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Dem Rasen den Kampf ansagen„Schafft euren Rasen ab!“

Im Mai sollen wir unsere Rasen nicht mähen. Dazu rufen Naturschutzverbände auf. Unsere Autorin versucht das schon lange.

Foto: Jörn Rynio/plainpicture

Der Aufruf ist simpel und nicht von mir: „Mäht eure Rasen im Mai nicht!“ Wäre er von mir, hieße es: „Schafft eure Rasen ab!“ Denn Rasen sind eure Visitenkarten. Wie der Rasen, so der Mensch. Hinter jedem dieser mit grüner Auslegeware bestückten Gärten versteckt sich folglich ein langweiliges, das wilde Leben hassendes Wesen.

Naturschutzverbände rufen dazu auf, im Mai den Rasen nicht zu mähen. Das fördere Biodiversität und Artenvielfalt, denn dann könnten wilde Blumen wachsen. Wo wilde Blumen blühen, hätten Bienen und andere Bestäuber was zu fressen. Laufkäfer, Spinnen, Heuschrecken, Raupen und Larven, alle profitierten davon, wird argumentiert. Und wo viele Insekten seien, fänden auch Vögel und Wildtiere wie Igel Futter. Etwa 5 Prozent der Fläche Deutschlands sind mit Rasen bedeckt. Geschätzt wird, dass ein Drittel der Rasenfläche auf private Gärten entfällt.

Die mähfreie Mai-Bewegung kommt aus Großbritannien, wo der „No Mow May“ im Jahr 2019 zum ersten Mal ausgerufen wurde. Neben all dem Nutzen für Pflanzen, Insekten und Tiere profitiere dabei auch der Mensch. „Wer nicht mäht, spart Zeit und Energie“, heißt es im National Geographic. Und wo weniger Rasen gemäht wird, da wäre auch weniger Lärm.

Das klingt alles super und so easy. Hör auf zu mähen und allen geht es besser! Aber so einfach ist es nicht. Seit 20 Jahren versuche ich aus dem Rasen in meinem Schrebergarten eine wilde Wiese zu machen. Vergeblich. Unendlich viele Stunden verbringe ich damit, das Wilde zu kultivieren. Wildes kultivieren – klar, das ist ein Widerspruch.

Eine Schrebergartennachbarin hat so gut wie nichts in ihrem Garten außer Rasen. Bei Maulwurfhügeln kriegt sie Schnappatmung. Zuletzt hat sie den alten Rasen abgetragen, ein Drahtgeflecht untergelegt und neuen Rasen darauf ausgesät. Das würde den Maulwürfen bestenfalls die Schnauze polieren, ihren Rasen aber schonen. Auf der Visitenkarte ihres Freundes steht: Polier. Die Nachbarn auf der anderen Seite, türkische Migranten, Erdoğan-Fans, Allah-Fans, haben ihren Garten mit Rollrasen bestückt. „Du bist deutscher als deutsch“, sage ich zu ihm. Auch hier ist die Message klar: Er will ankommen.

Bleibe dazwischen ich. Mein Rasen will sich partout nicht in eine Wiese verwandeln. Nelkenwurz, Schöllkraut und Dost, ja die kommen. Das eine absorbiert Schwermetalle, kein Wunder, jahrzehntelang lag der Garten unter startenden und landenden Flugzeugen vom Flughafen Tegel. Schöllkraut wiederum hilft bei Warzen. Dost indes verdichtet die Erde. In jedem Garten wächst das, was der Mensch braucht, das ist alte Gartenweisheit. Ich habe zwar keine Warzen, wofür ich das Schöllkraut bräuchte, scheine aber ungeerdet zu sein – und der Dost soll helfen. Wiesenblumen, ich denke da etwa an Margeriten, Wiesensalbei, Kornblumen, Witwenblumen, kommen nicht, wenn ich sie aussäe. Ich muss sie im Topf kaufen, einpflanzen und betüteln. Dabei kann ich zugucken, wie sie vergehen und im nächsten Jahr nicht wiederkommen.

Ich tue alles, um meiner Wiese Wiesenstruktur zu geben und schaffe nur Chaos. So viel zur Visitenkarte. Jedes Mal bei der Gartenbegehung heißt es, ich solle das Unkraut entfernen.

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9 Kommentare

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  • Hallo Frau Schwab,



    nur mal im Mai nicht mähen macht aus Ihrem Rasen noch keine artenreiche Wiese, die Ihnen anscheinend vorschwebt.



    Begriffsklärung vorab wäre hilfreich:



    Sie reden offenbar vom Scherrasen, d.h. dem Rasen der durch Mahd kurzgehalten wird und eine dichte (gefördert v. a. mit Stickstoffdüngung) grasreiche, artenarme Struktur erhält. Daneben niedrig- bis rosettigwachsende "Allerweltskräuter" wie Gänseblümchen, Löwenzahn, Kriechender Hahnenfuß. In den Baumarktrasenmischungen sind fast nur noch Weidelgrassorten (schnellwüchsig) enthalten, außer in "Schattenrasen" (auch noch Straußgras, Schwingel,...).



    Artenreiche, meist sonnenexponierte Naturrasen ("Halbtrockenrasen", Kalk-, Sandmagerrasen) wachsen auf nährstoffarmen, wasserdurchlässigen, skelettreichen Substraten, werden durch extensive Trifftweide (Schafe, Ziegen) kurzgehalten. Das können Sie natürlich durch "Abmagern" des Bodens und seltenes Mähen imitieren.



    Eine artenreiche hochwüchsige Wiese, die Sie offenbar im Kopf haben, ist aber nicht beliebig betretbar und wird nicht nur im Mai nicht, sondern im Jahr überhaupt nur 1 bis max. 2x mit Sense gemäht.



    Sich informieren wäre hilfreich vor dem Veröffentlichen.

  • " Jedes Mal bei der Gartenbegehung heißt es, ich solle das Unkraut entfernen."



    ja, leider ist das die Realität. Eine Blumenwiese auch wenn sie natürlich ist, muß schon offiziell nach Baustelle aussehen, damit der Vorstand die Naturhaftigkeit des Anliegens erkennen kann, einfach nur peu a peu umwandeln, das wird als Unkrautkultur deklariert....



    Meine praktische Erfahrung, aus einem geschlossenen Rasen wird keine Wildwiese, mäht man nicht wird es einfach ein hoher Rasen, ohne Blumen und Kräuter...



    Was hilft, ist Klakstreuen, das schwemmt die Nährstoffe aus, im ersten Jahr wuchert der Rasen aber extrem, dann mähen mähen mähen, um dem Gras die Kraft zu nehmen, dann bin ich mit einer Fräse drüber, nur leicht, um die Oberfläche zu verletzen, das sieht schlimm aus, gibt auch garantiert Kommentare der Nachbarn. und dann das wichtigste, Wildpflanzen einsäen, von alleine kommen die nicht. Woher auch, hat dort doch seit Jahren nichts wildes geblüht und Samen gebildet....



    Dann so langsam wird`s was...

    • @nutzer:

      es soll natürlich "Kalk streuen " heißen...



      die restlichen Rechtsschreibfehler gibt`s umsonst dazu :)

  • Gutes Vorhaben. Noch ein Schritt weiter: direkt Blühpflanzen anlegen (wurde im Artikel ja auch miterwähnt).



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    "Eine Schrebergartennachbarin hat so gut wie nichts in ihrem Garten außer Rasen" - gibt es für Schrebergärten nicht genaue Vorgaben, dass x% für den Anbau von (Nutz)-Pflanzen genutzt werden müssen?

  • Wie wäre es mal mit einer Standortanalyse und einer dementsprechend angepassten Sortenwahl? Einheimische Sträucher und Stauden sind auch Gold wert für Flora und Fauna nicht nur Wildwiesen. ChatGPT spuckt beispielsweise folgendes aus:



    "Für die Begrünung von Stadtböden in Berlin-Tegel eignen sich verschiedene einheimische Pflanzen, die an urbane Bedingungen wie verdichteten Boden, Luftverschmutzung und wechselnde Feuchtigkeit angepasst sind. Hier sind einige robuste und ökologisch wertvolle Arten, die gut gedeihen können: Jetzt folgt eine lange Liste von Pflanzen die Sinn machen könnten (je nach genauem Standort). Der Text/die Liste ist zu lang für diesen Kommentar. Ein paar Beispiele: Schwarze Königskerze, Schwarznessel, Rot-Klee, dornige Hauhechel, Eberesche, gewöhnlicher Efeu.... und viele mehr. Ich hoffe ich konnte helfen. LG

    • @QuantumRider:

      Was Sie auflisten (Stauden, Sträucher, Bäume) hat nichts mit Wiese oder Rasen - auch an die räumliche Nutzbarkeit im Garten denken, um die es im Artikelk geht! - sondern mit "Ruderalflächen" hin zur "Stadtverwaldung" zu tun.



      Efeu z.B. kommt überall ganz von selbst und es ist Vorsicht angebracht: Er schädigt Mauerwerk, indem er den Kalk aus dem Mörtel zieht, die Fugen leert und durchwächst, den Verbund destabilisiert.

    • @QuantumRider:

      Eberesche in der Wiese....? ChatGPT kann vieles, aber auch manches nicht.

      Das wichtigste ist den alten Rasen auszudünnen oder gar entfernen und dann einzusäen. Einfach Saatgut auf den Rasen hat keine Chance, da ist jede Lücke schon besetzt und die Keimlinge werden sofort überwuchert.

      Rieger Hoffman ist das Stichwort. Da gibts standortgerechte Saatgutmischungen.

      • @nutzer:

        Es geht den Naturschutzverbänden doch primär darum Biodiversität und Artenvielfalt zu erhalten/fördern und nicht zwanghaft darum einen Rasen zu einer Wildblumenwiese zu machen. Wenn man damit auf verdichtetem Stadtboden nicht weiter kommt , kann man doch auch seinen Geist für andere Möglichkeiten, wie beispielsweise Stauden, Hecken oder (kleine) Bäume, öffnen. "Aufgrund der dekorativen Frucht- und Blütenstände sowie ihrer relativ großen Resistenz gegen Immissionen ist die Eberesche in Städten häufig an Straßen als Allee- oder Einzelbaum und in Gärten sowie Parks als Zier- und Vogelschutzgehölz zu finden." (wikipedia) Spricht also im Schrebergarten nicht zwingend was dagegen (die Eberesche kann man auch klein halten). Aber wie gesagt, bei den chatbots findet lange Listen von sinnvollen Pflanzen. (von mir aus auch bei Rieger Hoffmann;)