piwik no script img

Die TheseLasst die Fußgängerzonen sterben

Felix Zimmermann
Kommentar von Felix Zimmermann

Corona macht die Fußgängerzonen kaputt – endlich. Sie müssen zugrunde gehen, damit in den Innenstädten etwas Neues entstehen kann.

Oldenburger Innenstadt: Am Montag sollen die Geschäfte als Modellprojekt wieder öffnen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

N eulich hat der Norddeutsche Rundfunk 13 Städte und Gemeinden in Niedersachsen zu „Auserwählten“ erklärt. Was für ein Wort! Denn auserwählt ist jemand, der von einer höheren Macht – etwa von Gott? – zu etwas befugt wird und sich dadurch von anderen abhebt.

Der NDR hat das Wort ironiefrei benutzt, obwohl die höhere Macht hier nur die Niedersächsische Landesregierung ist, repräsentiert durch den Ministerpräsidenten Stephan Weil, einen SPD-Mann. Die „Auserwählten“ – darunter Hildesheim, Oldenburg, Lüneburg, Einbeck und Emden – dürfen vom 12. April an wieder Trubel und Geschäftigkeit zulassen, weitere Orte kommen eventuell später dazu.

Geschäfte dürfen dort öffnen, Theater, Kinos, Fitnessstudios und Museen, Straßencafés auch. Natürlich nur unter bestimmten Bedingungen: Wer Zutritt zu den sogenannten „sicheren Zonen“ haben möchte, muss einen negativen Coronatest vorweisen, muss Maske tragen, bekommt ein farbiges Armbändchen, das für einen Tag gilt.

In Tübingen erprobt

Und auch wenn einige der Städte jetzt zögern, soll in Niedersachsen wie auch im Saarland nachgemacht werden, was in Tübingen bereits erprobt wird. Kritik an solchen Planspielen wird gern überhört oder wegmoderiert. In Tübingen etwa steigen die Corona-Infektionszahlen, was dann mit der höheren Anzahl von Tests begründet wird. Die angebliche wissenschaftliche Begleitung solcher Modellprojekte scheint auch eher gering ausgeprägt. Den niedersächsischen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann zitierte der NDR mit einem denkwürdigen Satz: „Der Weg aus der Krise könne nicht immer nur Lockdown lauten.“

Der Epidemieexperte unter den derzeit tätigen Politikern, Karl Lauterbach, hat diese Versuche und die fragwürdigen Begründungen dafür mit einem nachvollziehbaren Vergleich aus dem Alltagsleben kritisiert: „Testen statt Lockdown ist wie Abnehmen durch Essen.“

Aber, wie es aussieht, geht es bei diesen Versuchen gar nicht darum, genaue Erkenntnis darüber zu gewinnen, wie trotz des grassierenden Virus öffentliches Leben wieder möglich ist. Vielmehr scheint hier Irrationalität im Spiel zu sein. Denn es ist womöglich kein Zufall, dass diese Versuche jetzt beginnen, nach dem Osterfest, an dem gläubige Christen das Wunder der Auferstehung feiern: den Sieg des Lebens über den Tod. Als wollten die Öffnungsverfechter nun das Leben herbeizwingen. Mit dem sehr wahrscheinlichen Effekt, dass sie dadurch dem Tod Vorrang geben vor dem Leben.

Würden sie vernünftig handeln, dann würden sie davon absehen. Jedoch: Es geht ihnen ganz offenbar darum, nicht ihre Bürger und Bürgerinnen, sondern ihre Innenstädte und vor allem die Fußgängerzonen zu retten. Und dafür riskieren sie Menschenleben. Denn steigende Infektionszahlen werden unweigerlich zu mehr Schwerkranken und zu Toten führen.

Auch dieses wahre Motiv hat der NDR benannt: Man darf in den auserwählten Orten nun endlich wieder „shoppen gehen“, schrieb er. Kaufen, kaufen, kaufen, das ist der Grund für diese wahnwitzige Aktion. Liest man Einlassungen Ortskundiger, dann wird dieser Eindruck noch verstärkt. Ulrich Schönborn, der Chefredakteur der in Oldenburg erscheinenden Nordwest-Zeitung, etwa nennt den Menschenversuch ein „Modellprojekt für sicheres Bummeln durch Oldenburgs Innenstadt“, bebildert wird sein Kommentar mit einem Foto aus der dortigen Fußgängerzone, die in die Geschichte der Stadtplanung eingegangen ist, weil sie das erste zusammenhängende Gebiet einer deutschen Stadt war, das fürs Einkaufserlebnis autofrei gemacht wurde.

Und dieses Gebiet – ob in Oldenburg oder anderswo – muss gerettet werden, weshalb es denen, die es retten wollen, sinnvoll erscheint, den fragwürdigen Versuch schönzureden.

Dabei würde ein strenger Lockdown mit komplett geschlossenen Geschäften auch und gerade in Fußgängerzonen jene Pause herbeiführen, die diese Freiluftarenen des Konsums dringend brauchen, damit die, die für sie zuständig sind, in Ruhe darüber nachdenken können, wie es überhaupt weitergehen kann.

Die Lage der Fußgängerzonen ist schlecht, und sie war es auch schon vor Beginn der Pandemie. Corona hat das Elend nur noch brutaler zutage treten lassen. Die Fußgängerzonen jetzt durch scheinbar überlegte Aktionen in Schwung zu bringen, den Konsum dort anzukurbeln, würde ihr Ende nur ein wenig hinauszögern.

taz am wochenende 10./11. April 2021

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Denn in den Einkaufsstraßen stehen Geschäfte leer, auch in besten Lagen, inhabergeführte Läden können sich nur noch halten, weil sie keine Miete zahlen müssen; die überall gleichen Ketten bestimmen das triste Bild dieser Orte, wenn nicht auch sie längst ihr Filialnetz ausgedünnt haben, weil der Onlinehandel ihnen die Kundschaft nimmt.

Esprit ist dabei, die Hälfte seiner Modeläden zu schließen, die Parfümeriekette Douglas will jede siebte Filiale aufgeben, Galeria Karstadt Kaufhof ein Drittel seiner Häuser. Das Institut für Handelsforschung prognostiziert, dass bis 2023 ein Fünftel aller Läden in Innenstädten schließen werden, das wären 80.000; der Handelsverband HDE befürchtet gar 120.000 Läden, die es bald nicht mehr geben wird.

Die Pandemie verschärft das Leiden der Fuzos, wie Fußgängerzonen gern abgekürzt werden. Dieser Todesstoß kommt zur rechten Zeit, denn das Projekt Fußgängerzone muss beendet werden – um als etwas Neues auferstehen zu können.

Begonnen hatte alles auf den Trümmern der zerbombten Städte nach dem Zweiten Weltkrieg. Erste autobefreite Straßen entstanden, in Kassel etwa machte die Treppenstraße 1953 den Anfang. Später wurden, wie in Oldenburg, ganze Stadtkerne umdesignt. Autoverkehr musste weichen, was für viele Planer den Nebeneffekt hatte, außerhalb dieser Zonen ihren Traum von der autogerechten Stadt zu verwirklichen. Monströse Straßenschneisen entstanden, mitunter wurden Stadtplanungsideen der Nazis aus Schubladen geholt und endlich umgesetzt, um den Autoverkehr um die Kernstädte zu leiten. Die so entstandenen Einkaufszonen passten perfekt in die Wirtschaftswunderzeit. Bedarfsweckung trat an die Stelle der Bedarfsdeckung.

Konsumraum für Konsumtraum der 70er

In den späten 70er Jahren schrieb die Kölner Band Bläck Fööss dieser Erlebniswelt mit „Lange Samstag en d'r City“ eine Hymne, man versteht sie auch, wenn man des Kölschen nicht mächtig ist. Es war die Hochzeit der Fußgängerzone:

„En d'r Stadt es Remmi Demmi/ Alle Parkhüser sin voll/ Üvverall nur Minschemasse/ Un die kaufen hück wie doll/ Ne kleine Panz dä es am Kriesche/ De Frau Schmitz sök ihr Marieche/ Stauung an 'ner Frittebud/ Denn Fritte schmecken immer jut.“

Menschen strömen in die Stadt, sie kommen mit dem Auto, dafür gibt es ausreichend Parkmöglichkeiten, sie schlendern umher, werden Teil eines Stroms, geben Geld aus, sind mitunter schlecht gelaunt, weil es zu voll ist, es geht auch mal jemand verloren, aber zum Abschluss essen sich alle an der Imbissbude glücklich.

Das hat lange funktioniert, nach und nach traten jedoch die Schwächen zutage: Niemand wollte mehr dort wohnen, Obergeschosse wurden zu Lagerräumen, die Städte starben im Kern aus, waren außerhalb der Ladenöffnungszeiten trist und leer. Wie Mahnmale stehen hässliche und ihrer Funktion beraubte Stadtmöbel dort herum, Pflanzkübel aus Waschbeton, galgenartige Lampen.

Oberbürgermeister, Citymanager, Einzelhandelsverbandsleute, lasst die Fußgängerzonen sterben und österlich wiederauferstehen als etwas anderes. Senkt die Wahnsinnsmieten, kauft leer stehende Immobilien und vermietet sie günstig an Leute mit Ideen, an Handwerksbetriebe, sorgt dafür, dass die Innenstädte wieder Wohnorte werden, siedelt Volkshoch- und Musikschulen dort an, bringt Leben rein, setzt euch zusammen, gebt aber kurzfristig nicht Menschenleben auf, um euren Fuzos noch etwas Luft zu verschaffen!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Felix Zimmermann
wochentaz
Geboren in Göttingen, hat Geschichte und Soziologie in Bielefeld, Madrid und München studiert, war auf der Henri-Nannen-Schule in Hamburg, anschließend Lokalreporter der Berliner Zeitung und deren Nahostkorrespondent in Tel Aviv und Ramallah. Nach der Rückkehr freier Journalist in Oldenburg für überregionale Zeitungen und Magazine und Gründer des leider eingegangen Onlinemagazins Oldenburger Lokalteil. Leitete von 2012 bis 2021 das taz-Wochenendressort, lebt wieder in Oldenburg.
Mehr zum Thema

41 Kommentare

 / 
  • Konzept- oder Grundstücksspekulation? (Tipp: der Bindestrich macht's)

  • Die in allen möglichen Städten immer wiederkehrenden Ketten sind wahrhaftig langweilig ( Was Wunder, wer kann sich die meist horrenden Mieten sonst leisten?). Ich freue mich jedes Mal, wenn ich (auf Grund eines Kultur-Theater-Ausflugs) in eine fremde Stadt komme, die noch ein anderes Gesicht hat. Aber das wird nach den Corona-Pleitewellen besonders der Kleinunternehmer wohl anders aussehen. Welch traurige Zukunft.

  • Bestimmt wird nach dem untergang des Einzelhandels durch den Dauerlockdown etwas gutes entstehen.Doch, ganz bestimmt! Bleiben sie optimistisch!

  • Beim Shoppen kaufen die durchschnittlichen Deutschen 60 überflüssige Kleidungsstück pro Jahr (wofür dann 60 andera Stücke in die Tonne kommen). Dazu sind wahrscheinlich die Fußgängerzonen da.

    Die Eintönigkeit der Aufeihung der immer gleichen Kettenläden in jeder Stadt ist öde. Ich war schon lange nicht mehr in solchen Fußgängerzonen unterwegs. Spaß machen würde mir eine Innenstadt mit kulturellen Angeboten, Büchläden, Cafés, Ärzten und auch Läden für den täglichen Bedarf

    • @Ariel Rozenbaum:

      Ärzte machen Ihnen Spaß? Sie Spaßvogel.

  • Was wollen denn "die" Leute?



    Billig oder exklusiv und mit dem Auto direkt vor der Türe parken und möglichst alles verfügbar ohne große Wege.



    Schaufensterbummel ist doch meist nichts weiter, als eine Form des Spazierengehens ohne eine Kaufintension.



    Sprich: Handwerk, Kunst, klassischer Einzelhandel werden es in in Fuzos immer immens schwer haben, auch bei deutlich niedrigeren Mieten. Es wäre schön anzusehen, aber leider eine brotlose Kunst. Zumindest in Orten, die keine Tourismus-Magneten sind.



    Das wird man also nicht ändern können. Insofern wäre die Lösung vielfach tatsächlich Wohnraum.

  • "Die Innenstädte beleben", schon vor Corona ein Buzzword. Unbeantwortet bleibt die Frage, was darunter zu verstehen ist.

    Die Stadtplaner haben das Bild wuselnder shoppender Menschenmassen aus den 1970/80ern vor Augen, aber das ist genauso vorbei wie Kutschen und Gaslaternen.



    Verkaufssonntage sollen "beleben", sind aber für den Rest der Woche nutzlos, da das Gesamtkonzept obsolet ist.

    Wer soll denn "beleben", wann und wie? Touristen, Shoppende, Partyvolk oder Anwohner?



    Früher musste mensch in die Innenstadt, da dies der einzige Ort war, an dem es ein Angebot von Unterhosen bis Kochtöpfen gab. Heute gibt es Amazon, mit günstigeren Preisen und besserem Service (Reklamationen, Retouren). Für den täglichen Bedarf gibt es Supermärkte/Discounter am Stadtrand.

    Flanieren und Schaufensterbummeln? Es gibt kaum noch ansehenswerte Schaufenster zum Anschauen, alles zugeklebt. Und man schaut nicht mehr zum Vergnügen Schaufenster, sondern aufs Handy.



    Fressmeilen rechnen sich für die Betreiber nur, wenn genügend Laufkundschaft vorbeikommt.



    Genauso ist es bei den überteuerten Klamotten/Schuh/Handtaschenläden.

    Leerstände, Spielhallen, 08/15-Klamottenketten, drölfzig Dönerbuden, Drogenabhängige, Müll, Vandalismus - ich geh schon seit 10 Jahren nicht mehr in die "Innenstadt", abends schon gar nicht. Wozu auch?

    Vergesst die Einkaufs-Fußgängerzonen. Lasst normale Menschen dort zu normalen Mieten wohnen, mit Kinderspielplätzen, Grüm, besserer Stadtreinigung, so á la Dorf im Stadtkern. Vergesst die Großmannssucht nach noch mehr noch größer noch teurer. Schmeißt die Immobilienspekulanten raus, für die sich Leerstand mehr lohnt als Vermieten. Fördert kleine Einzelunternehmer/innen mit Geschäftsideen, die zu Diversifizierung der lokalen Wirtschaft führen (nicht den x-ten Handyladen). Befragt die Bürger/innen, was die sich für die Innenstadt wünschen. Macht mal sauber. Denkt nachhaltiger: warum ist ein Second-Hand-Kaufhaus mit Repaircafe igitt, eine Spielhalle aber nicht?

    • @Schnetzelschwester:

      Was bedeutet überhaupt "sterben" im Zusammenhang mit Fußgängerzonen. Straßen "leben" und "sterben" nicht, sondern die Menschen, die sie benutzen. Übersetzt bedeutet das nur, die (bisherigen) Einzelhändler verdienen nicht mehr genug Geld, und müssen schließen.



      Dieselben, die nach mehr "Markt" rufen wenns gut läuft, aber wenn der "Markt" mal nicht mehr so günstig ist, nach Steuergeldern plärren. Leute, so funktioniert der Kapitalismus!



      Die Stadtplaner haben den Geist der Shoppingmalls und Einkaufscenter am Stadtrand aus der Flasche gelassen. Jetzt kommt die Rechnung samt Zinsen.

  • In den USA sterben auch die Konsumtempel auf der grünen Wiese. Leerstand führt zu sinkenden Mieten. Wohnen wollen so zentral durchaus Leute, aber die Geschäftsmieten sind höher als die Wohnungsmieten.



    Die schönen Innenstädte werden zu Flaniermeilen des Tourismus, Restaurants, Bars. Auf den hässlichen gibt es Spiehallen, 1€-Läden und langsam auch eine Rückkonvertierung in Wohnungen. Von Musikschulen alleine kann keine Fußgängerzone überleben. Auch Bürger*innen*zentren, Stadtbüchereien und soziale Initativen können immer nur eine Ergänzung sein.

    • @Velofisch:

      Wenn unter "Fußgängerzone" eine lückenlose Aneinanderreihung von Läden gemeint ist, in denen die einen Geld ausgeben und die anderen Geld verdienen - dieses Konzept ist so überholt wie der Verbrennungsmotor.



      Von diesem nostalgischen Bild sollten wir uns verabschieden und "Fußgängerzonen" eher als "verkehrsberuhigte Dorfplätze" denken.



      Freizeitverhalten und Kaufverhalten haben sich geändert, auch schon vor Corona. Man flaniert nicht mehr, man surft im Netz. Man pilgert nicht mehr von einem Konsumtempel zum nächsten, sondern klickt sich durch amazon.



      Umgekehrt wird ein Schuh draus. Einzelhändler sollten ihren Laden nicht als alleinige Verdienstquelle behandeln, sondern als Ausstellungsraum plus online-Bestellung und Lieferservice (kann man auch gemeinsam organisieren). Überhaupt Service. Wenn ich als Kundin eine Viertelstunde warten muss, bis die unfreundliche Ladenbesitzerin den Arsch hochkriegt - in der Zeit hab ich dreimal online bestellt.



      Die Stadt selbst sollte wieder Lebensraum für die Anwohner werden: Parks, Spielflächen (wo Kinder auch mal alleine Fahrradfahren üben können), Sitzgruppen mit Tischen etc.



      Und rigoros gegen Vermüllung und Zerstörung vorgehen.

      • 9G
        97760 (Profil gelöscht)
        @Schnetzelschwester:

        Ich habe in den letzten 5 Jahren eine Druckerpatrone und einen Beschlag für ein Holzfenster online bestellt. Was soll man eigentlich noch online alles kaufen?

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Genau. Fußgängerzonen sterben lassen. Die Strassen wieder öffnen. Belebteste Strasse in Berlin? KuDamm. Frankfurt? Kaiserstrasse. Hamburg? Mönkeberg und Reeperbahn.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Erfolgversprechende Handlungsanweisung an ALLE Stadtplanungsämter:



    "Senkt die Wahnsinnsmieten, kauft leer stehende Immobilien und vermietet sie günstig an Leute mit Ideen, an Handwerksbetriebe, sorgt dafür, dass die Innenstädte wieder Wohnorte werden, siedelt Volkshoch- und Musikschulen dort an, bringt Leben rein, setzt euch zusammen"



    Die bisherigen Diskussionversuche in eine ähnlich Richtung stießen vor Corona (als die zugrunde liegenden Defizite dem interessierten Betrachter bereits sichtbar waren) liefen ins Leere. Es ist schwer zu sagen, ob dies nun besser wird - aber sehr zu wünschen.

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Seit wann senkt denn ein Stadtplanungsamt Mieten?

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @Chutriella:

        das ist genau das problem: städtebauliche eingriffe in die bestehende struktur müssten dort zuerst einmal geplant werden. um dann von zb. von städtischen wohnungsgesellschaften mit politischem segen durchgeführt werden zu können.

  • Da seh ich noch einen qualitativen Unterschied:



    Die Münchner Innenstadt vor Corona, auch mit verbotenerweise Radfahrenden und Bettlern und Hunden und Regenschauern und den Shopping Malls Klamotten - Schuhe - Klamotten - Schmuck - Klamotten - Unterwäsche - Klamotten - Eis auf die Faust - Klamotten - Kosmetika - Klamotten - Lotto - Klamotten usw (aaah Fressstände mit Sitzgelegenheit vergessen - wie die Pasing- und Riemarkaden, PEP und OEZ ...

    • @Zeit und Raum:

      Guter Punkt: die FuZos sind nicht radfahrerfreundlich.

      Damit meine ich nicht, dass ich der FuZo radeln will, aber wenn ich da quer durch will muss ich grosse Umwege fahren.



      Wenn ich zu Geschäften will (wenn das mal passiert) oder einem Kino, sind die radlbaren Zuwege ziemlich schwierig, weil Einbahnstrassen.



      Und das Rad irgendwo hinstellen, um dann ewige Fussmärsche auf mich zu nehmen ist nicht mein Ding, deshalb fahr ich ja mit dem Rad in die Stadt.

      Es gibt in M einige Stellen, die radltechnisch echt haarsträubend sind - weshalb dann da doch durchgeradelt wird.

      • @Mitch Miller:

        Die rücksichtslose Radfahrerei ist nun in solchen Zonen das, was man absolut nicht braucht, drum heißt sie ja Fußgängerzone (wie auch immer ausgestaltet).



        Eher braucht es gute Radfahrwege hin zum Zentrum und dort in der Nähe ein sicheres „Radparkhaus“ zur Aufbewahrung des Esels.



        Die Beine werden es danken, wenn sie mal laufen/gehen dürfen (ist nämlich die Urfortbewegungsart).



        Ein gutes Beispiel ist die „Radstation“ in Freiburg fußläufig zu Bahnhof wie Innenstadt.



        Leider gibt es allerdings selbst in Freiburg Radfahrer, vor denen man sich in Sicherheit bringen muss.



        Es gibt inzwischen viele Radfahrer, die sich scheint’s für den besseren Menschen halten, der alles darf.



        Als Öffi-Nutzer frage ich mich warum.

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    In einigen süddeutschen Kleinstädten sind die historischen Stadtkerne seit Jahren verödet, da man vor Jahrzehnten die Idee hatte, Supermärkte en masse am Standrand anzusiedeln. Aktuell präferieren die Verantwortlichen - und leider auch ein Großteil der dort Ansässigen - eine ganz neue Idee: Um die Stadtzentren wieder attraktiv zu machen sucht man einen Investor, der die historischen Stadthäuser bis auf die Fassade entkernen soll. Dahinter soll dann eine moderne große Shopping Mall entstehen. Kein Witz!!

  • Und wenn die historische europäische Stadt dann abgerissen ist, lautstark beklagen, dass unsere gebaute Geschichte weg ist.



    Glückwunsch!

    • @mensch meier:

      Hatten wir schon. 1942 bis 45.



      Grüße aus Köln

    • @mensch meier:

      Es gab mal eine Zeit, da wurden die Nachkriegsabrisse zugunsten der autogerechten Stadt kritisch gesehen und historisch gewachsene Strukturen mit alter Bausubstanz wurden gerettet und bewahrt, flankiert durch die Hausbesetzerbewegung mit ihrem Protest gegen Leerstand und Abriss aus Spekulationsgründen.

      Diese Errungenschaften, die uns zumindest für ein paar Jahrzehnte lebhafte und lebenswerte Innenstädte und Dorfkerne beschert haben, wurden durch die neoliberale Transformation zunichte gemacht. Gentrifizierte Altbauviertel, nur noch für besserverdienende Akademiker bezahlbar oder historisierende Fake-Fachwerkfassaden wie am Römer in Frankfurt sind bestenfalls die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

      Auch die Shoppingmalls, an der tatsächlichen Kaufkraft vorbei geplant aber trotzdem gebaut, gehen inzwischen längst pleite und dämliche Rathauspolitiker haben dafür zuvor sogar noch die Bürgschaften übernommen.

      Am Ende bleibt nur das tote Herz der Städte...

  • der umbau wird dauern ...

    ein jahrzehnt.

    • @adagiobarber:

      ...eher ein viertel Jahrhundert

  • Viel Text, wenig Idee. Mit Corona hat die Entwicklung wirklich nichts zu tun, da hätte ein Satz gereicht. Die Diagnose ist auch nicht schwer. Die eigentliche Frage, was man wie erreichen will bleibt überwiegend ungestellt, geschweige denn beantwortet. Zunächst einmal stellt sich doch die Frage welche Innenstädte oder Stadtteilzentren man eigentlich möchte. Dann, wie und inwieweit der Staat in Form der Kommunen eingreifen soll. Dass der Markt versagt ist ja klar, man müsste also mal fragen, ob man bestimmte Nutzungen in den Innenstädten subventionieren möchte, ob man vielleicht sogar selber Immobilien aufkaufen sollte, z.B. um Spielplätze oder Rückzugszonen zu unterhalten. Mindestens müsste man über striktere verkehrspolitische Vorgaben reden.

  • Mit Fußgägnerzonen hat man schon den 70ern versucht, das Auswandern der Konsumtempel auf die grüne Wiese verhindern, so wie es in den USA geschehen war. Heutzutage sieht es anders aus, der Internethandel stellt die größte Konkurrenz dar. Auch die Internetschulen, es gibt einen Haufen junger Musiker, die nie eine Musikschule gesehen haben, weil es alles auch im Internet, und zwar kostenlos.

  • RS
    Ria Sauter

    Schön wäre es, wenn denn etwas Gutes daraus entstehen würde.



    Aufgrund meiner langjährigen Lebenserfahrung vermute ich mal, unsere Träume und Vorstellungen werden sich nicht erfüllen.

  • Ja online ist die Zukunft

    Wie immer haben die deutschen das verpennt mit dem ewigen nix ändern immer weiter so ...

    Die Beratung in den Geschäften ist eh meist unterirdisch und man muss sich sowieso vorher selber informieren was das Beste für einen ist, sonst bekommt man nur was aufgequatscht...

    Und da hilft auch nix zb Karstadt mit Steuergeld zu stützen das landet eh nur beim Vorstand und die kleinen auf der Straße früher oder später...

    Billiger Wohnraum in den Innenstädten und dezentrale Lager für Lieferdienste klingt doch gut und ist auch an der Zeit

  • Mal ehrlich. Auf die derzeitige Komposition aus sauteuren Schuh-, Handtaschen- und Modeläden könnte ich auch verzichten.

    • @Bunte Kuh:

      Und was die - oft für ein Schweinegeld erbauten - neuen Konsumtempel angeht. Bis jetzt ging mir es immer so: Man latscht einnmal durch, um sich das Ding anzuschauen, überlegt dann, was das ganze eigentlich soll und geht aus Desinteresse nie wieder hin.

  • "Fußgängerzone" in der gemeinhin bekannten Bedeutung sind die Konsumschläuche der Großstädte mit den überall immergleichen Filialkettenläden und Großkaufhäusern, ergänzt durch Systemgastronomie und flankiert von Parkhäusern und Tiefgaragen.

    Fußgängerzone ist aber auch der dem sonst alles beherrschenden Autoverkehr abgetrotzte Innenstadtbereich mit kleinen individuellen Läden, netten Cafés und Restaurants, grünen Oasen mit kleinen Sitzecken und Spielplätzen.

    Leider begannen vor allem letztere bereits mit dem Siegeszug des Neoliberalismus zu sterben, Corona gab ihnen dann den Rest. Da gibt es nichts zu feiern oder zu beschönigen. Auch die großen Fußgängerzonen starben schon lange vor Corona durch zentrale Shopping-Malls.

    Wenn eines Tages das alles unter dem einhelligen Jubel von links-alternativ bis kleinbürgerlich-konservativ mit Wohnraum zubehaut sein wird, kommt die Erkenntnis, dass es nicht der Bringer ist, in der Wohnhaftanstalt zu hocken und mit der menschlichen Umwelt nur über den Amazon-Paketboten und den Food-Lieferservice zu kommunizieren, auch wenn diese mit Elektroauto bzw. Lastenfahrrad kommen.

  • Ich bin seit Jahren nicht mehr in der Fußgängerzone meiner Wohnstadt gewesen, weil das da total langweilig ist. Shopping, shopping, shopping, langweiliges shopping. Gähn.

  • Gute Idee, gefällt mir.

    • @Franz Koch:

      Ja, Fussgängerzonen sind abends gespenstisch und meist richtig hässlich, weil künstlich designt und nicht lebendig gewachsen.



      Beton und Stahl - charmefreie Fassaden.

      Viel zu wenig Grün, im Sommer zu heiss und trocken, wenn Wasserläufe vorhanden sind dann wurde die überbaut, um Geh- und Fahrflächen zu schaffen...was für eine Verschwendung von Potential.

      Selbst die Brunnen, wenn vorhanden, sind meist charakterlos.

    • @Franz Koch:

      Ja gefällt mir auch - und bitte keine Shopping Center und oben drüber Wohnraum. Die Stadt muss wieder interessant werden, bunt vielfältig, blumig, mit Bäumen, die noch richtig Laub haben im Herbst... ein Jahrmarkt, ein Treffpunkt mit vielen kleinen Ideen-Hotspots. Es gibt Ideen, in Paris, Galerien für junge Künstler, Toolwood inthecity, Ladenlokale von der Stadt gemietet zu günstigen oder gesponserten Mieten für kulturelle Ideen, Startups, Erfinderläfen, Freiwilligentreffs, Selbstverwaltungsprojekte, Initiativen, Gemeinschaftscafe, Bürgerbüros... es gibt so viele Möglichkeiten.... wohl an denn.

  • Ich hätte wirklich erwartet, dass der Autor sich Mühe gäbe und alternative Nutzungskonzepte vorzustellen.

    • @Brokopondo:

      Da sind Sie aber etwas zu optimistisch. Heutzutge genügt es, Dinge zu kritisieren, ohne(!) Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder dem irgendetwas nicht gefällt auch noch sagen würde, wie es anders/besser zu machen ginge? Hey, dann müßten die Leute ja über ihren Tellerand hinausschauen, neben Zeit auch etwas von dem rudimentär vorhandenem Gehirnschmalz investieren und konstruktiv kreativ werden.

      • @Pia Mansfeld:

        Sehr treffender K! Fast schon allgmgültig... Woran liegt's wohl?



        Den "Betroffenen" geht's zu gut? Nur wer (ausreichend)leidet bewegt sich o andere?



        Mal sehen, was aus den Fuzo gemacht wird, von denen, die was bewegen wollen...

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Leider haben fast alle deutschen Händler das Thema Online Shopping komplett verpennt, weshalb Amazon sich das alles geschnappt hat.

    Wäre das nicht so gelaufen, müssten jetzt nicht alle so jammern weil sich immer mehr Richtung Online verlagert.

    Ich freue mich auf jedem Fall sehr auf den Zeitpunkt an dem wir Shopping Center mit günstigem Wohnraum überbauen. :-)

    • @06792 (Profil gelöscht):

      "Leider haben fast alle deutschen Händler das Thema Online Shopping komplett verpennt, weshalb Amazon sich das alles geschnappt hat."



      Da unterschätzen sie aber den Einfluss von Netzwerkeffekten auf das digitale Marktgeschehen massiv. Selbst wenn der überwiegende Teil der Ladenbetreiber schon während der DotCom-Welle vor 20 Jahren Online-Shops eröffent hätten, würde die heutige Situation sehr deutlicher Konzentration bei sehr wenigen Beinahe-Monopolisten mehr oder weniger genauso aussehen.

      • @Ingo Bernable:

        In Deutschland haben sie das Internet nicht als das begriffen, was es geworden ist. Kleines Beispiel aus dem Nachbarland: in NL heisst der grösste Onlinehändler bol.com, abgekürzt für B-ertelsmann O-nL-ine, ja, ein ehemals deutscher Betrieb, der es in Deutschland selbst vorgezogen hat, das Feld kampflos Amazon zu überlassen, und in NL schon lange nicht mehr Bertelsmann gehört. Langsam schlägt Amazon auch in den Niederlanden zurück, aber noch ist Bol der Platzhirsch. Vertane Chance. Auch Ebay hat sich die Markthoheit erst erkaufen müssen durch die Übernahme von marktplaats.nl. Das holländische Ebay selbst ist Kinderkram dagegen.



        Nein, ich denke, die Feststellung, dass man in Deutschland den Trend verpennt hat, ist zutreffend.