Die Sinnhaftigkeit von Ironie: Ist Harald Schmidt an allem schuld?
Ironie kann ein privates Leben positiv bewegen, aber keine Gesellschaft.
H arald Schmidt war mein Gott, Ironie war mein Lebensstil. Nach dem Ende der großen Religionen (Christentum, Sozialismus) wäre sonst um den Beginn des 21. Jahrhunderts herum nur noch Fußball geblieben, und das war selbst mir zu popelig. Außerdem war der ironische Widerstand ziemlich komfortabel.
Ein weiteres Incentive mag gewesen sein, dass um mich herum Classic-Linke total humorlos gegen unsere Ironie kämpften, die sie – völlig zu Recht – für affirmativ gegenüber den bundesrepublikanischen „Verhältnissen“ (Freiheit und Wohlstand) erklärten.
Letzteres war ein eindeutiges Indiz, dass wir Ironiker richtiglagen. Allerdings kein Beweis, denn das ironische und selbstironische Sprechen und Lachen meint ja den dauerhaften Zweifel und die ständige Suche, sein Denken zu erweitern.
Was Classic-Linke nicht brauchen, schließlich sie sind im Besitz der ganzen Wahrheit. Deshalb fürchten sie das Lachen, wie der etwas verbissene Klosterbibliothekar Jorge von Burgos in „Der Name der Rose“. Weil lachen antiautoritär ist, weil es zumindest für einen kurzen Moment Angstfreiheit schenkt und Autonomie gegenüber dem Dogma der einen Wahrheit.
Was bringt Ironie?
Jedenfalls taucht unter den veränderten politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen im Westen in diesen Tagen wieder die Frage auf, ob der große Nürtinger Ironiker Schmidt nicht doch der falsche Held war und was Ironie bringt, wenn es ernst wird. Der in Kalifornien lebende Schriftsteller Jonathan Franzen hat sich gerade in einem Gespräch mit dem Stern gegen Ironie als Mittel zur gesellschaftlichen Aufklärung und Veränderung ausgesprochen. Er dachte das mal und sagt heute: „Das war eine dumme Idee.“ Ich fragte ihn, warum.
Franzen sieht den großen Nutzen, den Ironie für manch Einzelnen hat, um mit der Welt klarzukommen, und für Mitglieder einer kleinen Gemeinschaft, um sich gegen eine lieblose Welt zu verteidigen. Gleichzeitig attestiert er Ironie eine „soziale Nutzlosigkeit“. Mit ihr erreiche man letztlich nur die, die es eh schon wissen.
Vielleicht kann man das am besten mit Joseph Ratzinger belegen. Bei seiner Wahl zum Pontifex maximus titelte Bild: „Wir sind Papst“. Wir, die taz, titelten: „Oh, mein Gott“. Das eine war lustig-affirmativ und populistisch, das andere ironisch-kritisch und subtil. Unser Titel war tausendmal brillanter, aber der von Kai Diekmann verantwortete Spruch war ungleich erfolgreicher, erreichte Millionen und ging ins kollektive Gedächtnis ein.
Die Schriftstellerin Jagoda Marinić schreibt in der kommenden Ausgabe von taz Futurzwei: „Manchmal denke ich, das Land wird sich von Harald Schmidt nie mehr erholen.“ Sie reduziert zumindest seine Ironie darauf, einfach alles andere von oben herab abzuwerten, sich selbst aber nicht zu bewegen.
So ein Alle-schlimm-außer-ich-Höhnen wäre wirklich nicht hilfreich, gleiches gilt für eine ausschließlich distanzierende und selbstverliebte Verwendung von hochmoralischem Sprechen. Ich weiß nicht, ob Marinić damit Schmidts Wirken zu hoch oder zu negativ einschätzt; dem Glücks- und Aufklärungspotenzial gelingender Ironie für einen Menschen, gerade in ernsten Zeiten, wird sie damit jedenfalls nicht gerecht.
Grundsätzlich denke ich aber (im Moment), dass Jonathan Franzen richtigliegt. Ironie kann ein privates Leben positiv bewegen, aber keine Gesellschaft. Mehr noch: Je tiefer, subtiler und im Sinne Richard Rortys utopischer die Ironie, desto weniger Leute erreicht sie. Nach außen gilt daher: Klartext.
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