern“, so der Chef von Deutschlands größter Umweltorganisation.
Das sei ein Grund, weshalb der Bauernverband so gegen Kappung und Degression sei, ergänzte Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die sich vor allem für kleinere und ökologisch orientierte Höfe einsetzt. Dabei seien Unternehmen mit Tausenden von Hektar nicht auf Direktzahlungen angewiesen, weil sie ihre Flächen günstiger bewirtschaften könnten.
AbL-Bundesgeschäftsführerin Xenia Brand kritisierte, der Bauernverband verhindere, dass die Flächenprämien zugunsten von Zahlungen für konkrete ökologische Leistungen der Bauern umgeschichtet werden. „Da wichtige Akteure in der Spitze des Deutschen Bauernverbandes stark von der bisherigen Flächenprämie profitieren, verwundert es nicht, dass sie so vehement die Qualifizierung dieser Gelder blockieren.“ Damit schade die Organisation aber den Bauern, die bereits viel für Klima oder Artenvielfalt leisteten.
DBV-Sprecher Axel Finkenwirth, schrieb der taz auf Anfrage, er könne die Zahlen nicht nachvollziehen. Sie stammen aus amtlichen Quellen. Finkenwirth ergänzte, seine Organisation sei „ein zutiefst demokratisch organisierter Verband“. Bei Abstimmungen über Positionspapiere komme es also nicht auf die Betriebe einzelner Präsidiumsmitglieder an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau