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Deutsche Nahost-PolitikDer Völkerrechtsbruch Israels muss klar benannt werden

Gastkommentar von René Wildangel

Merz' „Drecksarbeit“-Aussage beschädigt nicht nur die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik – sie offenbart auch seinen naiven Blick auf Israel.

Opfer der israelischen „Drecksarbeit“: Ein zerstörtes Wohnhaus in Teheran am 13. Juni Foto: Majid Saeedi/getty images

D ass sich Bundeskanzler Merz bei Israel bedankt hat, die „Drecksarbeit für uns alle“ zu machen, ist ein vorläufiger Tiefpunkt bei der Kommentierung des israelischen Angriffs auf den Iran. Die Einschätzung des israelischen Vorgehens in der Region ist bestenfalls naiv und beschädigt erneut die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik.

Merz drückte seinen „Respekt“ aus, dass „die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“ Es gilt sich noch mal zu vergegenwärtigen, wem Merz hier im Sinne der umstrittenen Staatsräson Respekt zollt: einer israe­lischen Regierung, die in Teilen aus Mitgliedern mit extremistischer und ul­tra­na­tio­na­lis­tischer Gesinnung besteht und sich massiver Kriegsverbrechen in Gaza schuldig gemacht hat.

Von den kritischen Tönen, die kürzlich angesichts der unerträglichen Lage im Gazastreifen zu hören waren, ist nichts mehr übrig. Statt Applaus zu spenden, wäre es die Verantwortung deutscher Politik, den nach überwiegender Lesart festgestellten Völkerrechtsbruch eindeutig zu benennen. Der Sprecher des Auswärtigen Amts behauptete, der Bundesregierung lägen „nicht genug Informationen“ vor. Das ist eine Farce, die erneut deutsche Glaubwürdigkeit und politische Handlungsfähigkeit zu beschädigen droht.

René Wildangel

ist promovierter Historiker und freier Journalist. Er arbeitet und publiziert unter anderem zum Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten.

Es ist eigentlich Konsens, dass ein militärischer Umsturzversuch unkalkulierbare Gefahren birgt und als ekla­tante Verletzung des Völkerrechts das internationale System beschädigt. Nun erwägt Trump einen Eintritt in den Krieg. Vom regelbasierten internationalen System ist in seiner zweiten Amtszeit kaum noch etwas übrig. Wenn künftig das Recht des Stärkeren gelten soll, sind auch die Argumente gegenüber Russland und andere Aggressoren dahin.

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Spät, aber möglicherweise noch nicht zu spät kommt der Ansatz von Außenminister Wadephul einer gemeinsamen diplomatischen Initiative mit Frankreich und Großbritannien. Hätte Europa früher entschlossen gehandelt, hätte es die gegenwärtige Misere möglicherweise verhindern können.

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52 Kommentare

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  • Nun ist der Völkerrechtsbruch mal wieder klar benannt aber es interessiert niemanden in den politischen Führungen.



    Ob Merz dieses oder jenes Wort benutzt ist mir egal. Mir scheint es aber kein Zufall das dies nach einem Trumptreffen kam.



    Wieder kriecht Europa dem König der USA in seinen Allerwertestens.

    Die neuzeitlichen Politiker sind wohl immer nur auf Machterhalt aus. Persönliche Überzeugungen sind nicht vorhanden oder werden verdrängt. Welche Konsequenzen es für Parteien hat seine Fahne stehts in den Wind zu hängen hat die FDP mehrmals eindrucksvoll mit ihren Wahlergebnissen gezeigt. Die nächsten Parteien machen sich auf den Weg in den Untergang.

  • Manchmal glaube ich, nicht nur Netanjahu gehört nach Den Haag. Dabei sollten wir alle den internationalen Strafgerichtshof unterstützen.

  • Die Mullah-Diktatur gefährdet Israel, den Nahen Osten und die ganze Welt. Nicht zu vergessen unterdrückt es die Iraner. So Merz hat Recht, es ist Drecksarbeit das Regime zu beseitigen. Von alleine wird es nicht gehen.

  • "Wenn künftig das Recht des Stärkeren gelten soll, sind auch die Argumente gegenüber Russland und andere Aggressoren dahin."

    Ich muss einräumen, ich kann mit dieser Form von Realitätsverweigerung wenig anfangen.

    Das Recht des Stärkeren gilt bereits.

    So lange die USA noch Weltpolizist war, konnte man sagen, sie füllen diese Rolle schlecht aus bzw. missbrauchen sie.

    Aber die internationale Ordnung hatte grundsätzlich Bestand.

    Seitdem die USA die Rolle nicht mehr ausfüllen, gibt es diese Rolle nicht mehr seitdem ein Staat seinen Nachbarn überfallen hat, um ihm offen zu angestiegen, und das internationale Echo eher Verständnis zeigte, muss man sich keine Gedanken mehr machen, ob KÜNFTIG das Recht des Stärkeren gelten würde.

    Auch Israel hat nach dem Hamasüberfall gelernt, dass es sich auf die UN nicht verlassen kann und nur das Recht des Stärkeren zählt.

    So agiert es gerade.

    Nein, die Welt ist gerade nicht lebenswerter geworden.

    Über die Idee, das schwache Europa hätte irgendeine Misere verhindern können, kann ich nur den Kopf schütteln.

    Klingt für mich in diesem Zusammenhang - zugespitzt formuliert - wie nationalistisches Sendungsbewusstsein ohne Realitätsbezug.

    • @rero:

      "Auch Israel hat nach dem Hamasüberfall gelernt, dass es sich auf die UN nicht verlassen kann und nur das Recht des Stärkeren zählt."



      Israel hat sich schon seit jeher darauf verlassen, dass die USA Initiativen gegen seine unrechtmässige Politik im UNO-Sicherheitsrat blockieren und sich auch sonst einen Dreck um internationales Recht geschert.

    • @rero:

      Ja, leider ist das sehr zutreffend. Die Ignoranz gegenüber der UN ist erschreckend. Europa (vdL -hahaha) und gerade auch Deutschland sollte sehr viel mehr dafür arbeiten, dass die UN deutlich wichtiger werden - gegen den Trend. Jede Respektlosigkeit gegen die Weltgemeinschaft muss klar und deutlich benannt oder mitunter gar sanktioniert werden. Auch wenn es Israel oder die USA betrifft.

  • Einfach unsäglich, dieses Wort von der Drecksarbeit, das spricht allem Hohn, was Deutschland sich an internationalen Recht unterworfen hat. Nach 80 Jahren penibelster Völkerrechts-Rhetorik kotzen wir es jetzt auch mal von höchster Stelle wieder so richtig raus ?! Hoffen wir etwa, dass die Welt schon vergessen hat, wozu unser Land da außer starken Sprüchen noch so allem in der Lage ist ?

    Das Krasseste ist dabei ja, dass der Iran sich ja bereits in einem internationalen Vertrag zum Verzicht auf atomare Bewaffnung verpflichtet hatte, das the real Donald dieses Abkommen aber als eine der ersten Handlungen seiner ersten Amtszeit aufgekündigt hat - einfach ein toller Typ, in seiner ersten Amtszeit hat er Kriege ja noch vermieden, har er da Nachholbedarf ?

  • Ist hier nicht eher der naive Blick auf den Iran das Problem ?



    45 Jahre Mullah Regime sind gleichbedeutend mit 45 Jahren Aufbau und Unterstützung von Terror und Terrororganisationen ( Hamas, Hisbollah, Huthi ), hauptsächlich um Israel anzugreifen aber auch für Terrorakte Weltweit. Unter den Mullahs hat sich der Islam um Jahrhunderte zurückentwickelt, nicht nur im Iran sondern Weltweit. Menschenrechte gibt es nicht im Iran, dafür massenhaft Hinrichtungen gegen alle Personengruppen. Wenn jetzt der Angriff Israels da zu führt dieses Terrorregime zu vernichten hilft es allen Demokratischen Kräften im Iran und weit darüber hinaus.

    • @Günter Witte:

      Mit der gleichen Begründung könnte man auch einen Blitzkrieg gegen Rußland starten. Oder gegen Saudi-Arabien, Afghanistan, Tunesien, Armenien, Gambia, Sri Lanka, Madagaskar, Myanmar, Fidschi, Kirgisistan, Ecuador und Niger, Ungarn, die Türkei, Polen, Serbien, Brasilien, Bangladesch, Mal ...

  • D ass sich Bundeskanzler Merz bei Israel bedankt hat, die „Drecksarbeit für uns alle“ zu machen, ist ein vorläufiger Tiefpunkt bei der Kommentierung des israelischen Angriffs auf den Iran.



    ----



    Unser "Sauerland Fritz" kann es nicht! DAS war schon "vor seiner Wahl" bekannt!



    Ihn ist nicht das "Maß" in Verhältniss zu Israel "abhanden hǵekommen", sondern "Er hat außenpolitisch noch nie eins gehabt"! :-(



    Woher auch, siehe seine Vita!



    Btw. Er, s.o. misst nicht mit zweierlei Maß, das könnten wir ja noch verstehen, Ihm fehlen wohl die Grundlagen, solche Fragen überhaupt zu verstehen!



    Ps. Bedauerlich, aber da müssen wir wohl durch! :-(

  • Ein treffender Kommentar!



    Merz Einlassung zur "Drecksarbeit" zeugt, wie auch der Leitspruch von der "Deutschen Staaträson", von einer bewussten Flucht vor den Lehren der deutschen Geschichte. Diese möchte man verdrängen, sich hinter Floskeln verstecken und von den Konsequenzen freikaufen. So ist der Usus in der Bundesrepublik seit Adenauer!



    Auch auf Wadephul sollte man nicht zu sehr vertrauen. Ihn hat sein törichter Chef aufs Glatteis geführt. Da steht er nun, mit ausgestreckten Armen balancierend, laviert er nun und ringt nach Worten. Derweil Trump im Weißen Haus über den Einsatz der Atombombe sinniert.

    • @NormalNull:

      Eine der Lehren aus der deutschen Geschichte über die in diesem Kontext niemand reden will, ist das der Kampf bis zum „Endsieg“ (wie die Hamas und Iran ihn propagieren) nur absolute Zerstörung bringen kann. Und bedingungslose Kapitulation, Akzeptieren der eigenen Verluste (inkl. ggf. Gebieten) und Lösung von Vernichtungsideologien den Weg in die Staatengemeinschaft und ein friedliches Zusammenleben ebnen kann.



      Ich hatte gehofft, dass mehr politische Führungen lernen, dass eine späte Kapitulation nichts bringt, außer den unnötigen Tod von mehr und mehr Menschen.

    • @NormalNull:

      Sehen Sie, so unterschiedlich können Perspektiven sein.

      Aus meiner ist der Verweis auf die regelbasierte internationale Ordnung entsprechende Handlungsbereitschaft Realitätsflucht und leere Floskeln.

      In einer Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt, passt die deutsche Staatsräson als Lehre aus der Geschichte recht gut rein.

      Weil Solidarität in so einer Welt wichtiger ist als das Verkünden moralischer Attitüden.

      Das heißt nicht, dass ich das Agieren der israelischen Regierung gut finden oder das Recht des Stärkeren irgendwie positiv betrachten würde.

  • Iran führt schon seit Jahren durch seine vollständig kontrollierten und finanzierten Proxies von Hisbollah bis Hamas völkerrechtswidrige Angriffe gegen Israel aus. Man muss schon sehr viel ausblenden um aus den jüngsten Vorgängen einen unprovozierten Angriff Israels zu konstruieren -- was den üblichen Verdächtigen natürlich problemlos gelingt.

  • Eine völkerrechtsbasierte Ordnung hatten wir im Grunde nie. Es war von Anfang an nicht so, dass alle vor dem Gesetz gleich waren- schon das System der Vetomächte zeigt das. Das Recht des Stärkeren, der Mächtigen galt seit jeher- man hatte nur die gute Intention daran etwas zu ändern, indem man die UN und internationale Gesetze geschaffen hat. Aber das Ganze war von Anfang an eine Illusion, da mit dem Veto und der Festsetzung von 5 permanenten Mitgliedern auch nur deren Interessen vertreten werden und Völkerrecht nur dann, wenn es nicht gegen sie selber oder einen Alliierten Staat bzw. die eigenen wirtschaftlichen/ geopolitischen Interessen geht. Deswegen benutzt man ja auch gern die Formulierung "regelbasierte Ordnung" was da schon schwammiger ist und in der Praxis nichts anderes heißt als: man legt sich die Regeln so zurecht wie es den eigenen Interessen dient. Doppelte Standards und Doppelmoral nein niemals... laut allen Politikern,



    Und klar würd ich mir wünschen, das man Rechtsbrüche, wie man es auch bei anderen Konflikten tut, benennt, viel mehr würde ich mir aber endlich Konsequenzen wünschen, eine Änderung der Politik und endlich konsequente Umsetzung v. Völkerrecht für alle.

    • @Momo Bar:

      Dass wir einmal einer Meinung sind... Das Völkerrecht hat die Ukraine nicht geschützt – weder vor der Annexion der Krim noch vor dem Angriff Russlands 2022. Es konnte Israel nicht vor dem Überfall der Hamas am 7. Oktober bewahren. Auch Syrien setzte unter Assad mehrfach Giftgas gegen die eigene Bevölkerung ein – ohne ernsthafte völkerrechtliche Konsequenzen. Die Türkei marschierte wiederholt in Nordsyrien ein, völkerrechtlich höchst umstritten. Und der US-geführte Irakkrieg 2003 gilt bis heute als klarer Bruch des Völkerrechts. All diese Beispiele zeigen: Das Völkerrecht kennt hehre Prinzipien, doch es bleibt oft folgenlos. Es schützt nicht.

  • Eine Atomwaffe in den Händen des Regimes in Teheran, dessen Vertreter immer wieder angekündigt haben, Israel vernichten zu wollen, gilt dort als die ultimative Bedrohung.



    Das darf man vor diesem Hintergrund nicht vergessen!

  • Finde derlei Kommentare hilfreich um das Gedankengut sofort herleiten zu können:



    Israel plant also militärischen Umsturzversuch (und Atombombenentwicklung geht's gar nicht!), sowie bei uns um "umstrittene (??) Staatsräson" gepaart mit Naivität .... und die Unterstützung des Irans von Terroristen ist natürlich total clean und muss hier gar nicht thematisiert werden als möglicher Beweggrund.



    Kurzum: Schwacher Kommentar! Die großen Linien sind erkennbar im nahen Osten und ich wünsche mir, dass sich da endlich was ändert.



    Der schwierigste Teil kommt aber noch: Krieg beenden, Aufbau, Befriedung. Da werden dann jegliche Abwägungen und Kritikansätze hoch geschätzt.

  • Netanyahu will übrigens wohl, dass die _USA die Drecksarbeit für _ihn persönlich macht. Die zieht er in den Konflikt mit allen Lobby- etc. Tricks.



    Auch Europa muss das alles mit ausbaden, nur dass Netanyahu länger regiert und nicht abgeurteilt wird.

    • @Janix:

      Europa badet das ganze schon aus. Konkretes Beispiel das Europa betrifft. Iran liefert Drohnen die ukrainische Zivilisten töten. Diese werden lizenziert gerade in Russland nachgebaut und stellen somit auch eine direkte Bedrohung für den Rest Europas da wenn einem das Schicksal der Ukrainer nicht wichtig genug erscheint.

  • Es tut mir leid wenn die taz jetzt bereits in mehreren Artikeln zum Angriff Israels auf Irans Atom- und Militäranlagen nichts anderes einfällt als eine Verletzung des Völkerrechts. Extrem einseitig.

    Will Israel warten bis ihnen die Bombe auf den Kopf fällt? Und den Palästinensern gleich mit?

    Wirtschaftswoche: "Die (Teheraner) Theokraten wollen Israel vernichten – und sie werden es tun, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu verschafft. Die Vertreibung und Tötung der Juden ist kein Wunschprojekt der Gotteskrieger, sondern ihr politreligiöses Leitrational, ihr „heiliger“ Auftrag. Israel weiß das. Und handelt, bevor es zu spät ist. . . . .

    Die Bedrohung Israels durch Iran sei zu abstrakt als dass die Militärschläge mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien, argumentieren Rechtsexperten. Zu abstrakt? Die Gewaltherrscher in Iran bauen seit 20 Jahren an der Bombe und sind mit Hilfe Chinas und Russlands schon viel zu weit damit vorangekommen: Nicht auszumalen, was man sich unter einer weniger abstrakten Bedrohung vorzustellen hätte."

    www.wiwo.de/politi...den/100135014.html

  • Bitter aber es ist die Warheit.



    Der tauben 🥜 - & Däh - begegnet ihm wieder mal sein schwerster Gegner: sein loser Mund.

    kurz - losgerissene Kanone - kann‘s Wasser nicht halten •

  • Immer öfter beschleicht mich das Gefühl beim Lesen es statt mit der taz mit dem Heidelberg Journal of International Law zu tun zu haben.

    Ob "Völkerrechtliche Zeitenwende" oder wie hier "den nach überwiegender Lesart festgestellten Völkerrechtsbruch".

    Das Gewaltverbot zwischen Staaten ist ius cogens (zwingendes Recht) und in Art. 2 der UN Charta geregelt. Jeder Angriff auf einen anderen Staat ist somit ein Verstoß gegen das Völkerrecht, es sei denn er wurde vom UN Sicherheitsrat bewilligt oder gar angeordnet.

    Unter rechtlichen Gesichtspunkten gibt es auch keine Zeitenwende. Von Mai Lai bis Abu Grahib gab es zahllose Ereignisse die völkerrechtlich nicht geandet wurden, meist aufgrund der Beschlussunfähigkeit der UN.

    Es wäre daher wünschenswert, wenn auch hierzulande nicht nur in gefühlt jedem zweiten Artikel zum Thema Nahost auf ein Bruch des Völkerrechts hingewiesen würde sondern dabei auch einmal mitbedacht wird, das Recht nur auf dem Papier besteht, wenn es nicht konsequent durchgesetzt wird. Darin liegt die Verantwortung der Weltgemeinschaft und nicht nur auf Verstöße hinzuweisen sondern sie gerichtlich zu ahnden und politisch zu sanktionieren.

    • @Sam Spade:

      Ich stimme Ihrem Kommentar zu. Für mich klingt das immer sehr utopisch.



      Das Völkerrecht mag klare Regeln kennen wie das Gewaltverbot in Art. 2 UN-Charta, aber seine Durchsetzung bleibt aus bzw. schwach und selektiv. Die Ukraine wurde trotz eindeutigem Angriff nicht geschützt, ebenso wenig Israel am 7. Oktober. Der Verweis auf „völkerrechtliche Zeitenwenden“ klingt oft mehr nach intellektuellem Feigenblatt als nach ernsthaftem Willen zur Durchsetzung. Ohne etnsthafte Konsequenz bleibt das Recht auf dem Papier. Es reicht nicht, Verstöße zu benennen, sie müssen auch geahndet werden. Solange das nicht geschieht, bleibt das Völkerrecht ein moralischer Appell, kein wirksames Schutzinstrument.

    • @Sam Spade:

      All Ihre Ausführungen zum Völkerrecht sind in meinen Augen richtig und beschreiben treffend das grundsätzliche Problem mangelnder Durchsetzbarkeit.



      Ihre wiederholt scharfe Kritik an der Benennung von Völkerrechtsbrüchen - insbesondere, wie hier, durch Journalisten - erschließt sich mir dennoch nicht.



      Natürlich folgt aus der Benennung nicht automatisch oder gar zwangsweise die wünschenswerte Verfolgung von Völkerrechtsbrüchen.



      Aus der Nichtbenennung folgt aber mit Sicherheit die Abwertung völkerrechtlicher Prinzipien, und zwar genau weil dieses Rechtssystem so sehr auf der Freiwilligkeit von Staaten, sich mindestens zu diesen Prinzipien zu bekennen, beruht.



      Angesichts eines de facto funktionsunfähigen Sicherheitsrates und aufstrebender ehemaliger "Entwicklungsländer", die das Völkerrecht mitunter als westliches Relikt betrachten, will ich die Reichweite Deutschlands in diesem Zusammenhang gar nicht künstlich erhöhen. Seinen Teil zur Erosion der "regelbasierten Ordnung" trägt aber auch ein Friedrich Merz bei.

    • @Sam Spade:

      Seit 1979 äußert jeder Präsident des Iran, dass Israel zerstört werden soll, bauen Hunderte von Rateken und sind auf dem Weg zu Atomwaffen. Die Wirtschaft des Iran ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Über Proxies finanziert der Iran seit vielen, vielen Jahren Kämpfer gegen Israel. Auch das ist gegen das Gewaltverbot gerichtet. Man fragt sich, was Iran überhaupt in der UNO macht, die dem Weltfrieden dienen soll.



      Solange die Weltgemeinschaft generell über keine effektiven Wege hat, Iran (und ähnliche) in die Schranken zu weisen, kann man den von diesen bedrohten Staaten nicht zumuten, solange abzuwarten, bis der Iran sich in der Lage sieht, seinen Vernichtungsschlag auszuführen.

    • @Sam Spade:

      Bis die UN in die Gänge kommt ist from the river to the sea längst alles tot. Der Iran fragt nicht nach dem Völkerrecht und "Kollateralschäden".

      Kein Mitleid. Keine Gnade. Dafür Ideologie und Religion.

      Institute for Science and International Security:



      "1. Iran can convert its current stock of 60 percent enriched uranium into 233 kg of WGU in three weeks at the Fordow Fuel Enrichment Plant (FFEP), enough for 9 nuclear weapons, taken as 25 kg of weapon-grade uranium (WGU) per weapon.

      2. Iran could produce its first quantity of 25 kg of WGU in Fordow in as little as two to three days.

      3. Breaking out in both Fordow and the Natanz Fuel Enrichment Plant (FEP), the two facilities together could produce enough WGU for 11 nuclear weapons in the first month, enough for 15 nuclear weapons by the end of the second month, 19 by the end of the third month, 21 by the end of the fourth month, and 22 by the end of the fifth month.

      Plus einer ganzen Reihe weiterer sehr ausführlicher Analysen, das volle Programm.

      Israel ist längst zu spät dran.

      isis-online.org/is...ng-report-may-2025

  • Danke, vielen Dank! Richtig wohltuend bei dem sonstigen Kriegsgeheul. Verbrechen bleiben Verbrechen, auch dann wenn es von Israelis begannen wird.

  • Gerade, als man dachte, dass Friedrich Merz doch einige außenpolitische Statur hätte ....

    In aller Fairness muss man hinzufügen: Die Formulierung "Drecksarbeit" stammte von der Fragestellerin, der Kanzler nahm sie nur auf.

    Seis drum, es wäre geboten gewesen, hier in diplomatischer Zurückhaltung zu formulieren, dass der Iran natürlich keine Atomwaffen besitzen, dies aber auf dem Verhandlungswege erreicht werden solle, usw.

    Aber so ist er nun mal, unser Friedrich.

    Die "regelbasierte Ordnung" liegt schon länger in Trümmern, nicht nur wegen westlicher Verstöße. Offensichtlich braucht das Völkerrecht ein entschiedenes Update, aber es gibt zu viele Mächtige, die von der gegenwärtigen Anarchie profitieren.

    Und dass etwas erreicht worden wäre, "hätte Europa früher entschlossen gehandelt", wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln.

    Zu verfahren ist die Situation im Nahen Osten und zu zahnlos Europa - letzteres hat sich rumgesprochen, fürchte ich.

    • @Stavros:

      "Mächtige, die von der gegenwärtigen Anarchie profitieren."

      Wo gibt es denn hier Anarchie? Oder meinten Sie Anomie?



      de.wikipedia.org/wiki/Anomie

      • @Eric Manneschmidt:

        Ja, Sie haben Recht. "Anomie" ist viel treffender, danke.

        Man sollte auch "Anarchie" als soziale Utopie nicht verunglimpfen!

  • Danke für diesen Kommentar, denn taz-Redakteur Augustin pries zuletzt in der taz die erfrischende Ehrlichkeit, die Merz mit mit seiner Bemerkung zur Drecksarbeit, die Israel in Bezug auf den Iran leiste, auslöste.



    Ob Völkerechtsbruch durch Israel oder nicht, der Politik in der BRD scheint nicht klar zu sein, dass Israel versucht, die USA in diesen Krieg hineinzuziehen. Der Nahe Osten könnte explodieren, der Ölpreis ebenso, was Bodentruppen der USA im Iran zur Folge haben könnte.



    Schnell als gedacht könnte es dazu kommen, dass die BRD Israel und den USA bei seiner "Drecksarbeit (Merz)" im Iran zur Hilfe eilen muss.

    • @Lindenberg:

      Was meinen Sie mit Zur-Hilfe-eilen-müssen"?

      Das Letzte, was die Israelis sich wünschen, wird eine Unterstützung der Bundeswehr in Kampfeinsätzen sein.

      Manchmal ist einer weniger einer mehr.

      Aber vermutlich dachten Sie daran auch nicht.

  • Er, der das Wort "Dreckarbeit" in diesem Zusammenhang benutzt, ist ein wirklich armseliger Wicht.



    Es zeugt von einer aller moralischen Bedenken befreiten Politik, und, in diesem Fall, die Bestätigung dafür: der Merz ist unfähig.



    Ich habe etwas gegen den Terror* der israelischen Luftwaffe.



    Ob im Libanon, Syrien oder Iran.



    Was erlauben sich Nethanyahu?



    *und gegen jeden Terrror - ist aber hier nicht das Thema.

    • @LeKikerikrit:

      Sie meinen radikal-islamistischen Terror der Hamas und der Hisbollah, den der Iran geschürt hat... es ist und bleibt Terror, auch wenn man ihn als Freiheitskampf verkleidet...



      seltsam schlichter und einseitiger Kommentar... puh!

    • @LeKikerikrit:

      Das Wort "Drecksarbeit" kam von der Interviewerin.



      Terror wäre es, wäre sie primär auf die iranische Zivilbevölkerung gerichtet.

    • @LeKikerikrit:

      Nur ist das, was die israelische Luftwaffe da betreibt kein Terror, sondern Krieg.

  • Ach, die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik ist stabil am Boden, der kann keiner was.

  • Merz hat Recht, wenn er sich für die "Drecksarbeit" bedankt. Iran wollte, ohne dies zu verbergen, nach Erlangung der Atomwaffe Israel auslöschen. Wenn dies verhindert wird, dann ist es für die ganze Welt gut.

    • @Puky:

      Ein Tipp: die Interessen einiger westlicher Staaten sind nicht identisch mit denen der ganzen Welt...

      • @O.F.:

        Aber mit denen von erstaunlich vielen arabischen Staaten.

      • @O.F.:

        Es gibt keine Interessen der „ganzen Welt“. Und wenn es Ecken auf dieser Welt gibt, wo der Terrorismus quasi zur Staatsräson gehört, so sind diese sicherlich gegen die Bekämpfung derselben. Die Drecksarbeit kann dann auch als friedenssichernde Maßnahme bezeichnet werden.

        • @Puky:

          Oben haben Sie noch von der ganzen Welt gesprochen, jetzt auf einmal nicht mehr, Ihnen fällt der Widerspruch selbst auf. Dern Überfall auf Iran als „friedenssichernde Maßnahme“ zu bezeichnen, ist nicht nur unsäglich menschenverachtend, sondern auch sachlich falsch: denn nicht nur steht der NO vor dem nächsten großen Krieg, sondern die israelische Regierung ist selbst auch (!) treibende Kraft hinter der Eskalation – durch ihre Besatzungspolitik, durch die genozidale Gewalt in Gaza und nicht zuletzt durch Expansions- und Hegemonieansprüche, die nicht nur Iran betreffen: mittlerweile werden Drohungen gegen die Türkei und Pakistan (!) laut. Friedensstiftend ist das auch nicht.

  • Es gibt keinen völkerrechtskonformen Angriff, Krieg ist immer gegen die Menschlichkeit.

  • "Hätte Europa früher entschlossen gehandelt, hätte es die gegenwärtige Misere möglicherweise verhindern können."

    Alle Experten sind sich einig, dass der Iran auf der Zielgeraden war Atomwaffen herzustellen.

    Ali Khamenei sprach wiederholt davon, Israel sei ein „Krebsgeschwür“, das „ausradiert“ werden müsse.

    Im Jahr 2015 veröffentlichte Khamenei ein offizielles Strategiepapier mit dem Titel „Palestine“, in dem er die „Zerstörung des zionistischen Regimes“ als Ziel nennt.

    Parolen wie „Tod Israel“ (Marg bar Esrael) sind Teil staatlicher Propaganda und Pflicht bei offiziellen Demonstrationen wie dem „Al-Quds-Tag“.

    Wie dieser Artikel diese "Kleinigkeiten" einfach unterschlägt.

    • @Pawelko:

      Laut Berichten seit 1990 steht der Iran immer kurz davor eine Atomwaffe zu haben:



      Iran hat die Atombombe (Focus 1993)



      "...werden nun die Entwicklung einer Atombombe vorangetrieben..." (Welt 1998)



      "USA sehen Iran noch mindestens ein Jahr von Atombombe entfernt " (Zeit 1998)



      "Binnen eines Jahres könnte Iran laut US-Verteidigungsminister L. Palette eine Atombombe herstellen. " (Handelsblatt 2000)



      "Iran steht offenbar kurz vor dem Bau einer Atombombe. " (Spiegel 2003)



      "Irans Atombombe bedroht auch Deutschland. " (Welt 2004)



      "Iran könnte schon bald Atombombe bauen. " (Spiegel 2006)



      "Iran: Atombombe in 5 Jahren" (Stern 3006)



      "Exklusiv: Der Filmbeweis - Iran baut die Atombombe" (Welt 2007)



      "BND-Informationen: Iran drei Monate vor der Atombombe?" (BZ-Zeitung 2009)

      Auch interessant, was ich bis heute nicht wusste war folgendes: Die Atombombe steht (zumindest noch und lasst uns hoffen das sich das nicht ändert) im Iran unter "Fatwa".



      D.h. Der Iran darf diese nicht haben.

    • @Pawelko:

      Ich weiss nicht, wen Sie mit "allen Experten" meinen, aber die US-Geheimdienste haben erst im März eine gegenteilige Einschätzung veröffentlicht. Die iranische Rhetorik mag hetzerisch sein (genauso wie die Drohungen gegen Iran), aber keine Legitimation für einen Angriffskrieg - und noch weniger für Kriegsverbrechen wie den Angriff auf Atomanlagen und auf Krankenhäuser, sowie die Ermordung von Wissenschaftlern. Entgegen aller Behauptung geht es hier nicht um "Selbstverteidigung" (spätestens seit der arabischen Friedensinitiative von 2002, die auch vom Iran unterstützt wurde, hatte Israel eine Chance auf eine vollständige regionale Integration), sondern um die Expansions- und Hegemonialbestrebungen einer rechtsextremen Regierung, die gefährliche Dimensionen annehmen: in den letzten Wochen sind auch Drohungen gegen die Türkei und Pakistan laut geworden. Stabilisierend ist das nicht...

      • @O.F.:

        83,7 % Partikel bei FordowTechnisch sehr nahe an Waffenfähigkeit – bedeutender Sicherheitsalarm



        >400 kg 60 %-BestandGroße Menge eines Zwischenmaterials ein „kurzer technischer Schritt“ zu 90 %



        Internationale Sorge IAEA und externe Analysten warnen – Iran kann innerhalb von Tagen Waffenuran erzeugen

        isis-online.org/is...g-report-may-2025/

        www.reuters.com/wo...terial-2025-05-31/

        Tagesschau, DW und Deutschlandfunk berichten übereinstimmend und belegen damit die Faktenlage

        Damit ist klar belegbar, dass der Iran Uran „kurz vor“ 90 % Angereicherung hatte – sowohl in Form einzelner Proben als auch großer Vorräte nahe der Schwelle.

        Und jetzt bitte ihre Quellen, dass der Iran kein Uran angereichert hat.

        Niemand will diesen Krieg. Aber es kann auch niemand einen Iran mit Atomwaffen wollen.

        • @Pawelko:

          "Und jetzt bitte ihre Quellen, dass der Iran kein Uran angereichert hat."

          Merkwürdige Aufforderung. Der Iran reichert völlig offen Uran an. Sogar unter Aufsicht.

        • @Pawelko:

          Dass der Iran technisch zum Bau einer Atombombe in der Lage ist, heißt nicht, dass er eine Atombombe baut – das haben, zum 100. Mal, die US-Geheimdienste erst im März bestritten. Dass niemand diesen Krieg will, ist auch falsch: die rechtsextreme israelische Regierung hat darauf lange hingearbeitet und ihn mit ihrem Überfall kurz vor einer anstehenden Verhandlungsrunde provoziert. Und dabei geht es nicht um die angebliche iranische Atombombe, sondern um regionale Dominanz. Hören Sie doch einmal zu, was israelische Regierungsmitglieder so von sich geben – das sind Rechtsextremisten und die handeln auch so.

      • @O.F.:

        Der Mossad ist anderer Meinung, und es ist völlig normal, dass Israel lieber dem eigenen Geheimdienst glaubt. Selbst die UNO attestiert dem Iran Vertragsbruch bei den Nuklearwaffen.



        Im übrigen spricht alles dafür, hetzerische Rhetorik ernst zu nehmen. Wer derart hetzt und rüstet, will Krieg. Iran finanziert seit Jahrzehnten armeeähnliche Kämpfer gegen Israel und rüstet sie aus.



        Iran hat achtmal so viel Einwohner wie Israel und Bodenschätze ohne Ende. Man kann Israel kaum guten Gewissens raten, einfach mal abzuwarten, bis der Iran eine gute Gelegenheit sieht, sein erklärtes Ziel, Israel zu vernichten, zu erfüllen.